Das war 2012 - Der GameStar-Jahresrückblick

Wir blicken zurück auf zwölf bewegte Spielemonate, eine Branche im Wandel und Communitys, die noch nie so mächtig waren wie heute.

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2012 - Jahr des Wandels 2012 - Jahr des Wandels

Am 15. Mai 2012, genau um Mitternacht, schreien Hunderttausende PC-Spieler vor Freude auf - um plötzlich wieder zu verstummen. Um 0 Uhr startet Blizzard die Battlenet-Server von Diablo 3, des Spiels also, das gefühlt schon auf dem Spitzenplatz unserer Leser-Warteliste stand, bevor überhaupt der zweite Teil erschienen war. Heerscharen von Vorbestellern drängen sich vor dem Online-Höllentor, melden sich an, fiebern der ersten Bestie, der ersten Beute entgegen und -- »Error 37«. Mit der Fehlermeldung, die noch in derselben Nacht zum Internet-Gag aufsteigt, kapitulieren die Server vor dem Ansturm, in den ersten Tagen können sich viele Spieler nicht mal einloggen.

Bravo, Blizzard hat den Start des meisterwarteten PC-Spiels der letzten Jahre vergeigt - und nicht nur das. Wer endlich spielen kann, stellt nämlich fest, dass das zuvor herrlich flüssige Diablo 3 auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad »Inferno« zu einem anderen, einem zähen und frustigen Spiel stockt, mit unbesiegbaren Gegnern und Bergen von nutzloser Beute. Angesichts dessen werten wir Diablo 3 nachträglich um fünf Punkte ab - ein Novum in der GameStar-Geschichte.

Die Top-Spiele 2012 im Video Video starten 7:29 Die Top-Spiele 2012 im Video

Währenddessen kursiert in Foren die Verschwörungstheorie, Blizzard wolle die Spieler mit der Frustkeule ins neue Echtgeld-Auktionshaus prügeln, um Gebühren zu scheffeln. Das erinnert an Free2Play-Titel, die später teils so anstrengend werden, dass die Spieler zwangsweise den Geldbeutel zücken müssen, wenn sie weiterhin regelmäßige Erfolgserlebnisse wollen. Was bei einem Gratisspiel gerade noch nachvollziehbar ist (irgendwie müssen die Entwickler ja Geld verdienen), wäre beim 60 Euro teuren Diablo 3 jedoch eine Frechheit. Kein Wunder, dass Blizzard den Vorwurf entschieden zurückweist und den »Inferno«-Frustfaktor im Nachgang entschärft.

Gleichzeitig knallen bei den Entwicklern die Sektkorken, alleine innerhalb der ersten Woche wandert Diablo 3 weltweit 6,3 Millionen Mal über die Ladentheke, bis November verkauft Blizzard zehn Millionen Exemplare. So sorgt die Teufelshatz dafür, dass der traditionell schwache PC-Spielemarkt in den USA endlich mal wieder wächst - um satte 280 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wohlgemerkt alleine durch Diablo 3, die Lage auf dem Restmarkt bleibt desolat, auch die Konsolenumsätze sinken um ein Viertel. Das Echtgeld-Auktionshaus des Action-Rollenspiels steht daher geradezu sinnbildlich für den Versuch der ganzen Spielebranche, neue Umsatzquellen zu erschließen. Womit wir bei einem großen Trend des vergangenen Spielejahres wären.

Kassenschlager Diablo 3 - Test-Video zur aktuellen Version Video starten 8:33 Kassenschlager Diablo 3 - Test-Video zur aktuellen Version

Michael G, Mitglied der Chefredaktion

Spannend, dieses 2012. Nicht wegen der Spiele, sondern weil sich endlich etwas tut in der Branche. Klar, man muss den Free2Play-Umschwung nicht lieben, man muss ihn aber auch nicht verteufeln. League of Legendsund Herr der Ringe Onlinebeweisen, dass »gratis« auch »fair« bedeuten kann. Und dann das Crowdfunding! Chris Roberts werkelt mit Star Citizenan genau dem Weltraumspiel, auf das ich warte, seit ich das erste Mal Wing Commander über den Schwarzweiß-Monitor meines Bruders flimmern sah. Auch Kickstarter & Co. muss man natürlich nicht bedingungslos bejubeln -- wer weiß, vielleicht setzt sich Roberts morgen mit einer Yacht voller Geld auf die Cayman Islands ab. Dennoch haben wir Spieler nun endlich mehr Einfluss darauf, welche Spiele erscheinen. Und das kann nur gut sein.

Die Industrie wandelt sich

Die Spieleindustrie wandelt sich. Das wird im Jahr 2012 nirgendwo so deutlich wie auf den Messen. Die E3 in Los Angeles bleibt zwar das gewohnt dezibelstarke Schaulauf-Parkett der Branchengrößen, von Electronic Arts über Ubisoft bis hin zu Sony. Doch plötzlich tummeln sich dort auch Newcomer wie Wargaming.net, der Entwickler des von uns liebevoll »Counter-Strike auf Ketten« getauften Free2Play-Phänomens World of Tanks. In der prestigeträchtigen South Hall ziehen die Weißrussen einen 1.000 Quadratmeter großen Stand hoch, direkt gegenüber von Activision und Ubisoft.

In derselben Halle thront das japanische Handyspiele-Netzwerk GREE, dessen Standfläche sogar die angrenzenden Auftritte von Konami und 2K Games übertrifft. Das in finanzielle Seenot geratene THQ fehlt in Los Angeles hingegen ebenso wie anderthalb Monate später in den Besucherhallen der Gamescom. Auch der Traditionsentwickler Sega muss in Köln passen und wenig später sogar sein deutsches Büro schließen.

Denn der Konkurrenzdruck in der Branche wächst, immer mehr spüren die klassischen Hersteller die wachsende Finanzkraft der Free2Play- und Handy-Konkurrenz. Und wie reagieren sie darauf? Zumindest vordergründig mit stumpfen Gewaltorgien: Kaum eine E3-Präsentation, in der keine Blutfontänen spritzen - was Aufmerksamkeit heischen soll, driftet schnell ins Lächerliche ab. Und statt origineller Ideen gibt's meist aufgewärmte Konzepte wie bei Splinter Cell: Blacklist, das an einen Mischling aus Assassin's Creed und Call of Duty erinnert.

Die kreative Eiszeit wurzelt aber auch im bevorstehenden Generationswechsel bei den Konsolen, nächstes Jahr dürften Microsoft und Sony ihre neuen Videospiel-Würfel ankündigen. Gleichzeitig schrumpft der amerikanische Konsolenmarkt im Vergleich zum Vorjahr um rund 25 Prozent, die Spieler wollen endlich die nächste Generation. Ergo wirken die meisten Hersteller derzeit wie gespannte Bogensehnen, die endlich losfeuern und ihre Next-Generation-Titel enthüllen wollen - aber noch nicht dürfen.

E3 2012 - Messe-Fazit Video starten 30:50 E3 2012 - Messe-Fazit

Dass bereits Next-Gen-Spiele in der Mache sind, liegt auf der Hand. Woran sonst werkeln etwa die Call of Duty-Väter Vince Zampella und Jason West, seit sie anno 2010 mit juristischen Pauken und Trompeten von Activision zu Electronic Arts gewechselt sind? Der Vollständigkeit halber: Nintendos jüngst erschienene Wii U zählt nicht als erste Konsole der nächsten Generation, sondern als letzte der aktuellen. Denn die Technik verharrt auf dem Niveau der Xbox 360 und der Playstation 3, und der Bildschirm-Controller ist zwar ein Gimmick, bislang aber nicht so revolutionär intuitiv wie die Fuchtel-Steuerung der ersten Wii.

Der Stillstand am Fernseher betrifft auch uns PC-Spieler, weil die Konsolen nach wie vor der Taktgeber der technischen Entwicklung sind. Warum? Man muss sich nur die Verkaufszahlen anschauen: Laut der Statistik-Website Vgchartz.com verkaufte sich Assassin's Creed: Revelationsfast acht Millionen Mal weltweit, davon aber nur rund 400.000 Mal auf dem PC - ein Anteil von fünf Prozent. Es gibt natürlich auch bessere Quoten, bei Mass Effect 3(4,2 Millionen weltweite Verkäufe) entfallen fast 16 Prozent auf den Computer (670.000 Exemplare). Das generelle Bild bleibt jedoch gleich: Konsole übertrifft PC, entsprechend konzentrieren die Publisher ihre Energie (und ihr Geld) auf Videospiele, für deren nächste Generation neben technischen hoffentlich auch spielerische Fortschritte anstehen.

Derzeit fehlt weiten Teilen der Branche der Mut zur Innovation und damit zum Risiko. Man spult Bewährtes ab, um zum Ende des Konsolenzyklus und in einem schrumpfenden Markt wenigstens noch ein paar sichere Einnahmen einzusacken. Und wenn doch mal ein Konsolenspiel Innovationen wagt, dann ist nicht klar, ob es für den PC überhaupt erscheint -- wir meinen natürlich GTA 5, das seine Geschichte dreiteilt. Rockstar erklärt, die PC-Fassung sei »Abwägungssache«, wohl auch angesichts der dürftigen Windows-Umsätze von GTA 4, die nur 3,5 Prozent der Gesamtverkäufe ausmachten.

Michael Trier, Chefredakteur

2012 war voller Höhepunkte -- und Schockmomente. Mitreißende Blockbuster- (Max Payne 3!) und Indie-Titel (Dear Esther!) wechselten sich ab. Auf der anderen Seite mussten viele Entwickler schließen, einige spektakulär. So konnte 38 Studios einen 75 Millionen-Dollar-Kredit nicht zurückzahlen und ließ seine Angestellten ohne Lohn arbeiten, jetzt kam die gesamte Firma bis zum letzten Monitor unter den Hammer. Grade die Entwickler mittelgroßer Titel gerieten 2012 unter Druck, die Verkäufe solch teurer, aber mit eher kleinen Marketingbudgets ausgestatter Spiele reichen einfach nicht aus. Hier wird sich in 2013 ein Weg zwischen günstigen Preisen auf Onlineplattformen wie Steam und Kickstarter-Projekten finden müssen. Weiterer Shock: Die Bioware-Doktoren haben ihre Firma verlasssen – das Ende einer Ära?

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