Beate und der Schellenbär - Killerspiele-Domino mit der CSU

Nach einem Missbrauchsfall im niederländischen Ameland hat die CSU-Politikerin Beate Merk schnell einen Sündenbock ausgemacht: Einmal mehr sollen die »Killerspiele« den Tätern als Anleitung gedient haben.

Christian Schmidt, Stellvertr. Chefredakteur GameStar Christian Schmidt, Stellvertr. Chefredakteur GameStar

Wenn in Deutschland Schreckliches passiert, das mit Jugendlichen zu tun hat, dann ist eine hübsche Ereigniskette zu beobachten, wie fallende Dominosteinchen, die einander anstoßen. Zuerst schwärmen Journalisten aus, die Politikern Mikrofone unter die Nase halten und eine Erklärung verlangen. Die Politiker, ratlos wie unsereins, aber verantwortungsbewusster, wühlen im Ideologiesack ihres Parteiprogramms und ziehen ein passendes Feindbild hervor. Das sind meist die Unterlassungssünden des politischen Gegners, aber irgendeiner ist immer dabei, dem die so genannten »Killerspiele« einfallen, stets eine gute Erklärung für die Verrohung der Jugend. Als nächstes Steinchen, kling-klang-klung, ploppen dann die Kolumnen in den Spielemedien auf, deren Autoren sich gegen solche Unterstellungen verwahren, scharf zurückschießen oder seufzend den Kopf schütteln. So wie dieser hier.

Im aktuellen Fall war das Steinchen die bayerische Justizministerin, Beate Merk, die als Antwort auf den vermutlichen sexuellen Missbrauch von Jugendlichen auf der Ferieninsel Ameland ein Verbot von Killerspielen forderte. Die Logik ist nicht unbedingt zwingend: Aus Computerspielen werden die minderjährigen Täter wahrscheinlich nicht gelernt haben, wie man Teenager mit Gegenständen sexuell foltert, eine solche Darstellung, ja schon die reine Thematik ist im prüden Medium streng tabu. Deshalb hat Beate Merk auch in erster Linie (Kinder-)Pornographie im Fadenkreuz, der Hieb gegen »Killerspiele« war eher, nun ja, nachgeschossen. So etwas fließt CSU-Politikern inzwischen wahrscheinlich automatisch von den Lippen. Bei »Killerspielen« landet Merk im Ameland-Fall über den Umweg über die allgemeine Verrohung der Jugend, ein Schreckgespenst, dessen Knochen auch deshalb so schön klappern, weil sich darauf kaum Fleisch befindet.

Beate Merk (CSU) Beate Merk (CSU)

Jede Lobby betreibt Interessenspolitik, und so wie es dem CSU-Stammwählerherz wohl gut tut, wenn sich starke Politiker gegen den reißenden Strom der Killerspiele stemmen, so hören es geprügelte Videospieler mit Freude, wenn eine starke Instanz ihrer Empörung stellvertretend Luft macht. Alsdann: Beate Merks Äußerung ist ein besonders trauriges Beispiel für den dumpfen Populismus und die erbärmliche Kenntnislosigkeit, mit der Politiker immer dann die Pausen füllen zu müssen meinen, wenn vernünftigen Menschen die Sprache fehlt. Allein, was hilft das Lamento? Nichts ändert sich hier, als dass sich wieder Kluften vertiefen, wieder Vorurteile auf beiden Seiten verfestigen, der Schellenbär wieder eine Runde im Gehege dreht. Laut und sinnlos.

Man kann durch diese Ereignisse manches darüber lernen, wie die Welt funktioniert. Geändert wird sie so nicht.

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