Der Messekrieg - Köln vs. Leipzig

In Deutschland finden nächstes Jahr zwei konkurrierende Spielemessen statt. Die Doppelung ist unnötig und gefährlich: Leipzig ausgedünnt, Köln hingeschludert, das befürchten Kritiker – und 2010 wandert die Messe womöglich ins Ausland ab.

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Auf den ersten Blick erscheinen vertrackte Situationen meist ganz einfach. Leipzig, seit sieben Jahren Ausrichtungsort der hochgradig erfolgreichen Games Convention, wird für die stetig wachsende Videospiele-Messe zu klein. Deshalb muss sie in eine andere Stadt umziehen. Das leuchtet ein. Aber dann offenbaren sich immer mehr Details, und auf einmal wird alles komplizierter. Da tauchen Zweifel an der Ausgangslage auf: Ist Leipzig wirklich ausgeschöpft? Da sind zwölf große Unternehmen, die über den Umzug entschieden haben, und viele kleine Firmen, die sich darüber ärgern. Da geht es um die Frage, wem die Messe gehört, es geht um Entscheidungsmacht und Einfluss. Und da erscheinen manchen die Risiken des Standortwechsels größer als die Vorteile.

Die Zukunft der wichtigsten westlichen Spielemesse (nur die japanische Tokyo Game Show ist größer) ist zum Politikum geworden, und gleichzeitig zum Prüfstein für die Einigkeit der deutschen Spielebranche. Das Resultat ernüchtert: Die zwei Hauptlager liefern sich seit Monaten ein würdeloses Tauziehen, die Branche ist über die Messefrage tief gespalten. Nun wird Deutschland 2009 zwei konkurrierende Messen ausrichten. Und 2010 möglicherweise gar keine mehr.

Leipzig: zu eng

Die treibende Kraft hinter den Umzugsplänen ist der BIU, der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware. In ihm haben sich zwölf der größten deutschen Publisher zusammengefunden, um ihre Interessen zu bündeln, darunter Electronic Arts, Ubisoft, Microsoft und Nintendo. Gemeinsam, so rechnet der BIU vor, decken sie 80 Prozent des Umsatzes ab, der hierzulande mit Spielen gemacht wird. Im Gremium der Großen hegt man seit geraumer Zeit den Wunsch, die Messe vom eher provinziellen Leipzig in eine deutsche Metropole zu verlegen. Nach der Games Convention 2007 schien der Zeitpunkt zum Handeln gekommen, denn das Messewachstum blieb hinter den Erwartungen zurück: Statt der prognostizierten 200.000 Besucher kommen mit 185.000 nur geringfügig mehr als im Jahr davor, die Grenzen des Wachstums scheinen erreicht.

Im Dezember 2007 treffen sich Vertreter der zwölf BIU-Unternehmen, um über die Zukunft der deutschen Spielemesse abzustimmen. Die Entscheidung, so heißt es kurz darauf, sei einstimmig getroffen worden: gegen Leipzig, für Köln. Tatsächlich gehen dem Votum heftige interne Debatten voran, zudem stehen mehrere Standorte zur Auswahl. Ein favorisierter Kandidat ist zumindest für einige Zeit Frankfurt; die Stadt scheidet aus dem Rennen, weil sie zum angepeilten Messezeitpunkt im September 2009 keine Kapazitäten frei hatte. Als der BIU Köln zum Ausrichtungsort kürt, stimmen zwei der zwölf Verbandsmitglieder dagegen.

Köln: mit Zukunft

Protest: Fans verteilten auf der Games Convention Flugzettel, die Spieler dazu aufriefen, für Leipzig Partei zu ergreifen. Protest: Fans verteilten auf der Games Convention Flugzettel, die Spieler dazu aufriefen, für Leipzig Partei zu ergreifen.

Offiziell sprechen gegen Leipzig vor allem Infrastruktur- Argumente. »Die Hotelkapazitäten wurden in Leipzig und Umgebung vollständig ausgeschöpft«, kommentierte der BIU in einer Pressemeldung, zudem sei Leipzig »unterdurchschnittlich « an das internationale Flugnetz angebunden. In der Tat buchen erfahrene Firmen ihre Hotelzimmer für die Games Convention bis zu zwei Jahre im Voraus, denn in den Monaten vor der Messe ist in Leipzig jedes Bett belegt; vor allem für internationale Besucher entpuppt sich die Raumknappheit als unerwartete Hürde. Dem BIU fehlt in Leipzig zudem die strategische Perspektive. »Wir sind gezwungen, die Messe immer weiterzuentwickeln «, sagt der BIU-Geschäftsführer Olaf Wolters. Er will neue Zielgruppen erschließen, vor allem unter Gelegenheitsspielern, und die Zahl der europäischen Fachbesucher erhöhen. »Das ist in Leipzig nicht zu erreichen.«

Bei der Messeleitung sieht man das naturgemäß anders. »Wir haben unsere Kapazitätsgrenze längst noch nicht erreicht«, sagt Wolfgang Marzin, Geschäftsführer der Messe Leipzig. In den Hallen existierten noch rund 25.000 Quadratmeter Puffer, zudem sei das Gelände bei Bedarf relativ schnell erweiterbar, sprich: Man könnte anbauen. Vier geplante Hotels in Leipzig würden 1.500 neue Betten bereitstellen. Und 2011 soll der Großflughafen Berlin- Brandenburg fertig werden, der dann nur eine ICE-Stunde entfernt von der Messe läge. Die Besucher-Stagnation von 2007 hat die jüngste Games Convention im August 2008 bereits revidiert: 203.000 Menschen waren nach Angabe der Messe Leipzig vor Ort, ein Zuwachs von rund 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Fachbesucher stieg um knapp 20 Prozent auf 14.600. »Viele Bedenken des BIU wurden inzwischen ausgeräumt«, grollt Marzin, trotzdem halte der Verband »auf Gedeih und Verderb« an Köln fest.

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