Seite 2: Die Ultima-Historie - Teil 2 - Fail Britannia

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Ultima 8: Die Fans sind entsetzt

Ultima 8: Pagan - Erscheinungsjahr: 1994 - Publisher: EA - Erweiterung: The Lost Vale (vor Release eingestellt) - Beilagen: Stoffkarte, Pentagrammmünze, Chronik von Pagan Ultima 8: Pagan - Erscheinungsjahr: 1994 - Publisher: EA - Erweiterung: The Lost Vale (vor Release eingestellt) - Beilagen: Stoffkarte, Pentagrammmünze, Chronik von Pagan

Es gibt nicht viele Spiele, die so konsequent an ihrer Zielgruppe vorbeientwickelt werden wie dieses Ultima 8: Pagan. Garriott streicht die Party-Mechanik und führt ein Action-Kampfsystem sowie Jump&Run-Elemente ein, die neue Welt Pagan ist für Ultima-Verhältnisse geradezu winzig, und die wenigen NPCs bleiben ebenso oberflächlich wie gähnend langweilig. Dieses Schicksal erleidet auch die Handlung, denn sie wimmelt nicht nur von scheunentorgroßen Plot-Löchern, sondern dümpelt auf dem Niveau eines Groschenromans.

Ultima 8 ist vieles, man könnte es sogar mit einiger Berechtigung als Diablo vor Diablo bezeichnen, aber ein Ultima ist es nicht. Garriott schlachtet nicht bloß ein paar heilige Kühle; er mäht die Herde nieder und zündet anschließend die Weide an. Die Fans sind entsetzt, und ein Sündenbock ist schnell gefunden: EA. In der Tat spielt der Publisher bei Ultima 8 keine glückliche Rolle.

»Das Sales- und Marketing-Team von EA stand unter dem Eindruck ihrer Konsolen-Sportspiele«, erinnert sich Garriott. »Die glaubten fest daran, dass ihre Sportspiele nur deshalb so erfolgreich waren, weil sie jedes Jahr einen Ableger veröffentlichten. Nehmen wir mal das Beispiel Madden NFL. Die arbeiteten ununterbrochen an ihrer Engine, jeden Monat war die Engine ein bisschen besser als im Monat davor, und einmal im Jahr kam die Football-Saison, und sie machten kurz Pause und verkauften ein Football-Spiel. Und dann wieder zurück an die Engine, im nächsten Jahr musste es ja wieder ein neues Madden geben.

Die waren davon überzeugt, dass sie nur auf diese Weise Erfolg haben konnten, dass ihre Kunden zu einem anderen Footballspiel wechseln würden, wenn sie nicht einmal im Jahr ein neues Madden machten. Und als klar wurde, dass Ultima 8 den geplanten Release im Herbst [1993] nicht halten konnte, sagten sie: ›Hör mal zu, Richard, wir denken, dass es wichtiger ist, das Spiel zu Weihnachten im Laden zu haben, als die beiden anderen Kontinente und die restliche Story einzubauen, die du noch haben willst. Wir raten dir wirklich dringend, einen Weg zu finden, egal welchen, um das Spiel zu Weihnachten in den Laden zu kriegen.‹

Die hatten uns gerade gekauft, bezahlten unsere Gehälter und hatten die nötigen Zahlen, um ihre Aussage zu untermauern, und obwohl ich echte Zweifel hatte, habe ich mich darauf eingelassen. Ich hätte nein sagen können, ihr könnt mich mal, ich mache das so, wie ich will, und ich weiß nicht, was dann passiert wäre, vielleicht wäre meine Zeit bei EA vorbeigewesen. Aber der Punkt ist, dass ich mich darauf eingelassen habe, und das war ein grauenhafter Fehler.«

Ultima 8 führt unter anderem ein actionbasiertes Kampfsystem ein, das an Hack&Slay-Spiele erinnert. Mit ein bisschen mehr Feinschliff, so Garriott, hätte es das Diablo vor Diablo sein können. Ob’s dadurch besser geworden wäre, steht auf einem anderen Blatt. Ultima 8 führt unter anderem ein actionbasiertes Kampfsystem ein, das an Hack&Slay-Spiele erinnert. Mit ein bisschen mehr Feinschliff, so Garriott, hätte es das Diablo vor Diablo sein können. Ob’s dadurch besser geworden wäre, steht auf einem anderen Blatt.

Ultima 8 erscheint zwar erst im März 1994, aber trotzdem streicht Garriott so viele Inhalte, dass die mitgelieferte Stoffkarte mit der tatsächlichen Spielwelt nur noch rudimentär übereinstimmt. Hätte eine längere Entwicklungszeit das Spiel möglicherweise zu »einem der besten Ultimas« gemacht? Garriot ist inzwischen davon überzeugt, aber uns erscheint das fraglich - zu weit entfernt sich seine Vision vom Geist der alten Serienteile, zu kompromisslos will er neue Zielgruppen erschließen, zu brutal reißt er liebgewonnene Features nieder.

Unter idealen Bedingungen wäre Ultima 8 wahrscheinlich ein besseres Spiel geworden, vielleicht sogar tatsächlich das Diablo vor Diablo, aber als Ultima war es von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Diesen Schuh muss sich Richard Garriott alleine anziehen, auch wenn es menschlich zweifellos nachvollziehbar ist, dass er ihn lieber an EA weiterreicht.

Auch kommerziell bleibt Ultima 8 hinter den Erwartungen zurück, die bereits fertiggestellte Erweiterung The Lost Vale wird in buchstäblich letzter Sekunde eingestampft. Zum Teil mag das dem Umstand geschuldet sein, dass sich US-Ketten wie Walmart oder Target zeitweise weigern, das Spiel überhaupt ins Sortiment zu nehmen. Stein des Anstoßes ist freilich nicht die fragwürdige Qualität, sondern das Pentagramm auf dem Cover.

»Viele Leute in den USA glauben, dass ein Pentagramm wortwörtlich den Teufel beschwört. Und ich fand den Glauben einfach lächerlich, also habe ich Pentagramme ins Spiel eingebaut, man musste Kerzen an den Ecken der Pentagramme löschen, um bestimmte Magie ­anzuwenden. Wir haben deshalb sogar ein paar Mitarbeiter verloren: Die kamen zu mir und sagten, hey, wir sind religiös und finden diesen dämonischen Kram so beleidigend, dass wir nicht länger an diesem Spiel arbeiten wollen. Und ich dachte darüber nach und sagte ihnen, wisst ihr was, wenn ich Leuten auf die Füße trete, bloß weil sie an so einen Quatsch glauben, dann ist das halt so.

Danach haben wir das Pentagramm aufs Cover genommen.« In den folgenden Jahren zieht EA die Zügel langsam straff, rund die Hälfte der gerade erst begonnenen Origin-Projekte wird wieder eingestellt, sie wurden größtenteils von unerfahrenen Teams entwickelt und schlecht gemanagt, »absolut unser Fehler«, wie Garriott heute sagt, »und wahrscheinlich auch der Grund, warum EA irgendwann dachte, Origin ist doch eine Bande von Schwachköpfen«.

Ultima Online: Das meistverkaufte Ultima

Ultima Online - Erscheinungsjahr: 1997 - Publisher: EA - Erweiterungen: acht Beilagen: Stoffkarte, Anstecknadel Ultima Online - Erscheinungsjahr: 1997 - Publisher: EA - Erweiterungen: acht Beilagen: Stoffkarte, Anstecknadel

1995 beginnen die Arbeiten an Ultima 9, aber Richard Garriott hat mal wieder eine Schnapsidee: Er will ein Ultima-MMO machen. Das EA-Management ist einigermaßen konsterniert; damals existiert weder ein echtes Vorbild für ein solches Projekt noch lässt sich der Erfolg auch nur ansatzweise kalkulieren.

»Wir gingen zu EA und die sagten nein. Es gab keinerlei Basis für eine Verkaufsprognose und deshalb auch keine Basis für eine Investition. Dreimal gingen wir hin und dreimal sagten sie nein. Nach dem dritten Mal bin ich dann zu Larry Probst [dem damaligen EA-Chef] gegangen und habe gesagt, Larry, lass mich einen Prototypen entwickeln, ich beweise euch, dass dieses Projekt sinnvoll ist, gib mir einfach 250.000 Dollar und lass es mich machen. Und Larry nahm widerwillig einen Zettel und schrieb drauf: Okay, Richard kann sein Budget um 250.000 Dollar überziehen, und jetzt raus hier.«

Die erste Demo-Version von Ultima Online schlägt ein wie die sprichwörtliche Bombe, es finden sich rund 50.000 Beta-Tester, in Zeiten von AOL und 56k-Modems eine geradezu atemberaubende Zahl. Quasi über Nacht wird Ultima Online vom ungeliebten Stiefkind zu einem der wichtigsten Produkte im EA-Portfolio. »Sie sagten, okay, Ultima Online ist jetzt so wichtig, wir wollen, dass du Ultima 9 stilllegst und mit dem ganzen Team an Ultima Online arbeitest. Und ich sagte, wenn ich das mache, dann lasst ihr mich Ultima 9 nie fertigstellen, ich weiß doch inzwischen, wie das läuft, aber sie meinten, nein, Quatsch, wir versprechen dir, wenn Ultima Online fertig ist, dann kannst du an Ultima 9 weiterarbeiten.

Ultima Online kam raus, wurde zum bestverkauften PC-Spiel der Origin- und EA-Geschichte, und ich sagte, alles klar, jetzt will ich Ultima 9 fertig machen. Und sie sagten, ach nö, Ultima 9 interessiert uns inzwischen eigentlich gar nicht mehr. Genau das hatte ich ihnen vorausgesagt und genau deshalb hatten wir eine Abmachung, aber sie meinten bloß, dass sie ihre Meinung eben geändert hätten.«

Ultima Online begründet nicht nur ein ganzes Genre, sondern auch das lange erfolgreiche Abo-Modell. Ultima Online begründet nicht nur ein ganzes Genre, sondern auch das lange erfolgreiche Abo-Modell.

Während Richard Garriott verzweifelt um Ultima 9 kämpft, wird Ultima Online zum ersten Online-Rollenspiel mit mehr als 100.000 Abonnenten, seine Blüte erreicht es 2003 mit 250.000 zahlenden Spielern. Im Vergleich zu World of Warcraft sind das Peanuts, und 2003 kommt Everquest schon auf über 450.000 Abonnenten, aber ob das Genre ohne Ultima Online in seiner heutigen Form überhaupt existieren würde, ist zumindest diskutabel. Es liefert nämlich nicht nur die Blaupause für ein jahrelang erfolgreiches Abo-Modell, sondern dient auch als soziologisches Studienobjekt für unzählige Nachahmer.

Was beispielsweise passiert, wenn man es Spielern nahezu uneingeschränkt erlaubt, andere Spieler umzubringen und ihre Leichen restlos zu plündern? Zwei Dinge: Es gibt ziemlich viele reiche Playerkiller, und anschließend traut sich keiner mehr vor die Stadttore. Was passiert, wenn man von Spielern platzierte Teleporter auch für andere Spieler ohne Vorwarnung zugänglich macht? Folgendes: Ein armer Tropf spaziert mit seinem Beutesack zur Bank, erkennt den raffiniert in der Tür versteckten Teleporter eine Sekunde zu spät und wird prompt an den Hintern der Welt teleportiert, wo ihm 50 hocherfreute Playerkiller unter allgemeinem Hallo den Sack abnehmen.

Und was passiert, wenn man etliche Stunden in die Realisierung eines virtuellen Ökosystems steckt, bei dem das Gras im Laufe der Zeit ein paar Pflanzenfresser anlockt, die wiederum ein paar Wölfe anlocken, die wiederum die ganzen Pflanzenfresser verputzen und anschließend auf der Suche nach Nahrung notgedrungen zum nächsten Bauernhof wandern? Gar nichts: Die Spieler legen Pflanzenfresser, Wölfe und (sofern man ihnen Gelegenheit dazu gibt) Bauernhofbewohner schneller um, als das Spiel sie spawnen kann.

Würde Ultima Online heute erscheinen, man würde es frustrierend, ja unfair nennen, angesichts der enormen Einstiegshürde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und das Skill-System verfluchen, weil das Steigern von Fähigkeiten ohne den massiven Einsatz von lange verbotenen Zusatzprogrammen so stumpfsinnig wie Kartoffelschälen ist. Aber trotzdem - oder genau deshalb? - ist Ultima Online eine Truhe voller Geschichten, wie man sie in modernen Online-Rollenspielen nie mehr erlebt.

Ultima Online 2 wurde eingestellt, weil es Ultima Online Konkurrenz machen würde. Potzblitz! Ultima Online 2 wurde eingestellt, weil es Ultima Online Konkurrenz machen würde. Potzblitz!

Nach dem großen Erfolg (und nach dem noch größeren Erfolg der Nachahmer) kommt EA jetzt auf den Geschmack. Origin arbeitet bereits an Wing Commander Online, aber die Marketingabteilung ist skeptisch. Vielleicht hat Ultima Online ja nur deshalb funktioniert, weil Ultima eine seit 20 Jahren etablierte Marke ist. Also lieber die sichere Variante, lieber Ultima Online 2.

»Wir sagten ihnen, dass das keine gute Idee ist, Ultima Online war gerade erst erschienen und täglich kamen neue Spielelemente dazu, wenn wir jetzt mit Ultima Online 2 anfingen, dann würden wir bloß den Features von ­Ultima Online hinterherlaufen, und das Spiel würde nie fertig werden. Wir sagten ihnen, lasst uns fünf Jahre warten und in der Zwischenzeit Wing Commander Online machen.« EA denkt über den Vorschlag nach, stellt Wing Commander Online ein und beginnt mit den Arbeiten an Ultima Online 2.

2 von 3

nächste Seite


zu den Kommentaren (39)

Kommentare(39)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.