Seite 2: Deus Ex: The Fall im Test - Deus Ex: Der Absturz

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Der Wasserfarben-Schütze

Dabei versucht The Fall, all die Gameplaystärken des Vorgängers umzusetzen: Schleichen, Schießen, Hacken, spannende Dialoge und Entscheidungsfreiheit, will das Spiel bieten, während wir im Kampf gegen die Verschwörer durch Panama-City streifen. Tut es aber nicht. Zumindest nicht so, dass wir dabei auch Spaß haben. Dabei halten wir dem Spiel zugute, dass es keinen Bosskampf gibt. Denn wenn selbst Human Revolution den schon nicht ordentlich hinbekommt, wollen wir gar nicht wissen, wie sich der kleine Ableger The Fall geschlagen hätte. Jede Form von Action scheitert bei The Fall an der sperrigsten Bedienung, die wir seit langem bei einem Shooter erlebt haben. Mit Saxons Waffenarsenal zu schießen fühlt sich etwa so an, als wolle man mit Wasserfarben und ausgefranstem Pinsel einen präzisen Grundriss zeichnen.

Im Nahkampf verteilt Saxon fleißig Goldhosentritte. Ist leider nie mehr als ein Abziehbild von Adam Jensen. Im Nahkampf verteilt Saxon fleißig Goldhosentritte. Ist leider nie mehr als ein Abziehbild von Adam Jensen.

Wir suchen per Mausklick Deckung hinter Kisten, Wänden und Co. (allerdings weigert sich Saxon manchmal beharrlich), ertüfteln uns nach einigen Versuchen endlich eine Maussensibilität, mit der sich was treffen lässt, und staunen nicht schlecht, dass unsere Schrotflinte scheinbar keinerlei Durchschlagskraft hat. Die Waffen töten den Gegner nämlich entweder auf der Stelle oder bewirken gefühlt überhaupt nichts - kein Einschlagsbumms, kein Treffergefühl, … nichts. Klar, Schaden verursachen sie trotzdem, aber der Action fehlt jede Intensität. Da hilft es auch nicht, dass die KI auf die ursprüngliche, ungenaue Tablet-Steuerung ausgelegt ist: Feinde stellen sich leichtsinnig mitten in den Raum, schießen ihr Magazin leer und warten auf unsere Reaktion - so eine Schießbude funktioniert bei Fingereingaben gut, auf dem PC hingegen überhaupt nicht, weil es den Anspruch zur Nullnummer macht.

Wenn Schießen ausscheidet, dann müssen wir's eben auf die leise Tour versuchen. Und beim Schleichen macht Ben Saxon tatsächlich eine bessere Figur. Wir spähen Gegnerrouten aus, suchen Lüftungsschächte, knacken Terminals, manipulieren Kameras. Solche Infiltrationen sorgen im Prinzip für echte Deus Ex-Stimmung, zumal das Hacking-Minispiel fast 1:1 dem aus Human Revolution entspricht und in der Hitze des Gefechts echt spannend sein kann. Leider bleibt auch das Leisetreten nicht verschont von den Bedienungs- und Gameplaymacken der Portierung: Die ungenaue Deckungssuche lässt uns oft ungewollt in Feindesarme rennen, das Hackingspiel erkennt die Mauseingaben nicht präzise, und die doofen Gegner werden in dem Moment zu Witzfiguren, in dem wir unseren Tarnskill ausgebaut haben, um unsichtbar durch die Flure zu sprinten.

Wir suchen Deckung und überlegen verzweifelt, wie wir leise an den Gegnern vorbeikommen, weil das Schießen sich so mies spielt. Wir suchen Deckung und überlegen verzweifelt, wie wir leise an den Gegnern vorbeikommen, weil das Schießen sich so mies spielt.

Nix los in Panama

Generell rüttelt das Ingame-Kaufsystem heftig an der ohnehin schon wackeligen Spielbalance. Was auf dem Tablet noch ein optionaler Echtgeld-Shop war, ist jetzt ein Kaufmenü, das sich zu jedem Zeitpunkt im Spiel ansteuern lässt. Wir investieren im Spiel verdientes Geld für alle möglichen Waffen, Upgrades, Munition und Praxis-Kits, kaufen uns in der Hitze des Gefechts einfach eine Granate und staunen über den unendlich großen Inventar-Stauraum. Das ist zwar komfortabel, schadet aber der Atmosphäre und macht knifflige Passagen zu leicht. So können wir uns beispielsweise spontan einen Auto-Hack kaufen, um eine Sicherheitstür zu öffnen, die wir sonst in der Hitze des Gefechts knacken müssten.

Die Promenade von Panama ist ein optisches Highlight. Was nix heißen soll, leblos ist es trotzdem und zu tun gibt's auch nichts. Die Promenade von Panama ist ein optisches Highlight. Was nix heißen soll, leblos ist es trotzdem und zu tun gibt's auch nichts.

Auch manche Skills sind übermächtig. Mit Praxis-Kits und Levelaufstiegen erweitern wir wie im Vorgänger Saxons Fähigkeiten, die Schießmanöver lassen wir aber ohnehin links liegen, weil's keinen Spaß macht, während der Tarnmodus oder zusätzliche Energiezellen uns zum unsichtbaren Schatten machen, der sich nie wieder Gedanken über Gegenwehr machen muss. Andere Fähigkeiten wie die verbesserten Social Skills sind völlig nutzlos, da die Interaktion mit den Bewohnern von Panama-City viel zu selten richtig in die Gänge kommt.

Wir greifen ein paar Nebenquests ab, und tatsächlich sind alternative Lösungswege echt eine tolle Sache, die zu den spielerischen Stärken von The Fall zählen. Ob wir beispielsweise Drogenboss Diego so unter Druck setzen, dass er uns seinen Pharma-Lieferanten verrät oder ihn und seine Bande um die Ecke bringen, um uns die Transportdokumente zu schnappen, bleibt uns überlassen und ermöglicht verschiedene Spielstile. Leider gibt es solche Momente nicht häufig, die Interaktionen mit den NPCs sind in der Regel belanglos, und das frei begehbare Panama-Viertel bietet nichts Spannendes zum Erkunden. Wenigstens können wir auf PCs und Notepads Hintergrundinformationen zur Spielwelt durchforsten.

Panama-City muss ein hartes Pflaster sein. Wir schlagen den Kerl zusammen und die Dame im Hintergrund kann nur müde lächeln. Panama-City muss ein hartes Pflaster sein. Wir schlagen den Kerl zusammen und die Dame im Hintergrund kann nur müde lächeln.

Holzpuppen mit Polygon-Phobie

Dass die Figuren so blass bleiben, mag aber auch an der katastrophalen Technik von Deus Ex: The Fall liegen. Die ist nämlich ein solcher Graus, dass wir selbst vor zehn Jahren schon enttäuscht gewesen wären. Abseits der zentralen Figuren sind die Charaktere so detailarm gestaltet, dass sie wie Holzpuppen aussehen - noch dazu gibt's viel zu wenige verschiedene Modelle. Manchmal bekämpfen wir in einem Areal denselben Klon-Gegner immer und immer wieder. Wobei das noch einigermaßen in Ordnung geht - in ruhigen Passagen, in denen wir mit den Klon-Wachmännern reden können, ist das Copy-Paste-Gegnerdesign ein fieser Atmosphäre-Killer.

Die Dame bittet uns um Hilfe, weil sie ihre Gesichtspolygone verloren hat. Die Dame bittet uns um Hilfe, weil sie ihre Gesichtspolygone verloren hat.

Das negative Bild erhärtet sich durch detailarme Texturen, fummelige Menüs und Aussetzer in der Maus-Bedienung. Der tolle Soundtrack und die soliden englischen Sprecher retten da auch nichts mehr. Deus Ex: The Fall ist ein gutes Beispiel dafür, was bei einer Portierung alles schiefgehen kann, wenn die Entwickler nicht konsequent an den richtigen Schrauben drehen - und die sitzen bei einer Tablet-Shooter-Umsetzung nun mal in der Spielmechanik. Am Ende ist Deus Ex: The Fall eine halbgare Enttäuschung geworden, eine Umsetzung, die als PC-Spiel nicht funktioniert, und der auch die tief in ihrem Innern schlummernden Stärken der Deus Ex-Reihe nicht mehr helfen können.

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