Seite 2: Drakensang: Am Fluss der Zeit im Test - Rollenspiel der alten Schule

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Die Quests: fein erzählt

Die Kreativität der Drakensang-Autoren strahlt vor allem in den Nebenaufgaben, von denen es in Am Fluss der Zeit in bester Rollenspiel-Tradition unzählige gibt. Ein Ochsentreiber schickt uns zum Beispiel auf eine Vermisstensuche, die eine unerwartete Wendung nimmt und eine ebenso originelle wie, nun ja ... nackte Lösung erfordert.

Landvogt Enno von Vardock leidet viel. Wir amüsieren uns. Landvogt Enno von Vardock leidet viel. Wir amüsieren uns.

In Hammerberg treffen wir einen fiesen Schwabbelkapitän Marke »Bierbauch-Prolet«, der so erlesen höflich spricht wie ein Edelmann (und unsere Heldin galant angräbt). Was ist da faul? In den besten Momenten erschafft Am Fluss der Zeit erinnerungswürdige Charaktere wie den tranigen Landvogt Enno von Vardock, der mit leidender Stimme erzählt, was in seinem Leben alles schief geht; oder den kecken Bosnickel, einen Kobold, den man eigentlich aus einer Zwergenmine vertreiben soll, der einem aber nach kurzer Zeit gar nicht so böse vorkommt, sondern hinreißend schelmisch. Sein ständiges Triezen, Singen und Rätselstellen macht eine an sich öd-lineare Quest zu einem wahren Glanzlicht. Die erste Aufgabe nach Spielbeginn ist es, mit der jungen Matrosin Janah Zunderschwamm suchen zu gehen; das kurze Intermezzo mit der sympathischen Quasselstrippe dauert fünf Minuten und ist schnell vergessen. Wenn man Janah viel später im Spiel zufällig wiedertrifft, ist das ein Moment echter Freude.

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Die Handlung: mau

Die vielen Unter- und Nebenaufgaben kaschieren gekonnt, dass die Haupthandlung von Am Fluss der Zeit banal bleibt und etwa so viel Dramatik entfaltet wie das Abzählen von elf Elfen. Das Kernteam um dem Krieger Ardo von Eberstamm, den Zwergen Forgrimm und den Dieb Cuano, die Drakensang-Veteranen aus dem Vorgänger kennen, ist auf der Suche nach etwas. Dazu schippern Sie von Ort zu Ort, forschen nach der vermissten Sache, aber die ist natürlich immer schon fort. Spannend geht anders. Wenn Sie nach 15 bis 20 Spielstunden endlich den Punkt erreichen, wo sich die erste interessante Zuspitzung ankündigt, entpuppt sich diese als echte Überraschung: nämlich als das Ende des Spiels. Da hatte das erste Drakensang gerade erst angefangen. Am Fluss der Zeit ist in punkto Levels und Handlung nicht einmal halb so umfangreich wie sein Vorläufer.

Auf der Reisekarte bewegen Sie sich frei zwischen den Schauplätzen. Auf der Reisekarte bewegen Sie sich frei zwischen den Schauplätzen.

Die Diskrepanz zwischen den fein erzählten Randgeschichtchen und der dahinkrückenden Hauptstory ist nur ein Beispiel für seltsame Gegensätze, die den Glanz des zweiten Drakensang dämpfen. Ähnliches spiegelt sich in den Schauplätzen: Während die Siedlungen glaubwürdig gebaut sind und voller Ideen stecken, entpuppen sich ausnahmslos alle Kerker, Höhlen und Innenräume als erschreckend uninspirierte Gangreihen, in denen das Spiel Sie schamlos durch endlose Ketten identischer Räume hetzt. Klar, dass in jedem eine Schar identischer Gegner wartet. So verschenkt Am Fluss der Zeit reizvolle Ausgangssituationen. Der zwielichtige Supermagier Archon Megalon schickt Sie zum Beispiel in uralte bosparanische Ruinen, um an Ihnen als Versuchskaninchen »die Natur der Angst« zu erforschen, und das auch noch im Wettstreit mit einem mysteriösen »zweiten Team«. Cool! Nur: Sobald man drin ist, merkt man davon nichts mehr. Am Schluss taucht Megalon auf, dankt einem für die Teilnahme am Experiment, und man erinnert sich: Ah, stimmt, da war doch was mit Angst! Nur was? Es muss wohl damit zu tun gehabt haben, sich eine Stunde lang durch Gargoyles zu hauen.

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Die Balance: getrübt

Ebenso janusköpfig zeigt sich Am Fluss der Zeit bei der Spielbalance. Im Vergleich zum ersten Drakensang fällt es deutlich offener aus. An Bord der Thalaria -- Ihres Schiffs, das das Spielerhaus aus dem ersten Teil ersetzt -- dürfen Sie beliebig zwischen insgesamt sieben nach und nach zugänglichen Orten hin und her schippern, und tatsächlich gibt’s dort im Spielverlauf immer neue Dinge zu tun.

Immer mal wieder setzt Ihnen das Spiel knackige Bossgegner vor. Immer mal wieder setzt Ihnen das Spiel knackige Bossgegner vor.

Die größere Freiheit bedeutet auf der Kehrseite aber auch, dass Sie nun in Situationen gelangen können, denen Ihre Gruppe noch nicht gewachsen ist. Das allein wäre kein Problem, im Gegenteil; dann geht man halt wieder weg. Allerdings gibt in seltenen Fällen Stellen, an denen keine Umkehr möglich ist. Wer zum Beispiel in Nadoret zu früh auf Werwolfjagd geht und am knackig schweren Endkampf scheitert, muss zwangsläufig hoffen, vor dem Hurra-Sturz in die Quest einen Speicherstand angelegt zu haben. Abbrechen lässt sie sich nämlich nicht.

Stumpfsinnig: Wir müssen ein Verschiebepuzzel lösen. Stumpfsinnig: Wir müssen ein Verschiebepuzzel lösen.

Auch das berüchtigte Rattendungeon im Brauereikeller aus dem ersten Drakensang bekommt in Am Fluss der Zeit ein Geschwisterchen; diesmal ist es ein alter Tempel des Flussgottes Efferd, in dem Sie sich Stockwerk für Stockwerk mit immer stärkeren Schwärmen von Riesenkrabben anlegen. Das ist unglaublich öde, aber kein Einzelfall. Tatsächlich greift der Entwickler Radon Labs gleich mehrmals in die Klamottenkiste des Spieldesigns: Mal wirft Ihnen das Spiel endlose Horden aus dem Nichts auftauchender Waldtiere entgegen, mal sollen Sie allen Ernstes ein quälend langsam animiertes Verschiebepuzzle lösen, schließlich müssen Sie sich ohne Pause durch mehrere aufeinanderfolgende Bosskämpfe schlagen. Man wird das Gefühl nicht los, als wollte Am Fluss der Zeit seinen Spielern in regelmäßigen Abständen Gelegenheiten anbieten, das Handtuch zu werfen.

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