Seite 4: Das WoW-Monopol - Woher kommt die Vormachtstellung im MMO-Genre?

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Das rundere Rad

Obwohl Everquest (links, neuestes Addon) der wichtigste WoW-Vorläufer war, spielt Everquest 2 (rechts) nur noch im unteren Mittelfeld. Obwohl Everquest (links, neuestes Addon) der wichtigste WoW-Vorläufer war, spielt Everquest 2 (rechts) nur noch im unteren Mittelfeld.

Blizzard erfand – typisch für die Firma – das Rad nicht neu, aber machte es schöner, einfacher zu rollen und stabiler. So nahm Blizzard die Idee der »Zonen« von Everquest auf und entwickelte sie zu den heute üblichen Instanzen weiter: Bereiche, die einer bestimmten Gruppe vorbehalten bleiben, jedoch beliebig oft gespiegelt werden, damit es (anders als bei EQ) keine Wartezeiten gibt.

Solche Verbesserungen waren kein Zufall: Blizzard hatte gezielt Designer von Sony, Origin und anderen Pionierfirmen abgeworben und die bestehenden Genrevertreter penibel auf Schwächen abgeklopft. Beispiel Spielertod: Den bestrafte Everquest in der Urversion teils selbst dann mit dem Verlust mindestens eines Ausrüstungsgegenstands (und Erfahrung), wenn man sich als quasi nackter Reinkarnierter mühsam bis zum eigenen Leichnam durchschlug. WoW entschärfte das virtuelle Sterben: In »Geistgestalt« zum Leichnam zurückzulaufen wurde zur Gelegenheit, einen Kaffee zu trinken oder eine Runde Bejeweled zu spielen – oder man unterließ es ganz und nahm als Konsequenz lediglich einige temporäre Abzüge in Kauf.

Warum kann das keiner?

Die Spezialisierung auf ein erwachsenes Publikum hat Age of Conan nicht zum WoW-Thronfolger gemacht. Die Spezialisierung auf ein erwachsenes Publikum hat Age of Conan nicht zum WoW-Thronfolger gemacht.

Seit 2004 hat es diverse Versuche großer Publisher gegeben, an den Erfolg von WoW anzuschließen. Nur einem ist es wirklich gelungen: Guild Wars erreichte mit seinem »Nur einmal zahlen«-Geschäftsmodell weltweit schätzungsweise 4,5 Millionen Fans. Natürlich können auch Titel mit weniger beeindruckenden Zahlen im Abo-Modell lukrativ sein, immerhin bedeuten »nur« 100.000 Abonnenten dennoch gut 10 bis 13 Millionen Euro Jahresumsatz. Die ungeschriebene Faustregel der Branche ist aber, dass ein hochwertiges Abonnement-Spiel mindestens 200.000 zahlende Kunden benötigt, um auf Dauer zu überleben.

Auffällig bleibt, wie weit weg von der Nummer Eins die teuren Versuche von Publishern wie Eidos, Electronic Arts, Codemasters oder Sony Online Entertainment gelandet sind, von Rohrkrepierern wie Matrix Online, Vanguard oder Dungeons & Dragons Online ganz zu schweigen. Nehmen wir Age of Conan: Als Erwachsenen- Spiel mit ebenso prächtiger wie freizügiger Grafik begeisterte es im Startmonat Mai 2008 bis zu 800.000 Käufer. Schon im September hatte sich die Spielerzahl auf etwa 400.000 halbiert. Im September 2008 erschien Warhammer Online, entwickelt von Mythic Entertainment (Dark Age of Camelot). Dank der gut geölten Marketingmaschinerie von Electronic Arts verkaufte es sich kurz nach dem Erscheinen weltweit rund 1,2 Millionen Mal. Bereits einen Monat später ging EA in einem Analystengespräch von nur noch 800.000 aktiven Spielern ab November aus – ein Drittel wollte nach dem Probemonat nicht ins Bezahl-Abo wechseln.

Dieser bislang ernsthafteste Versuch, kräftig im Genre mitzumischen, wird vermutlich nicht scheitern. Aber Warhammer Online bezieht eine Nische weit unterhalb von World of Warcraft. Warum schafft es kein Spiel, dem Genre-Primus das Wasser abzugraben? Gibt es etwas, das WoW deutlich besser macht als alle Mitbewerber? Wir sehen zumindest klare Gründe für die aktuelle Dominanz.

1. Günstiger Startzeitpunkt

Ende 2004 waren die Star-Spiele der Pionierphase längst veraltet, und auch die zweite Generation hatte ihren Höhepunkt bereits hinter sich – damit war die Zeit reif für einen hochwertigen Neueinsteiger. Das Konzept, die Kunden monatlich für ein Spiel zahlen zu lassen, hatte sich in der Zwischenzeit als tragfähig erwiesen. Blizzard profitierte zudem stark von den Erfahrungen angeworbener Veteranen anderer Firmen.

2. Die Marke Blizzard

Mit Diablo, Warcraft und Starcraft hatte sich Blizzard einen der besten Namen in der Branche gemacht. Viele Spieler vertrauten dieser Marke und waren deshalb bereit, ein noch ungewohntes Genre auszuprobieren. Die beliebte Warcraft-Welt, die ihrerseits kräftig bei Warhammer geklaut hatte, tat ihr Übriges, um Neugierige anzulocken.

3. Komfort und Einstieg

Kein anderes Online- Rollenspiel vor oder nach World of Warcraft ist derart einfach zu lernen. Wer zwischen drei Tasten unterscheiden und eine Maus benutzen kann, hat innerhalb von Minuten die ersten Level- Aufstiege hinter sich. Die gesamte Anfangszone jeder Rasse ist ein gut gemachtes, quasi »unverlierbares«, aber trotzdem ausgesprochen motivierendes Tutorial.

4. Größe gebiert Größe

Schon nach wenigen Monaten war World of Warcraft das größte westliche Rollenspiel aller Zeiten. Inzwischen ist seine Marktstellung so dominant, dass sie allein durch die Strahlkraft des Namens und durch Mund-zu-Mund-Propaganda weiter wächst: Über welches Online-Rollenspiel wird im Fernsehen berichtet, über welches spricht man auf dem Schulhof, welches spielen die Freunde? World of Warcraft.

5. Ausgereift und -balanciert

Bei praktisch allen Mitbewerbern finanzieren die ersten zahlenden Kunden als unfreiwillige Betatester Bug-Suche, Balancing, vollständige Übersetzung (!) sowie das Nachliefern von Mid- und High-Level-Content – unrühmlicher Höhepunkt für diese Politik war 2008 Age of Conan. Andere Titel stellen mitten im Betrieb wesentliche Spielmechaniken auf den Kopf; das beschleunigte Anfang 2007 den Niedergang von Star Wars Galaxies. World of Warcraft hingegen war von Beginn an weitgehend bugfrei und ausgewogen, die Server liefen stabil.

6. Hardware-Genügsamkeit

Deutsche Spiele- PCs gehören zu den weltweit schnellsten, doch selbst hierzulande klagten viele Spieler über den Hardware-Hunger eines Age of Conan. WoW hingegen lief und läuft auch auf solchen Systemen, die in Deutschland eher zum Mail-Server degradiert würden, in USA oder Asien jedoch zum Spielen herhalten müssen.

7. Zielgruppen-Ansprache

WoW ist nicht nur in Grafik, Bedienung und Inhalten auf eine möglichst breite Zielgruppe hin optimiert, Blizzard pflegt die Kundenbeziehung auch nach Kräften: Hunderte von Support-Mitarbeitern, regelmäßige Messen wie die BlizzCon oder die Worldwide Invitationals, schwere Geschütze gegen Cheater – keine Spielefirma kümmert sich stärker um ihre Fanbasis.

8. Behutsame Markenführung

Die Umsätze könnte Blizzard mit Leichtigkeit erhöhen, indem sie World of Warcraft als Werbeplattform öffnen oder Gold und Ausrüstung offiziell gegen echtes Geld verkaufen würden. Langfristig könnten die Auswirkungen auf das Image und das Vertrauen der Kunden jedoch katastrophal sein. So argumentiert auch Frank Pearce, einer der Mitbegründer von Blizzard: »Wir setzen die Qualität unserer Spiele an die erste Stelle. Wir diskutieren in der Geschäftsführung ständig darüber, was wir in eine Marke investieren wollen, anstatt darüber zu reden, wie wir Geld herausholen können.«

9. Inhaltsfülle

Hunderte von Grafikern und Programmierern arbeiten ständig an neuen Inhalten für World of Warcraft, die in kleine Updates, große Content-Patches oder kostenpflichtige Addons münden. Dabei verstehen es die Designer geschickt, auch langjährige Spieler bei der Stange zu halten, etwa mit der Suche nach kompletten Elite-Ausrüstungssets oder extrem schwer zugänglichen Raids. Allerdings wurden diese Elemente mit dem neuesten Addon, Wrath of the Lich King, deutlich verwässert – manche Fans sprechen schon vom »Gelegenheitsspielchen WoW«.

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