Von Fans und Fanatikern - Die Macht der Community

Online-Communitys liefern Mods und Patches, sie können Spiele schon vor Release verreißen oder hochjubeln, sie rufen zum Kauf oder zum Boykott auf. Wie viel Einfluss hat die Spielergemeinde tatsächlich auf die Spielebranche?

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Ein Gespenst geht um unter den Mächtigen dieser Welt – das Gespenst der Online-Communitys. Diktatoren und autoritäre Regimes von Libyen bis China fürchten sich vor Community-Plattformen wie Twitter, Facebook oder YouTube, die bereits zentral an den erfolgreichen Revolutionen in Tunesien oder Ägypten beteiligt waren. Als im Online-Wiki »Guttenplag« Dutzende Freiwillige die Dissertation von Karl-Theodor zu Guttenberg sezierten, führte das zum Rücktritt des für unantastbar gehaltenen Star-Politikers. Und in der Konsumindustrie hat vom Hollywood-Blockbuster über Video- und Computerspiele bis hin zum Smartphone anscheinend nur noch derjenige Erfolg, der die Meinungshoheit über die Blogs und Foren des weltweiten Netzes gewinnen kann.

Das von Netzoptimisten schon länger propagierte Ideal einer weltweiten basisdemokratischen Informationsgesellschaft, die im offenen Diskurs die Mächtigen und Besitzenden kontrolliert, scheint Gestalt anzunehmen. Oder doch nicht?

Win-Win-Situation?

Auf unser aller Hobby Computerspiele umgemünzt bedeutet das im Idealfall, dass die Entwickler und Publisher von Spielen mit einer kritischen Community in einen fruchtbaren Diskurs treten, an dessen Ende bessere Spiele stehen. Das führt zu mehr Umsatz für die Hersteller und zu mehr Spielspaß für die Spieler. Neudeutsch formuliert ist das eine »Win-Win«-Situation, alle profitieren davon. Soweit das Modell. Damit die Utopie funktioniert, müssen jedoch einige Prämissen erfüllt sein:

  • jeder Betroffene muss die Möglichkeit haben, sich äußern zu können
  • jede Stimme zählt gleich viel
  • die Summe der Beiträge ergibt eine ausgewogene und objektive Diskussion
  • das Ergebnis des Diskurses ist repräsentativ für die Gesamtheit der Betroffenen
  • die Herstellung einer Öffentlichkeit reicht als Druckmittel zur Einflussnahme aus.

Das sind relativ viele und relativ anspruchsvolle Voraussetzungen. Wenn man die jüngere Entwicklung in der Unterhaltungssoftware-Branche betrachtet, lassen sich durchaus Belege dafür finden, dass dieses Modell funktionieren könnte. So gab es zum Beispiel vor dem Erscheinen des Online-Rollenspiels Der Herr der Ringe Onlineeine Community-Petition zur Einrichtung von speziellen Rollenspiel-Servern mit strengeren Verhaltensregeln.

Erst auf Drängen der Community bekam HdR: Online spezielle Rollenspiel-Server. Erst auf Drängen der Community bekam HdR: Online spezielle Rollenspiel-Server.

Diese waren zunächst nicht vorgesehen und funktionierten bei ähnlich gelagerten Konkurrenzprodukten meist eher schlecht als recht. Dennoch erhörte der Entwickler Turbine die Community und richtete daraufhin RP-Server (»Belegaer« in Deutschland) ein, die in der Folgezeit zu den beliebtesten und erfolgreichsten Servern des Spiels aufstiegen. Für die Einhaltung der strengen RP-Regeln sorgte die Community selbst, indem sie Fehlverhalten maßregelte oder bei den Spielleitern zur Anzeige brachte.

Auch wenn Herr der Ringe Online der große Erfolg verwehrt blieb, so war rückblickend gesehen die Entscheidung, auf die Petition einzugehen, wohl richtig. Nicht zuletzt dank der Rollenspiel-Community (und der jüngst erfolgten Free2Play-Umstellung) behauptet sich das Online-Rollenspiel nach vier Jahren immer noch in einem hart umkämpften Markt, auf dem viele Mitbewerber bereits die Segel streichen mussten.

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Meinungen aus dem Labor

Der deutsche Entwickler Blue Byte (Battle Isle, Die Siedler) macht sich das Know-How der Spiele-Community im hauseigenen Spiele-Labor zunutze. Dort untersucht Blue Byte mit wissenschaftlichen Methoden das Verhalten von Testspielern, um Spielabläufe zu optimieren. Blue Bytes Mutterkonzern, der französische Publisher Ubisoft, bindet seinerseits beim kommenden Strategie-Rollenspiel-Mix Might & Magic Heroes 6herausgehobene Community-VIPs aktiv in die Entwicklung ein.

Mount & Blade: Warband spricht eine kleine aber eingeschworene Fangemeinde an. Mount & Blade: Warband spricht eine kleine aber eingeschworene Fangemeinde an.

Kleine Entwickler oder Publisher wie Paradox Interactive aus Schweden setzen mit Hardcore-Strategietiteln wie Hearts of Ironoder Europa Universalisund Nischentiteln wie Sword of the Stars, Mount & Bladeoder King Arthurvoll und ganz auf eine kleine, aber treue und verschworene Community abseits des Massenmarktes. Und viele der beliebtesten Titel der letzten Jahre wie Oblivion, Starcraftoder Half-Life 2beziehen ihre ungebrochene Popularität aus den zahllosen, von der Community kostenlos erstellten und angebotenen Mods.

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