Datenkraken - Rette sich, wer kann!

Windows 10 erntet schwere Kritik in Sachen Datensammeln, ist aber nur eine von vielen Datenkraken im Online-Ozean – was tun, fragt sich unser Hardware-Chef Florian Klein.

Windows 10 Datenschutz - Darf Microsoft das? Video starten 24:35 Windows 10 Datenschutz - Darf Microsoft das?

Während Windows 10 technisch Lob bekommt, schlägt Microsoft bei dessen Richtlinien zum Sammeln von Daten beziehungsweise dem anscheinend nicht vorhandenen Schutz der Privatsphäre in Windows 10 eine Welle der Empörung entgegen.

Viele Kritikpunkte sind berechtigt, wenn auch aus juristischer Sicht in der Realität bei Weitem nicht so extrem wie die (wahrscheinlich bewusst) höchst unklaren Formulierungen vermuten lassen.

Einiges ist der trüben deutschen Übersetzung geschuldet, einiges der unterschiedlichen Rechtslage in den USA und Europa. Anderes mag zwar im Kleingedruckten stehen, ist zumindest in der europäischen Praxis aber höchst fragwürdig oder würde vor Gericht vermutlich nicht bestehen.

Von der klaren Unwirksamkeit der Lizenzbedingungen des Origin-Clients von EA im Jahre 2011 sind die Windows-Bestimmungen aber weit entfernt. Wer mehr wissen will, sollte sich unser Rechtsanwalt-Interview (Video oben) zu den strittigsten Punkten in Windows 10 ansehen.

Allein unter Kraken

Mir geht es hier aber gar nicht um die wie auch immer geartete Datensammelei von Windows 10 im Besonderen. Die Frage muss doch vielmehr lauten: Welche der großen und kleinen Datenkraken macht das nicht? Und wer von uns nutzt nicht Facebook, Google, WhatsApp und auch Online-Spiele - die unter dem Stichwort Big Data alles sammeln, auswerten und irgendwie zu ihrem Vorteil nutzen, mit dem sie rechtlich oder zumindest unter dem Radar der Öffentlichkeit davonkommen?

Wer von uns bezahlt stets in bar, benutzt nur temporäre Fake-Accounts, bewegt sich online ausschließlich unter massivem Einsatz von Anonymisier- und Verschlüsselungstechnik sowie von (manuell konfigurierter) Open-Source-Software? Kurz: Wer verzichtet freiwillig auf einen erheblichen Teil des modernen Online-Shopping-, Sozial- und Spielelebens? Falls sie/er überhaupt das dafür nötige technische Verständnis hat und dazu die erheblichen Komforteinschränkungen in Kauf nimmt.

In den Einstellungen lässt sich die Datensammelwut von Windows 10 erheblich eindämmen – aber nicht vollständig abschalten. In den Einstellungen lässt sich die Datensammelwut von Windows 10 erheblich eindämmen – aber nicht vollständig abschalten.

Das schlimmste (für mich) Vorstellbare wäre, dass wir durch das großflächige und umfassende Auswerten aller irgendwie sammelbaren Daten nicht nur als Individuum zu einem gläsernen Menschen, sondern auch als Menschheit insgesamt zu einer vorhersehbaren und damit lenkbaren Masse würden.

Stünden mir alle digitalen Daten der Welt zur Verfügung (die NSA lässt grüßen), könnte ich durch einen entsprechenden Alleinherrscher-Algorithmus oder auch nur durch simples Trial&Error herausfinden, wie die Menschheit wirklich tickt und sie entsprechend manipulieren?

Die Facebook-Experimente im vergangenen Jahr mit manipulierten News-Feeds und der anschließenden Auswertung der Reaktionen der (nicht darüber informierten) User, gingen etwa in diese Richtung – erst auf Druck der Öffentlichkeit wurden die im Verborgenen durchgeführten Versuche eingestellt.

Der Autor
Die stetig weiter vordringende Vernetzung von Allem und Jedem fasziniert Florian ungemein. Einerseits sind die Gefahren immens, etwa absolute (Meinungs-)Kontrolle durch wen auch immer. Andererseits sind die Chancen, eine bessere Gesellschaft zum weltweiten Wohle möglichst vieler zu schaffen, mindestens ebenso grenzenlos - für Florian die erheblich attraktivere Online-Utopie.

Hilft nur der Aluhut?

Bevor Sie mich jetzt endgültig als unverbesserlichen Aluhut-Träger, den man getrost ignorieren kann, abspeichern: Nein, in der Form passiert das nicht und ist derzeit (vermutlich) noch technisch unmöglich. An willigen Alleinherrscher-Kandidaten würde es allerdings nicht fehlen.

Trotzdem ist es kein Wunder, wenn einen da die Ohnmacht angesichts der scheinbar unkontrollierbaren Verbreitung der eigenen digitalen Spuren und deren ungewollter Auswertung durch Dritte ergreift - also doch Kopf in den (Blei-)Sand stecken?

Nein, denn nicht nur für die Datenkraken, sondern auch für uns als Individuen sind heute Daten in nie gekanntem Umfang nur einen Klick entfernt. Nie zuvor war es möglich, sich selbst mit brandaktuellen Informationen aus allen Teilen der Welt sowie allen möglichen (und unmöglichen) Blickwinkeln zu füttern. Auch braucht es heute weder Buchpresse noch Rednerpult, um seine Ansicht der ganzen Welt instant kundzutun, Gleichgesinnte weltweit zu finden und der eigenen (hoffentlich gut informierten) Meinung damit Gewicht zu verleihen.

Drehen Sie also den Spieß um und nehmen Sie Teil an der Zähmung der Datenkraken. Petitions-Plattformen und persönliche Email (für die harten Fälle) machen das unglaublich komfortabel heute! Nichts bringt Staatschefs und Firmenlenker so schnell dazu, bislang alternativlose Lösungen wieder in die Lobby-Schubladen zu verbannen, wie der unverblümte Wähler- und Konsumentenunwillen - direkt online serviert.

Tipp: Den für Sie zuständigen Bundestagsabgeordneten samt den zugehörigen Kontaktdaten finden Sie auf Abgeordnetenwatch.de. Eine persönliche (höfliche) Email mag zwar aussichtslos erscheinen – aber nur, wenn wir alle so denken.

» Guide:Datensammeln in Windows 10 eindämmen

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