Ab jetzt wird's ungemütlich…
Es ist nämlich so: Nach der ersten Stunde hat Betrayer all seine teils sehr cleveren und stimmigen Ideen einmal vorgeführt. Und wiederholt die dann bis zum Erbrechen. Oder spinnt sie nur halbherzig und inkonsequent weiter. Oder verspielt sie mit plumpen Schwächen irgendwann einfach komplett. Es mag für jeden Spieler einen anderen Moment geben an dem die Spirale der Ernüchterung einsetzt. Aber sie kommt gewiss.
Sei es beispielsweise wenn man bemerkt, dass sich die recht ansehnlichen Landschaften wie ein Ei dem anderen gleichen. Und dass es dort auch gar nicht so viele Entdeckerfreuden gibt, wie Betrayer vorgaukeln will. Eine Schatztruhe mit Gold hier, eine Notiz oder ein Geist mit Textbox-Einzeiler dort - das ist es im Grunde auch schon. Ansonsten stapft man bald einfach von einer Siedlung zur nächsten oder folgt stupide der allzu kontextlosen Schnitzeljagd zum nächsten, nennen wir es einmal »Questpunkt«.
Wo man dann wiederum einfach gegen ein paar Feinde kämpft, worauf sich wieder irgendwo ein Tor öffnet. Oder wir treffen einen Verblichenen, der etwas verloren hat, suchen die Karte ab, bis wir das Ding gefunden haben und bringen es ihm zurück. Und bekommen im schlechtesten Fall wieder einen schlichten Texteintrag. Was also eigentlich als spannendes Puzzle gedacht ist, verkommt zu einer ermüdenden Abfolge von Sammelaufgaben, die dramaturgisch mehr schlecht als recht zusammengeflickt sind.
… und immer grottiger
Die anfangs spannenden und fordernden Kämpfe verkommen schnell zur Geduldsarbeit und Farce. Erstens hat Betrayer eine erschreckend geringe Auswahl an Feinden - wir liefern uns auch nach Stunden noch immer mit denselben spanischen Zombie-Eroberern Feuergefechte. Zweitens hebelt die mäßige KI sowohl den Stealth-Ansatz, als auch den Anspruch komplett aus.
Die Skelette in der düsteren Totenwelt sind sowieso stupides Kanonenfutter und selbst die gepanzerten Konquistadoren können wir auch ohne Schleicherei mit einfachen Tricks erledigen. Suchen Sie sich was aus: Versteckspielen hinter Bäumen funktioniert ebenso gut wie ein Dauerlauf um einen größeren Felsen, bei dem Sie sich einfach nach jedem Nachladen umdrehen und einen Schuss abgeben bis die Meute im Gras liegt.
Bis zum bitteren Ende
Hinzu kommt, dass zahlreiche spielerische Möglichkeiten und Spielelemente schlichtweg überflüssig sind. Besagten Waffenshop haben wir beispielsweise größtenteils ignoriert, weil wir neue Waffen sowieso ab und an finden und die kleinen Taschenzauber für ihren hohen Preis eine kaum spürbare Wirkung haben. Eine um 5% schnellere Nachladegeschwindigkeit ist uns zumindest ziemlich egal. Oder die Windböen, die eigentlich unsere Schritte maskieren sollen. Dank der leidlichen KI funktioniert das entweder mäßig oder ist schlicht nicht notwendig. Oder so manches eingestreute »Rätsel«. Wenn wir beispielsweise einen gesuchten Klöppel wenige Meter neben der dazugehörigen Glocke finden, dann stellt sich für uns schon die Frage nach der Sinnhaftigkeit.
Wir haben bis jetzt bewusst die vielen Kleinigkeiten ausgelassen, die schlicht Geschmackssache sind. Es gibt einige Grafikbugs, aber darüber kann man hinwegsehen. Es gibt eine Grafikeinstellung, über die man Farbe ins Spiel bringen kann - das ist hübsch, aber die einzigartige Atmosphäre ist dann auch futsch. Es gibt Story-Elemente, wie die kurz erwähnte Dame in Rot, die ziemlich unbefriedigend gehandhabt werden. Es gibt seltsame Ungereimtheiten (Wieso steht da ein Waffenladen ohne Besitzer? Warum faselt das Spiel was von wegen Munitionsknappheit, wenn man eh meist genug Kugeln mit rumschleppt?), aber die allein töten nicht den Spielspaß. Der ist dank der vielen vergebenen Chancen nämlich sowieso schon verflogen.
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