In aller Regel blickt die Spielergemeinschaft mit Wohlwollen auf die akribische Arbeit der zahllosen Modder rund um den Globus. Sie basteln und werkeln unermüdlich daran, selbst die besten Spiele wie Age of Mythology noch etwas besser zu machen. Doch es ist leichter, bereits Vorhandenes zu verbessern, als etwas tatsächlich Neues zu schaffen. Tale of the Dragon macht uns schmerzlich bewusst, dass Spieleentwicklung ein Handwerk ist, das gelernt sein will.
Denn obwohl die Entwickler von Forgotten Empires mit Sicherheit keine Amateure mehr sind, macht sich die Modding-Vergangenheit des Studios überdeutlich bemerkbar: Eine verbuggte, schrecklich langweilige Kampagne, haufenweise recycelte Animationen und Einheiten-Modelle, wiederverwendete Bild- und Sounddateien wären in einer professionellen Erweiterung ein Tabu. Das Addon muss sich den Vorwurf gefallen lassen, eine ziemlich gute Mod zu sein – mehr aber nicht.
Kaufwarnung
Vor allem die Kampagne von Tale of the Dragon ist in einem schlechten Zustand. Des Öfteren muss man unverschuldet von vorne beginnen, die technischen Aussetzer in den Zwischensequenzen zerstören jegliche Atmosphäre. Manche Spieler können seit dem Addon sogar das Hauptprogramm nicht mehr starten. Ihnen konnte bislang nur ein notdürftiger Workaround angeboten werden. Zwar wurden wesentliche Bugs, die die Kampagne zu Release unspielbar gemacht hatten, bereits beseitig. In Anbetracht der verbleibenden Probleme müssen wir einstweilen jedoch vom Kauf abraten.
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Story? Welche Story?
Tale of the Dragon führt das Volk der Chinesen mit eigenem Götterset ein und erweitert das Hauptspiel um zahlreiche Maps, eine eigene Kampagne sowie neue Einheiten für die bestehenden Völker. Wo sich die neue Nation noch ordentlich in das Hauptspiel integriert, fällt insbesondere die in neun Missionen unterteilte Kampagne deutlich ab. In der völlig belanglosen Geschichte dreht sich alles um das zerstörte Gleichgewicht von Yin und Yang. Chaos bricht über das Chinesische Kaiserreich herein und uns, dem fähigsten General seiner Hoheit des Kaisers, fällt die Aufgabe zu, die alte Ordnung wiederherzustellen.
Das Fatale dabei ist, wie laienhaft die Erzählung inszeniert wird. Den Handlungsträgern fehlt jeglicher Charakter und die meisten Zwischensequenzen sind technisch miserabel umgesetzt. Da übertönt die Musik gerne mal die Sprachausgabe, Figuren erzählen fast reglos ihre Zweizeiler und eigentlich interessante Gestalten verkümmern zu belanglosen Statisten. Die Originalkampagne schaffte es stets, echte Mythen und Sagengestalten mit der Handlung sinnvoll zu verweben und gleichzeitig etwas Wissen zu vermitteln. Allerdings gelingt das der chinesischen Saga überhaupt nicht, ja sie bemüht sich nicht einmal. Dabei wäre es doch tatsächlich interessant, was es mit dem Drachenkönig, dem Urkaiser oder der chinesischen Unterwelt auf sich hat.
Und so ist es kein Wunder, dass jegliche Spannung flöten geht. Wir arbeiten stumpf einen Ratgeber nach dem anderen ab, es gibt keinen Twist, keine richtige Erklärung oder gar eine Auflösung. Sogar das Motiv unseres uninspirierten Gegenspielers müssen wir uns selbst zusammenreimen - das gelingt aber nur, wenn wir die Charakterbeschreibungen im Glossar mitnehmen.
Immerhin passt das Missionsdesign, auch wenn es nicht gerade vor Inspiration strotzt. Da uns nämlich die meiste Zeit alle Einheiten und Gebäude zur Verfügung stehen, unterscheiden sich die Ausgangssituationen selten grundlegend. Dennoch: Wenn wir nicht gerade wegen schlecht durchdachter Zielvorgaben oder diverser Abstürze zum Neustart gezwungen werden, kommt tatsächlich echter Spielspaß auf. Das Grundgerüst von Age of Mythology ist eben einfach unverwüstlich und kann uns selbst 13 Jahre nach Release noch für einige Stunden begeistern.
Im Osten wenig Neues
Abseits der Kampagne macht das Spiel keine so schlechte Figur. Bis auf wenige Ausreißer sind die Einheiten gut ausbalanciert, das neue Volk wirkt nicht wie so oft zum Start völlig übermächtig. Die Chinesen bringen ein paar neue Mechaniken mit, so sammeln sie ihre Gunst mit einem steten Zustrom aus den Gärten, die bei Bedarf auch anderweitige Rohstoffe erzeugen können. Ihr Lagerhaus macht keinen Unterschied zwischen Nahrung, Holz oder Gold. Nah- sowie Fernkampfinfanterie teilen sich dasselbe Gebäude und die gleichen Upgrades. Alles in allem fallen die Unterschiede im Vergleich mit den alten vier Völkern aber etwas geringer aus. Einige nette Ideen bringen zudem Abwechslung in die Auswahl der Gefechtskarten und der neue Kartenmodus »riesig« sorgt für wirklich große Schlachtfelder, auf denen sich der Spielspaß wie eh und je ungezügelt ausbreiten kann.
Wer heute zehn Euro für eine Erweiterung eines 13 Jahre alten Titels hinlegt, erwartet in der Regel mehr als neu arrangierte oder umtexturierte Mod-Inhalte. Jedoch genau da hapert es bei Tale of the Dragon, und zwar beträchtlich. Die chinesischen Gebäude und Soldaten sind noch recht gut umgesetzt und tanzen in einem normalen Match nicht aus der Reihe. Bei den Monstern, Götterzaubern und Kampagnenhelden hingegen wurde so vieles kopiert oder mehr als notdürftig selbst animiert und modelliert, dass es unangenehm ins Auge fällt. Der geneigte Hauptspiel-Veteran muss nur noch überlegen, von welcher ursprünglichen Einheit Bewegungsset oder Spezialeffekt übernommen wurden.
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