Seite 2: »Angst, zu sein wie Sebastian B.« - GameStar-Interview: Was geht in jungen, computerspielenden Männer vor?

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Fabian: Alexander, Du bist ein alter Bekannter der GameStar-Redaktion. Die Umstände, unter denen wir uns getroffen haben, sind allerdings ein wenig… ungewöhnlich.

Alexander: Könnte man so sagen. Damals, mit 16 oder 17, war ich auf der Suche nach Menschen, die so sind wie ich. In meiner Klasse waren zwar auch vier oder fünf Typen, die sich für Computerspiele interessierten, aber ich habe eigentlich eher nach Vorbildern gesucht. Und nachdem ich welche gefunden hatte, die mich jeden Monat in Form der GameStar-CD besuchten, wollte ich die unbedingt kennen lernen. Damals konnte man nicht einfach die ICQ-Nummer oder das Blog seines Lieblingsredakteurs suchen und herausfinden, was er für ein Mensch ist, ob er auch außerhalb der Redaktion immer einen flotten Spruch drauf hat.

Also bin ich nach München gefahren, habe in der Jugendherberge gepennt und sieben Tage lang vor der Redaktion gelauert - Fotos gemacht, Redakteure angelabert. Bis mich eines Abends Petra mal in die Redaktion eingeladen hat und mir zeigte, dass die Realität im Raumschiff GameStar viel mit Schreibtischen und wenig mit Blastern zu tun hat.

Fabian: Mit Petra hast Du seitdem auch noch öfters Kontakt, oder nicht?

Alexander: Ja, und ich würde sogar behaupten, sie hat an einer Stelle in meinem Leben eine bedeutende Rolle für mich gespielt. Nach der Realschule und 40 erfolglosen Bewerbungen war mein Weltbild neu gezeichnet. Und damit meine ich kein schönes Bild. Mein Kumpel und ich lagen nachts besoffen auf Spielplätzen herum, haben den Sternen beim Drehen zugeschaut und das System verflucht. Ich habe dann erstmal ein Praktikum als Fachinformatiker angefangen und dabei gedacht, dass man es sich wohl nicht aussuchen kann, was das Leben mit einem macht. Petra, der ich regelmäßig per ICQ mein Leid klagte, hat mir gezeigt, dass es nicht so ist: Ich habe auf ihr Zusprechen den Job hingeschmissen, mich umgeschaut und plötzlich etwas entdeckt, was zu mir passt. Inzwischen bin ich selbstständiger Mediengestalter. Und wohl einer der zufriedensten obendrein.

Fabian: Kanntest Du Sebastian B. persönlich?

Alexander: Nein, ich kannte ihn nur aus dem Internet. Das wurde mir klar, als sein Online-Spitzname »ResistantX« bekannt wurde. Er war mit mir in Modding- und Softair-Foren unterwegs, wo sich unsere Wege öfters gekreuzt haben. Aber er war nicht auffällig oder anders als wir anderen. Und das macht mir irgendwie Angst.

Fabian: Über was habt Ihr in den Foren gesprochen?

Alexander: Unter anderem eben über Softair-Waffen. Das sind halbwegs realitätsgetreue Nachbildungen echter Waffen, mit denen meist 6 Millimeter große Plastikkugeln verschossen werden - auf alte CDs, Kartons oder andere Softairspieler. Und bei dem Thema waren wir einer Meinung, zum Beispiel dass Optik und Präzision sehr wichtig sind. Wir schworen auf denselben japanischen Hersteller. Die meisten dieser Waffen sind sogar zu echtem Zubehör kompatibel.

Fabian: Warum faszinieren Dich Waffen?

Alexander: Das habe ich mich auch lange gefragt und ein leicht mulmiges Gefühl vor dieser Faszination gehabt. Aber für mich, so weiß ich heute, geht es dabei in erster Linie um Industriedesign. Im Gegensatz zum Grafikdesign geht es bei einer Waffe um die Gebrauchsfähigkeit und nicht um das Aussehen - und trotzdem sieht sie gut aus! Waffen sind die Verbindung zwischen Mensch und Maschine, vom Griff bis zum Lauf. Deshalb redet man in Softair-Foren auch viel über den realistischen Look einer Replik. Und deshalb ist für viele Waffenfans Softair auch interessanter als Paintball - so zum Beispiel wohl auch für Sebastian.

Fabian: Tatsächlich schrieb er in einem Forum, er habe sich gegen Paintball und für Softair entschieden, weil es dort viel mehr Auswahl gäbe, was die Waffen angeht. Er interessiere sich für Waffen aller Art, wolle aber unter keinen Umständen als »Hobbyrambo« gelten.

Alexander: So ist es ja auch, denn es ist schwer ein Hobby zu verteidigen, bei dem man die Nachbildung eines Sturmgewehrs geil findet. Viele Softair-Fans hätten sicher gerne eine Sammlung echter Waffen, wollen aber nicht noch negativer auffallen als sie es ohnehin schon tun. Eigentlich hätte ich auch gern Outdoor im Team gespielt, aber dazu hatte ich keine Gelegenheit. Es blieb bei einem einzigen schüchternen und nervösen Versuch, allein mit meiner Softair-MP5 im Wald auf Bäume zu schießen, ohne von Spaziergängern entdeckt zu werden. Dabei kam ich mir aber schnell blöd vor, inzwischen habe ich auch meine ganze Munition weggeworfen. Denn auch Softair-Waffen sind gefährlich, man denke nur an Kinder oder besonders witzige Kumpels, die mit einer Pistole gestikulieren wie mit einer Bierdose. Weil es außerdem schwer ist, Leuten klar zu machen, dass man Waffen wegen des Designs mag und nicht, weil man damit Leute töten will, halte ich mein Hobby verdeckt.

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