E3-Gastkolumne - E3stigkeit

André Peschke, der Chefredakteur unseres Schwestermagazins Krawall.de, wirft auf der E3 2012 einen sehr persönlichen Blick auf die geräumten Slums von Disneyland, dreiste Ankündigungen – und ein tolles Spiel.

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Los Angeles heißt seine Gäste herzlich willkommen. Los Angeles heißt seine Gäste herzlich willkommen.

Ach, Los Angeles, endlich habe ich dich wieder! Die Stadt, in der sich ein Sonnentag vom anderen nur durch die Farbe der Smog-Glocke unterscheidet, fasziniert mich immer wieder. Die Skala der Verrücktheit beginnt am positiven Ende mit Menschen, die sich erstaunlich ungezwungen in der Bar dazu setzen, einfach nur weil sie rausfinden wollen, was für eine ulkige Sprache wir Deutschen da brabbeln.

Es sind keine Puddings ... Es sind keine Puddings ...

Demgegenüber stehen Szenen wie der gestrige Abend, als neben mir an der Bushaltestelle eine erstaunlich übergewichtige Frau ihren Freund George anschrie, er solle verdammt nochmal aufstehen, bevor noch die Bullen kommen. Darauf hatte sie nämlich gar keine Lust und wenn er jetzt nicht endlich seinen Arsch bewege, gehe sie eben alleine. George nahm das alles mit einer Gleichmut hin, wie sie nur einem Mann zu eigen ist, der gerade bewusstlos in der eigenen Kotze liegt. Was dann auch der Grund dafür war, dass besorgte Passanten neben ihr gerade dabei waren, die Polizei zu rufen.

Und dann gibt es da noch dieses Bild in meinem Hotelzimmer, das ein unbekannter Künstler direkt auf die Wand gemalt hat. Es zeigt, in Ermangelung einer besseren Umschreibung, eine pummelige Heilige, die Brüste serviert. Ungelogen. Vor einem unscheinbaren, blau-schwarzen Hintergrund steht sie, ein Heiligenschein über ihrem Haupt, Gesicht und Körper geformt wie bei einer Babuschka, und hält mit knallig rot lackierten Fingernägeln eine kleine Schüssel. Auf der etwas liegt, das vielleicht auch zwei fleischfarbene Nachspeisen mit zart-rosa Cocktailkirschen sein könnten.

Aber in Zeiten, in denen ein Semikolon plus geschlossene Klammer ein zwinkerndes Gesicht ergeben, müssen wir uns da nichts vormachen: Es sind Brüste.

Hä? Wer ist der denn?
André Peschke, Gast-Autor dieser Kolumne, schreibt für unsere Schwesterseite Krawall.de seit Jahren über Spiele. Und Brüste in Schüsseln (gelogen). Schauen Sie doch mal vorbei!

Premium für die Fans

Sympathisch, verwirrend, verstörend – man hat sich schon mehr anstrengen müssen, um eine Überleitung zum Thema Computerspiele zu finden. Aber gerade im Vorfeld der E3 kamen zumindest bei mir leise Zweifel auf, ob das diesjährige Aufgebot diese Kriterien überhaupt erfüllen kann. »Innovation Unveiled« – holprig übersetzt »Innovation enthüllt« – heißt das Motto der E3 2012. Ein Leitspruch, den man in diesem Jahr sogar auf Torbögen geschrieben hat, die man in Richtung der Messehallen durchschreitet.

André und sein Ebenbild aus Zombie U. André und sein Ebenbild aus Zombie U.

Und damit auch hinter sich lässt. Im bunten Kuddelmuddel der E3-Stände ist dann nämlich nicht mehr so viel Innovation, die sich enthüllen ließe. Dort streiten sich stattdessen Resident Evil 6und Dead Space 3darum, wer seine Horrorserie am schnellsten in Richtung Gears of War prügeln kann. Ein Eindruck, der sich schon am Vortag auf den großen Pressekonferenzen abzeichnete. Microsoft zeigte dort stolz, dass sie Ideen von Nintendo und Apple auch abkupfern können, ohne dafür gleich eine neue Hardware produzieren zu müssen.

EAs Vortragende bewiesen derweil Disziplin, während sie mit ruhiger Miene erklärten, Battlefield 3Premium sei nicht aus neidischen Seitenblicken Richtung Call of Duty: Elite geboren, sondern aus Fürsorge für die Fans. Erstaunlich in diesem Zusammenhang auch, mit welch schamloser Begeisterung inzwischen exklusive Download-Inhalte angepriesen werden. »Zwei Wochen früher auf PS3«, rufen sie bei Battlefield, »Wie immer zuerst auf Xbox!«, versichert man uns im Falle von Black Ops 2. Meldungen, von denen man eigentlich dachte, sie würden zwischen zwei künstlichen Hustern in einem Nebensatz fallen gelassen. Als ob das mich als Spieler begeistern sollte. Selbst wenn ich die passende Konsole besitze – »Diesmal schauen die anderen in die Röhre!« verleitet mich nicht zum Applaudieren.

»Innovation Unveiled«? Schön, nur – wo denn, bitte? »Innovation Unveiled«? Schön, nur – wo denn, bitte?

Sogar die Messe selbst erscheint inzwischen so vorhersehbar wie die Entdeckung eines Doppelagenten in 24 oder der grausame Tod von nahezu jeder Figur von Game of Thrones. In meinen ersten E3-Jahren vor über einem Jahrzehnt war ein Messestand noch wie eine Hüpfburg am Kindergeburtstag. Nur dass Entwickler darin spielten. Da improvisierte CDV aus Deutschland mit Tarnnetzen und Munitionskisten etwas, dass zumindest bei Uwe Boll als »authentisch Weltkriegskulisse« durchgehen würde.

Firmen wie Gathering of Developers machten derweil auf Rockstars und positionierten sich demonstrativ außerhalb der Hallen auf dem »Promised Lot« – einem Parkplatz mit Wohnwagen und viel Bier. Wer für solche Sperenzchen kein Geld hatte, besaß wenigstens den nötigen Anstand, um seine Spiele mit der nötigen Menge knapp bekleideter Hostessen und Waffenattrappen zu präsentieren. Peinlich, laut, chaotisch – das war die E3. Es war, als hätte man sich in die Slums von Disneyland verirrt.

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