Kolumne zur Lootbox-Epidemie - Blizzard ist schuld!

Die Overwatch-Macher sehen sich gern als die Guten in der Lootbox-Kontroverse – von wegen, findet Maurice! Sie haben sie entscheidend mit befeuert.

"Was auch immer diese Kontroverse ist, ich glaube nicht, dass Overwatch da reingehört", sagte Blizzard-Präsident Mike Morhaime kürzlich über die aktuell lodernde Lootbox-Debatte. Ich sage: Unfug! Es kann kein Gespräch über Lootboxen ohne Overwatch und Blizzard geben, weil wir dieses Gespräch ohne Overwatch und Blizzard vermutlich gar nicht erst führen würden.

Dass ausgerechnet dieser Entwickler sich sogar noch über die Boxen anderer Studios lustig macht, ist nichts als blanker Hohn.

Die "guten" Lootboxen?

Nun kann man Morhaimes Argumente nicht völlig von der Hand weisen. Tatsächlich vermeidet Overwatch zwei der wohl schlimmsten Lootbox-Sünden: Die Blizzard-Kisten enthalten keine Pay2Win-Items wie in der Beta von Star Wars: Battlefront 2 und man kann den Inhalt nicht verwetten und zu Geld machen wie in Counterstrike: GO. Overwatchs Lootboxen sind also mit Abstand nicht die schlimmsten in der Spielelandschaft.

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Und sie waren auch nicht die ersten. Valve hatte die Idee etwa schon Jahre vorher in Team Fortress 2 und verdient sich seitdem eine goldene Nase damit. Aber es waren nicht Valve, die eine industrieweite Lawine lostraten. Spätestens seit World of Warcraft wissen wir: Wenn Blizzard Erfolg hat, macht's die komplette Branche nach. Und Overwatch hat als Vorbild (es war das erfolgreichste kostenpflichtige PC-Spiel 2016 und hat über 35 Millionen Spieler) einige richtig unschöne Trends etabliert.

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Maurice hat seine erste Lootbox gekauft, als er sieben Jahre alt war - nur eben eine analoge in Form eines Pokémon-Kartenboosters. Seitdem haben ihn Lootboxen sein ganzes Leben lang begleitet, von Pokémon über Yu-Gi-Oh bis hin zu Magic. Inzwischen hat er sich aber darauf verlegt, seine Karten direkt und einzeln zu kaufen, weil er das Glücksspiel satthatte - und prompt macht sich der Kram stattdessen in seinen Videospielen breit!

Belohnungen der Marke Blizzard

Da wäre zum einen mal das ganz grundsätzliche Übel von Lootboxen: Items, die man sich früher ganz direkt verdienen oder kaufen konnte, spuckt jetzt eine Roulettemaschine völlig zufällig aus. Dein Lieblingsheld ist Reaper? Pech gehabt, nimm bergeweise Hanzo-Skins! Und damit die Leute auch langfristig immer weiter Boxen kaufen, stellt Blizzard sicher, dass sie bloß nicht zu schnell alles kriegen, was sie wollen.

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Will heißen: Sie stopfen das Spiel mit sinnlosem Firlefanz wie Avataren und Sprays voll, die niemand wirklich haben möchte. Aber die Lootboxen schütten uns trotzdem regelrecht zu damit - nur um irgendwie das Gefühl zu vermitteln, dass wir überhaupt etwas gekriegt haben. Dass Overwatch, allein weil's kein Pay2Win ist, so oft als Positiv-Beispiel für Mikrotransaktionen gefeiert wird, konnte ich nie nachvollziehen. Ich fand selten ein Progressionssystem so demotivierend! Ich will mich nicht durch bergeweise Tand wühlen müssen, ich will mich nicht auf den Zufall verlassen müssen, ich will gezielt auf coole Belohnungen für meine Lieblingshelden hinarbeiten können!

Die Lootboxen von Overwatch gehen mir enorm auf den Keks. Die Lootboxen von Overwatch gehen mir enorm auf den Keks.

Geiz ist nicht geil

Aber wohl mein größtes Problem mit den Blizzard-Boxen und ihrer Vorbild-Funktion für die Industrie: Blizzard-Spiele geben dem Spieler nur sehr ungern, was er will. Wenn sie's ihm überhaupt direkt verkaufen, dann nur zu deutlich gesalzeneren Preisen als die Konkurrenz - siehe etwa die Echtgeld-Preise in Heroes of the Storm verglichen mit League of Legends.

Und im Fall von Zufallsboxen wie in Overwatch wird der Weg zur Wunschbeute noch steiniger. Zum einen kassieren wir nur ein legendäres Item gerade mal alle 14 Boxen (also alle 13 Euro bzw. 14 Levelaufstiege!). Zum anderen reibt uns das Spiel ständig nutzlose Duplikate unter die Nase und dreht uns geradezu lächerlich winzige Mengen an Ingame-Währung als Trostpreis dafür an. Ganze fünf Doppel-Legendaries brauche ich, um mir ein einziges meiner Wahl zu craften - 70 Boxen!

Streng genommen war Hearthstone Blizzards erstes "Lootbox"-Spiel - dort heißen sie nur anders und sind akzeptierter Teil des Sammelkartengenres. Streng genommen war Hearthstone Blizzards erstes "Lootbox"-Spiel - dort heißen sie nur anders und sind akzeptierter Teil des Sammelkartengenres.

Das zeichnete sich schon in Hearthstone ab, als sich Blizzard erstmals am prähistorischen Vorläufer der Lootbox versuchte: Dem Sammelkartenbooster. Aber wo das große Vorbild Magic drei seiner vier Seltenheitsstufen in jedem Paket garantiert, rückt Blizzard nur eine einzige Karte der zweiten von vier sicher heraus - für alles andere braucht es Glück. Das hat handfeste Gründe: Je seltener eine Belohnung, desto größer - vereinfacht gesagt - der Nervenkitzel beim Öffnen der Lootbox. Und desto größer kann der Suchteffekt werden.

Wie genau das funktioniert, erklären wir im großen Report über Videospiel-Abhängigkeit: Machen Lootboxen süchtig?

Und auch hier widerholte sich das Spielchen: Andere Titel wie Duelyst oder Gwent kopierten Blizzards Knauser-System fast eins zu eins! Hier und da etwas großzügiger wie im Fall von Gwent, aber doch im Kern identisch.

Nun ist das alles natürlich leicht nachvollziehbar: Blizzard entwickelt seine Systeme, um Spieler auf Jahre hinaus bei der Stange zu halten, da darf nie das Gefühl aufkommen, man hätte alle Items auf der eigenen Wunschliste abgehakt. Und andere Entwickler machen's nach, weil es bei Blizzard augenscheinlich funktioniert. Aber damit trägt Blizzard eben maßgeblich zur Verbreitung von Praktiken bei, die allen zugutekommen außer dem Spieler. Und damit tragen sie maßgeblich Mitschuld an der Lootbox-Epidemie.

E3-Talk, Folge 1 - »Das Zeitalter der Lootbox hat begonnen« Video starten PLUS 57:14 E3-Talk, Folge 1 - »Das Zeitalter der Lootbox hat begonnen«

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