Seite 2: Arcania: Gothic 4 im Test - Kein Gothic und kein gutes Spiel

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Maue Handlung

Ein wichtiger Atmosphäre-Faktor ist natürlich die Handlung, die noch nie zu den Stärken der Gothic-Spiele zählte. Denn die zehrten mehr von ihrer lebendigen Spielwelt als von literarischem Tiefgang. Umso löblicher ist, dass sich Arcania anfangs Mühe gibt, dem – abermals namenlosen – Helden ein Gesicht und ein nachvollziehbares Motiv zu verleihen. Nach einem Schicksalsschlag möchte sich der Recke am kriegerischen König Rhobar III. rächen, übrigens dem Helden aus den Vorgängern.

Lester ist ein alter Bekannter aus den Vorgängern. Lester ist ein alter Bekannter aus den Vorgängern.

Diese glaubwürdige Rachegeschichte verliert aber sofort nach dem Sprung auf die Hauptinsel jeden Dampf, artet zur langatmigen Schnitzeljagd aus und zerfasert später zu einem abstrakten Dämonen- und Götterkonfilkt. Besonders im letzten Spieldrittel tauchen so viele neue Gesichter und Namen auf, dass die Nachvollziehbarkeit und die Spannung rasch auf Gnomengröße schrumpfen. Am ehesten motiviert da noch die Frage, wie Rhobar vom gutmütigen Herrscher zum mordenden Despoten mutieren konnte.

Doch auch das ist nach rund 17 von 20 Spielstunden geklärt, danach muss der Held die Story nur noch abwickeln – Hochspannung sieht anders aus. Immerhin treffen Sie immer mal wieder alte Bekannte aus den Vorgängern, etwa Diego, Lester und Milten. Das ist ein Trostpflaster für Gothic-Fans, wenn auch kein allzu dickes, weil die Veteranen zwar wichtige Rollen spielen, aber nur selten auftreten.

Gegen Spielende zieht der Schwierigkeitsgrad an. Hier kämpfen wir gleichzeitig gegen einen Dämonenlord und einen Feuergolem. Gegen Spielende zieht der Schwierigkeitsgrad an. Hier kämpfen wir gleichzeitig gegen einen Dämonenlord und einen Feuergolem.

Erzählt wird die Handlung vor allem in ordentlich vertonten Dialogen und Gemälde-Zwischensequenzen, die allerdings längst nicht alles erklären. So klaffen in der Story immer mal wieder Lücken. Als besonders konfus entpuppt sich die Endsequenz, in der … okay, das verraten wir nicht. Sagen wir einfach: Es geht um ein mysteriöses Ritual, das von Charakteren durchgeführt wird, die in der Handlung zuvor allenfalls am Rande aufgetaucht sind. Eine Erklärung bleibt Arcania ebenso schuldig wie einen richtigen Schlusspunkt: Das Ende ist unerträglich offen.

Arcania: Test-Video Video starten 5:42 Arcania: Test-Video

Katastrophale Quests

Doch wie gesagt, die Handlung war noch nie ein Gothic-Glanzlicht. Allerdings boten die Arcania-Vorgänger stets schöne Quests, die zum Erkunden und Weiterspielen einluden. Arcania scheitert in dieser Disziplin so grandios wie schon lange kein großes Rollenspiel mehr.

Die Handlung wird hauptsächlich in Dialogen erzählt. Die Handlung wird hauptsächlich in Dialogen erzählt.

Denn alle Aufträge basieren auf den Simpelmustern »Schalte irgendwen aus« oder »Bring mir irgendwas«, manchmal auch beides nacheinander. Eskort-Missionen, Gesprächs-Aufgaben, Rätsel, kurzum: Abwechslung fehlt in Arcania komplett. Und zwar nicht nur im Hauptstrang, sondern auch in den Nebenquests, die noch dazu überwiegend langweilige Geschichten erzählen. Zum Beispiel liefern Sie ein Paket an einen Dschungel-Einsiedler – gähn! Danach dürfen Sie zwar noch dessen »Wachhund« bekämpfen, eine Schattenbestie. Originell ist trotzdem anders.

Außerdem sind die Nebenaufträge dünn gesät sind, in jedem abgeschlossenen Gebiet bekommen Sie höchstens mal vier oder fünf. Im letzten Spieldrittel gibt’s dann fast gar keine optionalen Aufgaben mehr. Stattdessen hacken Sie sich sechs Stunden lang pausenlos durch Gegnergruppen, vorzugsweise Skelette. Für ein ernsthaftes Rollenspiel ist das lächerlich.

Im letzten Spieldrittel kämpfen wir fast ununterbrochen gegen Feindgruppen, hier etwa gegen die Zombies im Armenviertel der Hauptstadt Thorniara. Im letzten Spieldrittel kämpfen wir fast ununterbrochen gegen Feindgruppen, hier etwa gegen die Zombies im Armenviertel der Hauptstadt Thorniara.

Um die Spielwelt zumindest halbwegs zu füllen, hat Spellbound einige Sammelquests à la »Finde 30 Statuen« eingebaut. Als Belohnung winken Kampfboni – aber nur, wenn Sie wirklich alle Gegenstände aufstöbern. Und das macht wenig Spaß, denn die Suche nach dem gut versteckten Kleinkram artet in Plackerei aus.

Viele Quests sind zudem mit langen Laufwegen verbunden. So gibt’s zwar ein Teleporter-System, allerdings können Sie immer nur zwischen zwei Stationen in derselben Region hin- und herreisen, was selten notwendig ist. Letztendlich ist die Sprungmöglichkeit eh Makulatur, denn Sie müssen nie in bereits besuchte Regionen zurückkehren. Alle Aufträge spielen innerhalb der jeweiligen Gebietsgrenzen. Hier verschenkt Arcania viel Potenzial.

Fehlende Entscheidungsfreiheit

Dass große Gothic-Entscheidungen á la »Welcher Fraktion schließe ich mich an?« in Arcania wegfallen, weil es schlichtweg keine nennenswerten Fraktionen mehr gibt, war bereits bekannt. Aber auch die im Vorfeld vielgepriesenen alternativen Lösungswege für Quests entpuppen sich als pure Luftnummer. Nur eine Handvoll Hauptmissionen bietet überhaupt mehrere (=zwei) Ansatzpunkte, doch selbst darin wirken sich Ihre Entscheidungen nicht spürbar aus.

Neue Rüstungen gibt's nur zum Kapitelende. Neue Rüstungen gibt's nur zum Kapitelende.

So ist es egal, ob Sie in der Baumsiedlung Tooshoo einer arroganten Magierin oder ihrem irren Rivalen helfen, das Ergebnis bleibt dasselbe: Sie werden zum Obermagier vorgelassen, der Sie in beiden Fällen freundlich begrüßt und den Konflikt der beiden Zauberer nur in einem Nebensatz erwähnt. Bessere Rüstungen erhalten Sie entsprechend auch nicht mehr von Fraktionen, sondern immer dann, wenn Sie ein Story-Kapitel abschließen. Die Klamotten, die Sie ausschlagen, gibt’s dann in Läden zu kaufen, sodass Sie trotzdem jederzeit wechseln können.

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