Hingedreht
Das Attraktive an Pfeiffers Forschung ist, dass sie immer zu eindeutigen Befunden kommt. Zumindest, wenn der Kriminologe darüber referiert. Sein Institut hat schon belegt, dass gewalthaltige Computerspiele die Aggressivität erhöhen, dass sie zu schlechteren Schulnoten führen, und jüngst, dass sie die Konzentrationsfähigkeit senken. Gerade forscht das KFN zur Suchtwirkung, es werden ähnlich klare Ergebnisse erwartet. Derart absolute Aussagen sind Medien und Politikern willkommen, die plakative Argumente suchen. Christian Pfeiffer ist Stammgast in Talkrunden zum Thema, er wurde vom Bundestag angehört und taucht in jedem zweiten Fernsehbeitrag auf. Jürgen Fritz hat dagegen kaum jemals in eine Kamera gesprochen. Er hat keine zitierbaren Zahlen anzubieten, nur begründete Abwägungen. Das ist weit weniger gefragt.
Christian Pfeiffers Erkenntnisse freilich haben ein Problem: Sie sind längst nicht so klar, wie sie klingen. Das beeindruckende Zahlenwerk, dass das KFN anhäuft, bietet viel Spielraum für Interpretationen. Dass zum Beispiel Kinder, die viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen, schlechtere Schulnoten schreiben, lässt sich aus den Studiendaten zwar klar belegen. Aber nicht, dass das eine der Grund für das andere ist. »Lassen die Schulleistungen nach, weil die Kinder gewalthaltige Medien konsumieren? Die Daten der Studie liefern hierfür keinen Hinweis«, analysieren Erika Berthold und Eggert Holling in einem Beitrag für die Website Telepolis. Sie kritisieren den »Willen, etwas aus [den Daten] herauszulesen, das nicht drinsteckt«, und folgern nüchtern: Die Studie enthalte »keine Informationen über die Wirkung gewalthaltiger Spiele auf die Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen.«
Abgekanzelt
Unter den gemäßigten deutschen Spieleforschern geht Unmut um über Pfeiffers dominanten Deutungswillen. Der Jurist habe eine eingeschränkte Perspektive bei der Dateninterpretation, klagen Gegner. Pfeiffer gilt als Moralist, geleitet von einem Eifer, der manchmal kreuzzüglerisch anmutet. In Akademikerkreisen wird getuschelt, der Kriminologe übe Druck auf seine Mitarbeiter aus, in Studien zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen. In Projektbesprechungen brülle der Institutsleiter schon mal Untergebene an. Die Ergebnisse des KFN werden in Fachkreisen geringgeschätzt, in akademischen Arbeiten finden sie kaum Widerhall. Die meisten Forscher zweifeln an ihrer Relevanz. Das sieht Pfeiffer naturgemäß anders. Der Stich gegen das Buch der Kölner Kollegen erklärt sich auch aus gekränktem Stolz: Mehrfach weisen die Autoren in ihrer Rezension darauf hin, ihre Erkenntnisse seien nicht berücksichtigt worden.
Freilich sind auch die Fritz-Unterstützer keine Betschwestern, es wird durchaus zurückgekeilt. Er habe »selten einen so plumpen Versuch erlebt, aus einem populärwissenschaftlichen Ausrutscher öffentlichkeitswirksames Kapital schlagen zu wollen«, giftete beispielsweise der österreichische Medienforscher Michael Wagner nach der Rezension in Richtung KFN. Auch im beanstandeten Buch selbst finden sich gelegentliche Spitzen. Schon der Klappentext grenzt sich ab gegen einen »Tunnelblick auf mögliche Gefährdungen«; in einem Beitrag lästert der Autor Lothar Mikos über »von moralischen oder ideologischen Interessen geleitete, unseriöse Wissenschaftler«. Gemeint dürfte Christian Pfeiffer sein.
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