Report zu Cyberpunk 2077: Alles zu den Vorwürfen und der Reaktion des Studio-Chefs

Jason Schreier kritisiert auf Basis von Quellen die Entwicklung von Cyberpunk 2077 scharf. Der Chef von CD Projekt Red weist die Vorwürfe teils zurück.

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Journalist Jason Schreier widmet Cyberpunk 2077 nach Anthem nun auch einen längeren Hintergrund-Report. Nachdem er die turbulente Entwicklung des BioWare-Spiels auseinandernahm, beleuchtet er jetzt die Entstehungsgeschichte des Rollenspiels von CD Projekt Red.

Das kam bei den Kritikern zum Launch deutlich besser an als sein Live-Service-Kollege - hier gelangt ihr zu unserem Cyberpunk-Test mit Wertung. Allerdings sorgten zahlreiche Bugs und weitere technische Probleme für Aufruhr und Wut bei den Fans. Vor allem die Versionen für PS4 und Xbox One galten zum Launch als fast unspielbar.

Dafür hat CD Projekt Red sich bereits entschuldigt und gelobt Besserung - noch vor DLCs und Multiplayer sollen nun die Patches 1.1 und 1.2 (statt Hotfix 1.07) erscheinen und die gröbsten Schnitzer beheben:

Wie es aber überhaupt zum für manche Spieler katastrophalen Launch-Zustand kommen konnte, klärt Jason Schreier in seinem Report bei Bloomberg auf Basis der Aussage von 20 aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern des Studios, von denen ein Großteil anonym bleiben möchte.

Es gibt noch kein offizielles Statement von CD Projekt Red zu den Vorwürfen, allerdings äußerte sich Studio-Chef Adam Badowski bereits auf Twitter und kritisierte die Aussagen des Artikels teilweise.

Wer ist Jason Schreier?
Der Journalist arbeitete früher bei Kotaku und ist für seine aufwendig recherchierten Hintergrundartikel bekannt. Er ist nachweislich gut vernetzt und deshalb glaubwürdig, obwohl seine Quellen nicht namentlich genannt werden. Inwieweit die Aussagen der Mitarbeiter zutreffen oder die Meinung der Mehrheit im Studio widerspiegeln, lässt sich daraus aber nicht ableiten.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Unrealistischer Zeitplan: Entwickler sollen gewusst haben, dass das Spiel zum Release-Datum am 10. Dezember 2020 niemals fertig werden kann und einen Launch 2022 angepeilt haben.
  • Gestrichene Spielmechaniken: Die E3-Demo 2018 war Quellen zufolge »fake« und spiegelte nicht den Zustand oder die Features des Spiels wider.
  • Später Entwicklungsstart: Trotz der Ankündigung 2012, soll die Entwicklung erst 2016 richtig angefangen haben.
  • Zu große Ambitionen: Cyberpunk 2077 war zu ambitioniert, da man nach The Witcher 3 technisch extrem viel umstellte und durch den Wechsel von Mittelalter-Fantasy auf SciFi komplett neue Assets benötigte.
  • Fokus lag angeblich viel stärker auf dem Marketing, als auf der Entwicklung. Das Management hörte den Bedenken der Entwickler im Bezug auf den Zustand des Spiels laut Schreier nicht zu.
  • Die Corona-Pandemie erschwerte wohl die Kommunikation und das Testen der Last-Gen-Versionen.
  • Überstunden und Crunch: Lange vor der Crunch-Ankündigung soll intern der Druck entstanden sein, Überstunden zu machen, um die schlechte Planung aufzufangen.

Wie Crunch in Spiele-Studios entsteht und warum er so gefährlich ist, lest ihr übrigens bei GameStar Plus - inklusive Entwicklerstimmen.

Cyberpunk 2077: Das lief laut Report bei der Entwicklung schief

Zu hoher Entwicklungsaufwand

Jason Schreier zufolge sollen die größten Hürden bei der Entwicklung von Cyberpunk 2077 vor allem die zu großen Ambitionen, eine holprige Planung und technische Hindernisse gewesen sein. Demnach räumte man dem Spiel nur ähnlich viel Entwicklungszeit wie The Witcher 3 ein, obwohl man die Engine-Technologie erneuern und auf neue Tools und Assets setzen musste - immerhin wechselte die Perspektive von Third-Person zur Ego-Sicht und das Szenario vom Fantasy-Mittelalter zur SciFi-Dystopie. Viel musste also neu gebaut werden.

Hinzu kam wohl, dass man nur 500 Mitarbeiter beschäftigte (bei Witcher 3 waren es etwa 240 interne Angestellte). Das klingt nach viel, ist aber immer noch kein Vergleich zu tausenden Entwicklern bei mehreren Studios, die sonst vergleichbar große Triple-A-Projekte wie ein GTA stemmen. Trotzdem soll die neue Team-Größe aber für organisatorische Probleme gesorgt haben, weil man die Arbeit mit so vielen Kollegen und Abteilungen intern nicht gewohnt war.

Zu wenig Zeit

Hinzu kam den Quellen zufolge, dass man 2016 auf einen Neuanfang bei der Entwicklung setzte, obwohl die Ankündigung schon 2012 stattfand. Das lag angeblich am neuen Diector Adam Badowski, der zahlreiche Änderungen an Gameplay und Story wünschte. Viele hochrangige Designer sollen das Team deshalb verlassen haben.

Der Druck, Überstunden zu machen, sei außerdem durch den viel zu knappen Zeitplan bereits vor der angeordneten Samstagsarbeit entstanden. Der erste Release-Termin am 16. April 2020 soll intern Unglauben und Entsetzen hervorgerufen haben. »Man habe den Launch erst 2022 gesehen und das unmöglich für schaffbar gehalten«.

Das Management soll allerdings betont haben, dass Verschiebungen keine Option seien. Den Quellen zufolge wollte man unbedingt die Veröffentlichung für die alten Konsolengeneration sichern und Cyberpunk 2077 deshalb vor dem Start von PS5 und Xbox Series X/S rausbringen. Die Zweifel daran, ob das Open-World-Spiel überhaupt lauffähig auf PS4 und Xbox One sei, schmetterte man anscheinend mit Verweis auf The Witcher 3 ab.

Die Probleme wurden durch die Corona-Pandemie und das daraus resultierende Home Office noch verschlimmert, weil die Kommunikation schlechter funktionierte und die Tester das Spiel daheim auf ihren eigenen Rechnern auf Bugs und andere Fehler untersuchen mussten. Die Versionen für die Last-Gen-Konsolen kamen dabei wohl zu kurz und externe Tests, die besorgniserregende Performance-Probleme vermerkt haben sollen, wurden den Quellen nach ignoriert.

Selbst kurz vor dem 10. Dezember sollen viele Dialoge noch gefehlt und Spielmechaniken nicht richtig funktioniert haben. Die Gold-Version enthielt offenbar noch schwere Bugs, die Programmierer in einem Wettlauf gegen die Zeit fixen sollten.

Mehr zum aktuellen Zustand von Cyberpunk 2077 und was die Entwickler jetzt angehen müssen, erfahrt ihr bei uns im Video:

Kritik an Cyberpunk 2077 - Was muss CD Projekt jetzt liefern? Video starten 30:27 Kritik an Cyberpunk 2077 - Was muss CD Projekt jetzt liefern?

»Style Over Substance«

Marketing-Material, das Presse und Spieler beeindruckt, soll wichtiger gewesen sein als der tatsächliche Entwicklungsfortschritt und Zustand des Spiels. So sei die Demo von 2018 komplett »fake« gewesen und hatte angeblich nichts mit dem eigentlichen Spiel Cyberpunk 2077 zu tun. Gezeigte Gameplay-Systeme waren offenbar so noch gar nicht fertig programmiert, was auch die vielen später gestrichenen Features erklären soll. Die Quellen sahen die Arbeit daran als Zeitverschwendung an, weil es sich nicht weiterverwenden ließ.

Zudem soll man die Bedenken der Entwickler vom Tisch gewischt haben und auf eine »Das finden wir schon noch heraus«-Mentalität gesetzt haben - allerdings hat die berüchtigte CD-Projekt-Red-Magie diesmal wohl nicht gegriffen. Das passt zumindest zur Entschuldigung des Studio-Managements, laut derer man den Entwicklern nicht genug zugehört habe.

Auf der nächsten Seite geht es mit der Redaktion von Studio-Chef Adam Badowski weiter.

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