Letztendlich ist es den Autoren des »Kölner Aufrufs« aber auch wichtig, auch Schuldzuweisungen abzulehnen. Nämlich dann, wenn es um die Verantwortung eines Großteils der Unterzeichner geht. »Verantwortlich sind nicht Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, denen die Bewältigung der Folgen immer zugeschoben wird«, stellt das Dokument klar. Sondern: »Verantwortlich sind Hersteller und Kriegsindustrie; die inflationäre Verbreitung der Spiele ist politisch gewollt und wird von ›Wissenschaft‹ und Medien bereitwillig vorangetrieben.« Die Schuld liegt folglich im System, in nichts geringerem -- jedenfalls nicht beim Individuum.
»Diese Spiele sind massive Angriffe auf Menschenrechte, Völkerrecht und Grundgesetz«, konstatiert der Kölner Aufruf zum Schluss. Das ist die ganz große Keule. Ihr folgen konkrete Forderungen: kriegsverherrlichende Computerspiele gehören verboten, aber auch »gewaltfördernde«, und darunter verstehen die meisten Spielegegner jede Form von alternativlosem aggressiven Verhalten – also auch, wenn Mario einer Schildkröte auf den Kopf springt. Das Verbot soll für Kinder und für Erwachsene gelten.
Prophylaktisch schließt die Erklärung mit den Worten: Politiker, die solche Forderungen nicht unterstützen, dienen nicht dem Frieden. Sie müssen abtreten.
Der Geschäftsführer des Spiele-Branchenverbands BIU, Olaf Wolters, nennt die Verfasser des »Kölner Aufruf« im Interview mit den Kollegen von Golem »fanatisch«. Der Begriff drängt sich auf. Viele der Punkte, die das Papier aufgreift, wären wichtige Ausgangspunkte für eine kritische Diskussion -- aber diese Diskussion ist für die Kölner Aufrufer unnötig, sie ist abgeschlossen. Was an dem Schreiben am meisten verwundert, ist sein sprachlicher und inhaltlicher Totalitarismus.
Im »Kölner Aufruf« werden Kinder durch Spiele »vergiftet«, »zu Tötungsmaschinen abgerichtet«, die »Grundlagen der Gesellschaft zugrunde gerichtet«, das »Völkerrecht unterminiert«, die Verantwortlichen sind »zur Rechenschaft zu ziehen«. Und wer nicht für uns ist, ist gegen uns – an wen erinnert diese Einstellung noch mal?
So ist der »Kölner Aufruf« nichts anderes als eine Kriegserklärung gegen einen boshaften, gesichtslosen Feind.
»Wie kommt der Krieg in die Köpfe – und in die Herzen?« Eine gute Frage. In diesem Fall sind Computerspiele wohl ausnahmsweise unschuldig.
(Einen Kommentar des ehemaligen GameStar-Chefredakteurs Gunnar Lott zum gleichen Thema lesen Sie in dessen Blog.)
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