Der Kern: Reden, heiraten, einkerkern, meucheln
Die Pflege unserer Familie nimmt dabei den Kern von Crusader Kings 2 ein. Wir kümmern uns ausführlich um die Heiratsplanungen unserer Schützlinge, sorgen für Vormünder oder Erzieher, schicken »überflüssige« Kinder ins Kloster und verteilen großzügig Titel unter unseren Familienmitgliedern und Vasallen.
So spinnen wir im Idealfall ein europaweites Netz von Dynastiemitgliedern, die entweder als Verbündete herhalten oder gar neue Herrschaftsansprüche eröffnen.
Doch Vorsicht: Wenn wichtige Familienmitglieder oder Bündnispartner das Zeitliche segnen, kann jahrzehntelange Arbeit schnell den Bach runtergehen, da sämtliche Abmachungen und Verbindungen immer auf die Person, niemals auf ein Land oder ein Amt geeicht sind. Das heißt: Falls Ihr Onkel, der Graf der Toskana, stirbt, dann ist auch das Bündnis mit dem Fürstentum dahin.
Außerdem können sich ungeliebte Familienmitglieder gegen uns verschwören und unsere Ermordung planen. Zum Glück können wir es ihnen mit gleichen Mitteln heimzahlen (oder wir kerkern sie gnädigerweise ein).
Die Möglichkeiten der Interaktion, Intrige und Diplomatie mit sämtlichen Familienmitgliedern, untergebenen Vasallen oder Adeligen anderer Länder sind ausgesprochen vielfältig, ihre Organisation macht einen Großteil des Spielspaßes aus.
Der Rat mit seinen fünf Ratgebern zählt dabei zu den wichtigsten Machtinstrumenten in Crusader Kings 2. Der Verwalter kann zum Beispiel Bauvorgänge beschleunigen, während der Hofprediger inquisitorische Maßnahmen durchführt und der Agentenführer die Erfolgschancen unserer Attentatsversuche steigert.
Im Kontext der personengebundenen Feudalherrschaft des Mittelalters ist das ein durchaus realistisches Modell, das den wahren Kern von mittelalterlicher Macht und Geschichte präzise wiedergibt.
Dagegen stehen Spielmechanismen wie Aufbau, Wirtschaft, Forschung oder militärische Taktik zum Teil weit zurück, auch wenn sie nach wie vor (zumindest rudimentär) vorhanden sind.
Die Spielmechanik: Echtzeitraffer
Die grundsätzliche Spielmechanik von Crusader Kings 2 ähnelt der ähnlicher historischer Paradox-Titel wie Europa Universalis, Victoriaoder Hearts of Iron 3. In geraffter Echtzeit (ein Tag vergeht in wenigen Sekunden) läuft das Spiel permanent weiter. Allerdings können wir jederzeit pausieren oder die mehrstufige Zeitbeschleunigung einschalten, um Wartephasen zu überbrücken.
Über einigermaßen hübsche, wenn auch manchmal ein wenig unübersichtliche Menüs verwalten wir Provinzen und kümmern uns um die Belange unserer Dynastiemitglieder. Auf einer halbwegs ansehnlichen und zoombaren Weltkarte verschieben wir dann unsere Armeen. Die Kämpfe werden wie in Hearts of Iron 3von der KI ausgetragen, selber eingreifen dürfen wir nicht.
Dafür hat der Entwickler und Publisher Paradox sehr viele Elemente akribisch aus der realen Geschichte übertragen. Beispielsweise spielt die Religion eines Verhandlungspartners ebenso eine Rolle wie seine Dynastie-Zugehörigkeit. Entsprechend schwer ist es, anderen Reichen der Krieg zu erklären.
Dazu braucht es dann schon eine triftige Legitimation (wie einen Heiligen Krieg) – und sei sie auch von unserem Rats-Kanzler geschickt gefälscht.
Die Voraussetzung: Zeit und Geduld
Wer mit einer leichtgewichtigen Total War-Strategie an Crusader Kings 2 herangeht, erlebt schnell sein blaues Wunder: Gleich zu Beginn einem vermeintlich schwächeren Nachbarn den Krieg zu erklären, endelt mangels Geld und Unterstützung postwendend im Chaos.
Ein Feldzug will durch Diplomatie und Heiratspolitik ebenso wie durch Spionage und Legitimationsgründe vorbereitet werden, außerdem garantieren volle Kassen die Loyalität mächtiger Söldnerheere.
Die Vorbereitung auf einen Krieg kann daher schon mal mehrere Jahre dauern, auch der Ausbau von Städten oder Burgen dauert gerne mal Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte. Für einen Waffengang selbst sollte man entsprechend viel Spiel- und Echtzeit einplanen.
Das ist nichts für Ungeduldige, aber realistisch. Nicht umsonst dauerte der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England – nun ja – 116 Jahre. In diesen Zeiträumen können sich die dynastischen Kraftverhältnisse enorm verschieben.
So führten wir beispielsweise in einer Kampagne das kleine Königreich Georgien zu einer beachtlichen und stolzen Regionalmacht, ehe »dank« der Religionswirren zwischen Byzanz (christlich-orthodox), Kiptschaken (heidnisch) und Seldschuken (muslimisch) unser mühsam erworbenes Reich zwischen den Großmächten zerrieben wird.
Am Ende bleibt eine mickrige unabhängige Provinz für uns übrig. Das kann frustrierend sein – oder eben motivierend.
Denn einige Generationen(!) später geraten die Fronten wieder in Bewegung, was uns die Möglichkeit eröffnet, wieder zu altem Glanz aufzusteigen. Dieses Auf und Ab als teils machtloser, teils aktiv gestaltender Spielball der Geschichte macht einen großen Reiz von Crusader Kings 2 aus, ist aber wohl nicht jedermanns Sache.
Geduldige Profi-Strategen dürften in jedem Fall ihre helle Freude haben. Die stören sich dann auch kaum an den relativ raren und wenig schwerwiegenden Bugs oder der mangelhaften deutschen Lokalisierung. Außerdem könnte es etwas mehr Feedback und Komfortfunktionen geben.
Dafür erfreuen eine stark und (meist) nachvollziehbar agierende KI und nette Zufallsereignisse wie Jagdunfälle, Kunstereignisse oder Saufgelage das Königsgemüt.
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