Angst in Spielen - Lust auf Grusel

Expliziter Terror oder unterbewusste Bedrohung? Wir beleuchten die zwei Grundströmungen der interaktiven Angstmacher und erklären, woher die Faszination des Grusels kommt.

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Wir alle haben Angst. Zu jeder Zeit, in jeder Situation, während jedes Atemzuges. Dies kommt nicht von ungefähr, zählt Angst (lat: angustia =Enge) doch zu den primären Emotionen. Sie schützt uns vor Gefahr und dient der Selbsterhaltung. Rein biologisch betrachtet handelt es sich bei Angst um einen Stresszustand, der von vielen Faktoren ausgelöst werden kann. Bedrohliche oder unerwartete Situationen lösen bei uns ebenso Angst aus wie Erinnerungen, enge Räume oder Höhe. Die Entscheidung darüber, ob wir Angst empfinden oder nicht, wird von zwei kleinen Nervenknoten, den so genannten Mandelkernen getroffen. Diese im limbischen System des Zwischenhirns beheimateten Knoten überprüfen jeden Sinneseindruck auf potenzielle Gefahren. Wird eine Situation nun als gefährlich eingestuft, schaltet der Körper mit Hilfe einer Nervenstruktur im Zwischenhirn (Aufsteigendes Retikuläres Aktivierungssystem) auf Alarmstufe Rot, und die körpereigene Mobilmachung beginnt.

Angst machen ist schwer!

Wird eine Angstreaktion hervorgerufen, schaltet der Körper in den Overdrive-Modus, der dazu dient, die für einen Kampf oder eine Flucht notwendige Energie bereitzustellen. Die Aufmerksamkeit wird erhöht, gleichzeitig fokussiert die Wahrnehmung auf die Quelle der Angst. Die Pupillen weiten sich, das Gehör wird empfindlicher. Herzklopfen, flache Atmung, Schwitzen und Zittern gehören ebenfalls zur typischen Angstreaktion.

Panik statt Grusel: Resident Evil 4 treibt den Spieler ständig an. Panik statt Grusel: Resident Evil 4 treibt den Spieler ständig an.

Jeder Fan von Horror-Videospielen wird die eben aufgeführten Charakteristika einer Angstreaktion schon während des Spielens erlebt haben. Etwa dann, wenn die berühmten Resident Evil-Hunde durch die Scheibe brechen oder die bizarren Geräusche und Kreaturen der Silent Hill-Serie des Spielers Nerven strapazieren. Horror-Spiele haben, was das Wecken von Emotionen beim Spieler angeht, eine Ausnahmestellung inne. Im Gegensatz zu anderen Genres, die Emotionen anhand ihrer Spielmechanik auslösen können (zum Beispiel Jump & Runs oder Prügelspiele), ist das Survival-Horror-Genre eher kontextgetrieben. Die im Grunde simple Spielmechanik ist nicht stark oder befriedigend genug, um die gewünschte Emotion (in diesem Falle Angst oder Anspannung) aufzubauen, also müssen andere Stilmittel und Mechanismen gefunden werden, um den Spielern den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben.

Hollywood

Das auf PC und Videospielkonsolen sehr populäre Survival-Horror-Genre lässt sich, fast analog zu modernen Horrorfilmen, in zwei Grundströmungen unterteilen, den Hollywood-Stil und den Japan-Stil, die vornehmlich von zwei Serien repräsentiert werden: Resident Evil (Hollywood) und Silent Hill (Japan).

Kein Wunder: Resident Evil wurde inzwischen vier Mal verfilmt. Kein Wunder: Resident Evil wurde inzwischen vier Mal verfilmt.

Resident Evil wandelt vom Setting bis zur Musik und der Angsterzeugung ganz klar auf den Pfaden Hollywoods. Der Horror wird durch die explizite Darstellung der fauligen Zombiekörper sowie klassischen Schockszenen wie den eingangs erwähnten, durch die Fensterscheiben berstenden Hunden verursacht. Die Angst vor dem Unbekannten spielt ebenfalls eine große Rolle, da (aufgrund der fixen Kamera-Perspektiven der ersten Teile) Gegner oftmals zu hören, aber nicht zu sehen sind. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die limitierte Munition – jeder Schuss will gut überlegt sein; die Angst plötzlich ohne Patronen dazustehen, ist allgegenwärtig. Die Helden der Resident Evil-Serie sind klassische Actionfilm-Stereotypen, denen eine gewisse Oberflächlichkeit in Bezug auf Charakterzeichnung und emotionale Tiefe nicht abzusprechen ist.

Auch beim Sound ist alles Hollywood: traurige Klaviermelodien und Cello-Stücke in ruhigen Passagen und spannungsfördernde Stücke während der Kämpfe. Obwohl die Musik bei den klassischen Resident Evil-Teilen keine tragende Rolle spielt, lässt sich mit ihrer Hilfe gut erklären, wie die Ohren Emotionen auslösen können, bevor das Auge die Situation erfasst. Die Speicherräume (in denen keine Gegner vorhanden sind) in Resident Evil sind mit einer bestimmten Melodie unterlegt. Betritt der Spieler einen solchen Speicherraum, wird der Bildschirm kurz schwarz, die ersten Töne der Speicherraum-Melodie sind allerdings schon zu hören und verursachen im gehetzten Spieler ein Gefühl der Erleichterung, noch bevor der sichere Ort auf dem Bildschirm auftaucht.

Gehetzt ist an dieser Stelle ein gutes Stichwort, denn eine weitere sichere Bank, um den Puls der Spieler in die Höhe zu treiben, sind Zeitlimits, die in den klassischen Teilen der Serie häufig verwendet werden. Mit Resident Evil 4und der damit einhergehenden Neuausrichtung hat sich auch die Art der Angsterzeugung gewandelt. Wo die klassischen Teile aufgrund ihres eher behäbigen Tempos dem Spieler genügend Zeit zum durchatmen gelassen haben, bläst RE 4 zur gnadenlosen Hetzjagd auf den Spieler, lässt ihm keine Zeit zum Durchatmen und dreht zudem noch an der Spannungsschraube, indem es dem Spieler unbesiegbare Gegner mit Kettensägen auf den Hals hetzt und auch noch auch noch die Verantwortung für die wehrlose Ashley überlässt.

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