Nehmen Sie sich mal bitte eine Sekunde Zeit und denken Sie über den Unterschied zwischen Film im Kino und Film auf der TV-Mattscheibe nach. Klar, Kinoleinwand ist größer, der Sound schallt lauter, links und rechts nervt Popcorn-Geraschel - was soll also die Frage?
Naja, die Wahrheit ist wie so oft ein bisschen komplizierter. Es gibt nicht ohne Grund in der Filmwissenschaft einen Haufen (mehr oder weniger unterhaltsamer) Schinken, die sich ganz dem Thema widmen, wie anders wir Filme im Kino wahrnehmen.
Der Raum bleibt komplett abgedunkelt, alle Zuschauer halten (idealerweise) die Klappe, man starrt auf eine gigantische Leinwand und hat im Prinzip gar keine andere Wahl, als sich mit dem Gezeigten auseinanderzusetzen. Bei einem Kinofilm sucht Ihr Auge den Screen nach interessanten Punkten ab, beim Fernseher hat man hingegen stets den ganzen Bildschirm im Blick. Dadurch kann man sich in Kinofilmen schneller verlieren als bei den TV-Pendants, selbst wenn es sich um denselben Film handelt. Die große Leinwand baut einen größeren emotionalen Druck auf uns auf, aber, man mag es kaum glauben, das ist für Filmemacher gefährlich.
Spoilerfreie Kritik: Wie immer spoilern wir keine Handlungspunkte, allerdings handelt es sich hier um einen historischen Film mit recht bekanntem geschichtlichem Hintergrund. Wundern Sie sich also nicht, dass wir die Ereignisse der Operation Dynamo grob skizzieren.
Ein Kino-Wagnis
Dass im Herrn der Ringe bei der Schlacht von Helms Klamm Gimli und Legolas einen Kill-Count betreiben, passiert nicht zufällig. Sogenannte »Comic Reliefs« (also komische Entlastungen) nehmen den Dampf aus einer Szene, damit uns beispielsweise die Dramatik dieser gigantischen Schlacht emotional nicht überfordert. Wer zulange angespannt sitzt, bekommt irgendwann einen emotionalen Krampf und steigt aus der Handlung aus - so zumindest die Theorie.
Was das jetzt mit Christopher Nolans Dunkirk zu tun hat? Ganz einfach: Dieser Film hält den Druck ununterbrochen aufrecht, und das über 107 Minuten Laufzeit, schenkt sich jede Form von »Relief« und ist gerade deshalb so ein beeindruckender und besonderer Film. Und darüber hinaus ein spannendes Kinoexperiment, weil dieser Druck den Kinobesuch einerseits anstrengend macht, Dunkirk auf der anderen Seite aber wegen seiner genialen Bild- und Tongewalt unbedingt auf der großen Leinwand gesehen werden sollte.
Dunkirk kennt keinen Gimli
Wo Der Soldat James Ryan nach seinem unfassbar grausamen und unvergesslichen D-Day-Gemetzel ein paar lockere und teils sogar humoristische Szenen einstreut, um den Schrecken aus dem Gesicht der Zuschauer zeitweise zu vertreiben, verharrt Dunkirk im Prinzip konstant auf dem emotionalen Niveau eines Omaha Beach. Und funktioniert doch ganz anders. In Dunkirk wird kaum mit Gewehren geschossen, kaum geredet, stattdessen vor allem gezeigt.
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Die eigentliche Story findet dabei fernab vom D-Day statt, zeitlich wie räumlich: 1940 hat die deutsche Armee im Zweiten Weltkrieg britische und französische Truppen bis an den Küstenstrich von Dünkirchen (engl. Dunkirk) zurückgeschlagen, wo nun 370.000 chancenlose Soldaten beider Nationen am Strand auf ein Wunder warten. Die Evakuierung der geschlagenen Armee im Rahmen der berühmten Operation Dynamo galt damals als die größte Rettungsaktion der Menschheitsgeschichte.
Der Film schildert die Ereignisse und zeigt die geschlagene Armee eingekesselt durch eine feindliche Übermacht. Schon in der ersten Szene, in der eine Handvoll Briten durch die verlassene Innenstadt von Dünkirchen stromern und aus dem Nichts über den Haufen geschossen werden, offenbart der Film in grausamen Bildern, dass das Ende buchstäblich hinter jeder Ecke lauert. Und dabei ist im ganzen Film (abseits einer kleinen Szene) kein einziger Deutscher zu sehen.
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