Das Kreuz mit dem Ritter
Neben den höllischen Heerscharen darf auch das Gute in Reaper of Souls einen Neuzugang begrüßen: den Kreuzritter. Der frische Heldentyp erweist sich als legitimer Erbe (um nicht zu sagen: Klon) des Paladins auf Diablo 2 und eisenharter Haudrauf, der seine klassenspezifischen Morgensterne und Schutzschilde mit diversen Spezialschlägen in Monsterkontakt bringt. Auch auf Distanz darf der Ordensklopfer austeilen und lässt sich auf Wunsch sogar komplett als eine Art heiliger Magier spielen. Beispielsweise verbrennt er Widersacher per »Himmelsfuror« oder sprengt sie mit dem »Bombardement«.
Einige Fähigkeiten übernimmt er sogar fast eins zu eins von seinem Glaubensbruder aus dem Vorgänger, zum Beispiel unterstützen wir Mitspieler mit Auren oder lassen gesegnete Hämmer durch die Höllenbrut wirbeln. Das macht durchaus Spaß, löst aber keine spielerische Revolution aus. Unterm Strich spielt sich der Kreuzritter wie ein Mischling aus Barbar und Mönch, der überdies reichlich schwerfällig daherkommt: Wer bislang mit einem wieselflinken Mönch durch die Levels gewirbelt ist, kann dem lahmen Panzerstampfer anfangs wenig abgewinnen.
Gerade in einem Spiel wie Diablo 3, in dessen höheren Schwierigkeitsgraden Beweglichkeit und Laufwege eine große Rolle spielen, fühlt er sich einfach träge an. Um den Gotteskrieger wenigstens ein bisschen dynamischer zu machen, spendiert Blizzard ihm gleich zum Auftakt seiner Heldenkarriere eine Ansturm-Fähigkeit und einen Magieschwung, der alle Gegner vor ihm trifft. Das hilft ein bisschen.
Und ja, später wird's noch etwas besser, weil der Kreuzritter Mobilitätstalente hinzugewinnt, beispielsweise galoppiert er auf einem kurzlebigen Geisterpferd durch die Gegend oder katapultiert sich per »Himmlische Vollstreckung« mitten in Gegnergruppen. Beide Fertigkeiten müssen aber lange nachladen, auch die Kreuzritter-Ressource »Zorn« regeneriert sich nur langsam. In erster Linie verdingt sich der Glaubenskrieger als Fels in der Monsterbrandung, zäh, aber träge - was ja durchaus zu seiner Rolle passt.
Und damit spielt er sich eben doch eigenständig und ein wenig anders als die anderen Klassen, zumal er auch spannende passive Talente mitbringt. So kann er eine Zweihandwaffe mit einem Schild kombinieren, was ihn aber wiederum Lauftempo kostet. Wer schwere Ritter mit leichtem Hang zum Kampfmagier mag, wird also auch den Kreuzritter mögen. Unterm Strich hätten wir uns dennoch einen originelleren Neuzugang vorstellen können, das Diablo-2-Addon Lord of Destruction bot seinerzeit mit dem gestaltwandlerischen Druiden und der Kombo-Assassine deutlich innovativere Klassen - und noch dazu zwei davon!
Auch die alten Klassen bekommen dank der neuen Maximalstufe 70 jeweils ein neues Talent samt Runen sowie einen passiven Talentplatz. Allerdings wackelt die Balance zum Testzeitpunkt noch gewaltig, Zauberer teilen absurd hohen Schaden aus und haben daher deutlich leichteres Spiel als die anderen Heldenklassen.
Auf Kopfgeldreise
Kreuzritter hin, fünfter Story-Akt her - die wichtigste Neuerung für Diablo-3-Vielspieler sind die neuen Zufallselemente. In deren Genuss kommt man aber erst, wenn man den fünften Akt mit einem beliebigen Charakter durchgespielt hat. Dann darf man mit jedem Helden von Stufe 1 bis zur neuen Maximalstufe 70 in den Abenteuermodus starten, in dem sich die komplette Spielwelt ohne Story-Zwänge frei bereisen lässt. In jedem Akt erzeugt Reaper of Souls dabei mit jedem neuen Spielstart fünf zufällige Kopfgeld-Quests, beispielsweise sollen wir ein (Boss-)Monster umhauen, ein Gebiet säubern oder ein bestimmtes Event abschließen.
Übermäßig abwechslungsreich sind die Aufgaben also nicht, sie führen uns aber auf eine nette Weltreise - immer noch besser, als wie früher wieder und wieder im selben Gebiet zu metzeln. Neben Gold und Erfahrung wirft die Kopfgeldjagd Blutscherben ab, mit denen wir beim Glücksspiel Zufallsgegenstände einkaufen. Im Test haben wir dabei aber nur Schrott bekommen. Wer alle Kopfgelder eines Kapitels eintreibt, bekommt zudem eine Schatzkiste voller Bonusbeute. Die kann sogar völlig exklusive legendäre Items enthalten. In unserem Test warf sie trotzdem ähnlich viel Schrott ab wie das Glückspiel, aber gut, die Geste zählt. Denn natürlich steigert auch die Schatzkiste die Sammelmotivation.
Hinter dem Zufallstor
Vor allem aber bringen erfüllte Kopfgeld-Aufträge Portalsteine. Sobald wir fünf dieser Klunker erbeutet haben, dürfen wir in der Stadt ein Teleporttor in einen Nephalem-Riss öffnen - und hier geht der Zufall erst richtig los. In diesen bis zu zehnstöckigen Herausforderungshöhlen erwarten uns nämlich wild zusammengewürfelte Monster und Umgebungen, was zu abwechslungsreichen Kombinationen führt - aber nicht immer.
So durchstreiften wir im Test zwar viele Dungeons, die auf jedem Stockwerk neue Kulissen und Ungeheuer auffahren, aber auch einige, die uns mehrmals in denselben Leveltyp führten, nur mit anderer Beleuchtung. Gelegentlich warf uns das Nephalem-Portal gar einfach in ein einzelnes, riesiges Gebiet - da hätten wir auch gleich in der normalen Welt jagen können.
Unsere Aufgabe in den Dungeons lautet zudem immer gleich: Schnetzle so viele Monster, bis der Portalwächter erscheint, ein besonders starker Bossgegner. Auch der basiert auf bekannten Obermotzen, beispielsweise trafen wir in einer Eishöhle auf eine stärkere Version des Zweiter-Akt-Bösewichts Zoltun Kull.
Aufgrund des stets gleichen Ablaufs kann sich aber auf lange Sicht Routine einschleifen, Rivalen wie Path of Exile oder Torchlight 2 bieten wesentlich vielfältigere Zufallshöhlen mit teils radikal veränderten Grundbedingungen. Das höchste der Reaper-of-Souls-Gefühle sind hingegen Schreine, die uns unter anderem superschnell machen oder unseren Helden einen Strom tödlicher Kettenblitze verschießen lassen – allerdings jeweils nur kurzfristig. So schöpft Blizzard das volle Potenzial des Zufallsgenerators (noch) nicht aus.
Wie wär's beispielsweise mit Höhlen, in denen jeder einzelne Gegner eine bestimmte Elitemonster-Superkraft à la »Geschmolzen« besitzt? Oder mit Dungeons, in denen wir nur vorbestimmte Talente einsetzen dürfen – vielleicht sogar solche, die unserer Klasse normalerweise nicht zur Verfügung stehen? Uns schweben da beispielsweise Giftkröten-ausspuckende Barbaren vor … man wird ja noch träumen dürfen.
So oder so wäre bei den Zufalls-Dungeons mehr drin gewesen, nichtsdestotrotz sind sie eine klare Bereicherung für Diablo 3. Denn dank der Nepahlem-Herausforderungen, dank des gesamten Abenteuermodus' muss man nun eben nicht mehr immer und immer wieder roboterhaft durch dasselbe Gebiet stapfen und dieselben Viecher umpusten. Das hält die Beutejagd viel länger frisch und motivierend.
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