Seite 5: Der Free2Play-Boom - Der Gratis-Krieg

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Alles nur Kosmetik

Die Lösung, wie Gamedesigner so respektvoll wie Yujii Horii mit der Zeit ihrer Spieler umgehen können und dabei trotzdem gut an kostenlosen Spielen verdienen, findet sich bei einigen wenigen unabhängigen Entwicklerstudios.

Seit 2009 existiert League of Legends, der derzeit erfolgreichste Dota-Klon, der viel von seinen Spielern fordert und auch viel zurückgibt in Form von komplexen Gefechten zwischen bis zu fünfköpfigen Heldenteams. Die Macher, Riot Games, haben sich entschlossen, nur kosmetische Gegenstände für echtes Geld zu verkaufen. Alle Elemente, die sich auf das Spiel auswirken - etwa neue Helden -, kann man vergleichsweise zügig auch mit Erfahrungspunkten freischalten. Wer schneller an neue Helden kommen will, kauft sich Booster, die das Aufleveln leichter machen. 2012 waren über 70 Millionen Menschen bei League of Legends registriert, über 35 Millionen davon spielen es aktiv.

Der Dota-Ableger League of Legends wird von über 70 Millionen Spielern gespielt. Der Dota-Ableger League of Legends wird von über 70 Millionen Spielern gespielt.

Das Modell, in der Branche auch »softe Monetarisierung« genannt, gilt besonders für idealistische Entwickler als bester Ableger des Free2Play-Prinzips, da der Einfluss von Geld auf tatsächliche Spielmechaniken von vornherein ausgeschlossen wird. »Alles, was wir verkaufen, sind kosmetische Gegenstände. Sie bieten keinerlei Vorteil im Spiel. Wir verkaufen keine Erfahrungspunkte und›Booster‹gibt's auch nicht.«

Chris Wilsons Antwort auf die Frage nach seinem Konzept von Free2Play liest sich wie ein Manifest. Wilson ist der Gründer des neuseeländischen Studios Grinding Gear Games. Sein Action-Rollenspiel Path of Exile gehört zu den spannendsten aktuellen Free2Play-Projekten. Es ist ein komplexes Action-Rollenspiel, das Kennern von Diablo und Torchlight viele Möglichkeiten zur Personalisierung ihrer Helden bietet und auf ein faires Spielsystem setzt, auf das Geld keine Auswirkung hat.

»In jedem Spiel, das ich bisher gesehen habe, in dem Fortschritt für Geld gekauft werden kann, ist das Spieldesign selbst kompromittiert. Die Macher finden heraus, was Spaß macht, geben dir einen verlockenden Vorgeschmack darauf - und dann wollen sie, dass du zahlst, damit du tatsächlich diesen Spaß haben kannst.« Wilson hat das grundlegende Free2Play-Dilemma erkannt - und die Spieler von Path of Exile scheinen ihm seine Kompromisslosigkeit zu danken. Über 2,5 Millionen Dollar hat Grinding Gear Games mit dem Verkauf von Beta-Zugängen verdient, die den Kaufpreis in Ingame-Währung enthielten und kleine Zusatzboni mit sich brachten - etwa putzige Kiwi-Vögel als Heldenhaustiere.

Path of Exile - Screenshots ansehen

Die »softe Monetarisierung« schafft ein gutes Verhältnis zwischen Entwickler und Spieler - ob sie aber tatsächlich das Mittel ist, um Free2Play auch aus der Sicht von Indie-Entwicklern zu einem richtig guten Geschäft zu machen, bleibt fraglich.

»Es ist ganz schön schwer, in Tribes kosmetische Gegenstände zu verkaufen, weil alles so schnell abläuft und du eh in der Ego-Perspektive spielst«, gibt etwa Todd Harris von Hi-Rez zu. Klar: Wenn die Spieler immer nur aneinander vorbei flitzen, gibt niemand Geld für einen schickeren Helm aus.

Der Spieleentwickler als Modedesigner ist kein Allheilmittel: »Wenn ich nur Deko-Items verkaufen würde, dann würde ich doch nicht alle Leute ansprechen«, sagt auch Nina Müller. »Man muss einfach ein bisschen auf alle Spielertypen eingehen, um ein wirklich rentables System zu bauen.« Ein Bezahl-Patentrezept für die Free2Play-Zukunft kennt derzeit also niemand. Doch steigende Qualität bedeutet nun mal auch steigende Entwicklungs- und Betriebskosten. Und die müssen die Hersteller reinholen, indem sie die Spieler möglichst effektiv zum Zahlen »überreden«.

»Softe Monetarisierung« für ein gutes Gefühl

Eines ist dabei jedoch immer notwendig: ein gutes Spiel - das ist die Herausforderung für die Entwickler. Die Gratisspiel der nächsten Generation müssen unterhaltsam genug sein, um auch wiederholte Partien nicht zur »Arbeit« verkommen zu lassen.

Wenn es um faires Free2Play geht, spielt Dota 2 in der ersten Liga. Wenn es um faires Free2Play geht, spielt Dota 2 in der ersten Liga.

World of Tanks und League of Legends gelingt das bereits bestens: Kein Match verläuft wie das andere, man kann Stunden im Spiel verbringen. Und weil jedes Free2Play-Spiel immer auch ein Online-Spiel ist, gibt es mehr Daten, mehr Feedback, mehr Informationen als je zuvor, wie man das Spiel verbessern und balancieren kann, um möglichst viele Spieler glücklich zu machen.

Die Zeit ausbeuterischer, tiefenpsychologischer Mausefallen scheint im Free2Play-Sektor tatsächlich vorbei zu sein. Aber es ist ein etwas anderer Ansatz, der Free2Play zu einer wirklich lohnenswerten Zukunft machen könnte. »Das Beste wäre es«, schlägt Chris Wilson von Grinding Gear Games vor, »Design und Monetarisierung voneinander zu trennen.«

Genau wie die Anzeigenabteilung der Gamestar keinen Einfluss nehmen darf auf den Inhalt des Heftes, so darf auch die Gestaltung von Bezahlinhalten keinen Platz im Spieldesign haben, wenn wirklich gute Spiele dabei herauskommen sollen.

Erst dann kann man das Versprechen der Free2Play-Macher glauben, Spieler würden tatsächlich nur für Zeitersparnis bezahlen. Erst dann können auch Spielinhalte verkauft werden, ohne, dass die Balance unbemerkt ins Wanken gerät. »Free2Play ist die Zukunft«, sagt Wilson. »Aber ich weiß nicht, ob es eine gute Zukunft ist. Ich hoffe, Path of Exile wird so erfolgreich, dass andere Studios keine korrupten Spiele mehr machen«. Der Erfolg soll ihnen gegönnt sein.

5 von 5


zu den Kommentaren (121)

Kommentare(117)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.