Exklusive Preorder-Boni - Bitte nicht vorbestellen!

Nur wer Evolve vorbestellt, bekommt den Behemoth, ein viertes spielbares Monster. Thorsten Küchler meint: Diese Geschäftspolitik sollte man als mündiger Spieler auf keinen Fall unterstützen!

»Kontroversen sind etwas Gutes. Die Leute können über das Geschäftsmodell diskutieren. Ich glaube, wir liefern einen fantastischen Titel ab, der bei den Kunden, die dafür zahlen, gut ankommen wird.«

Mit diesem ebenso lapidaren wie zynischen Kommentar bügelte der Take-Two-Boss Strauss Zelnick all die Spieler ab, die sich über das Geschäftsmodell von Evolve echauffieren.

Was der profitinteressierte CEO eigentlich meint: »Regt euch gerne auf! Hauptsache, ihr überweist uns die Moneten!« Denn die Vorbesteller-Politik des Online-Shooters ist mehr Drückerkolonne denn Kundenservice.

Dabei klingt die Preorder-Option doch eigentlich so wohltätig: Wer das Spiel vor dem Release am 10. Februar kauft, der erhält ein Monster dazu - gratis, kostenlos, ja fast schon geschenkt.

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Wer die Qualitätdes Produkts hingegen (völlig verständlicherweise) erst einmal abwarten und erste Tests lesen will, der muss für das Bonusbiest im Nachhinein sagenhafte 14,99 Euro berappen. Der Mondpreis ist ganz klar Teil eines perfiden Marketingtricks: Denn so fühlen sich die Vorbesteller reich beschenkt, Unentschlossene werden indes unsanft zum Kauf animiert, oder sagen wir besser: genötigt.

Monströse Abzocke: Der Behemoth ist nur für Vorbesteller kostenlos, alle anderen zahlen absurde 14,99 Euro! Monströse Abzocke: Der Behemoth ist nur für Vorbesteller kostenlos, alle anderen zahlen absurde 14,99 Euro!

Doch warum wird dieses Behemoth-Ding nicht ab Werk integriert? Zumal Evolve ja mit mickrigen drei spielbaren Monstern auf den Markt kommt. Turtle Rock ist sich keiner Schuld bewusst: Das DLC-Vieh bedeute zusätzlichen Aufwand, die Daten seien keineswegs bereits im Hauptspiel integriert, sondern würden online nachgeliefert. Wow, danke für diese wertvolle Information - jetzt sind wir alle beruhigt und glücklich!

Diese Erklärung ist in etwa so bizarr wie ein Drucker, auf dessen Verpackung steht: Die Ersatzpatronen sind garantiert nicht schon im Gehäuse versteckt, sondern müssen separat gekauft werden! Und diese Praxis ist bei Spielen heutzutage längst kein Einzelfall mehr.

Früher war früher besser

Diese Sonderedition von Dragon Age: Inquisition gab es nur bei Gamestop – mit zusätzlichen DLC-Inhalten. Diese Sonderedition von Dragon Age: Inquisition gab es nur bei Gamestop – mit zusätzlichen DLC-Inhalten.

Die Posse um Evolve steht sinnbildlich für einen Trend, der sich immer mehr zum Fluch entwickelt: Die Hersteller wollen nicht nur viele Spiele verkaufen, sondern möglichst früh viele Spiele verkaufen. Durchaus verständlich, denn Vorbestellungen sind in den Zeiten der Aktiengesellschaften (Stichwort: Gewinnwarnung) aus wirtschaftlicher Sicht wertvoller als Spontankäufe.

Nicht umsonst posaunt es ständig aus dem Pressemitteilungswald: "Rekord! Spiel X wurde Y Millionen mal vorbestellt und hat damit schon Z Milliarden Umsatz generiert!" Und auf der Strecke bleibt: der Sinn. Während man früher noch mit haptischem Tand wie etwa Schlüsselanhängern zur Vorbestellung motiviert wurde, regiert nun digitaler Tand.

Nicht selten werben Gamestop oder Amazon dann mit exklusiven DLC-Boni der Marke »Graubrauner Mantel der Ödnis als Charakter-Skin«. Noch ärgerlicher: Oft (Ja, Dragon Age: Inquisition, du bist gemeint!) werden für Fans interessante Inhalte gleich wahllos auf mehrere Händler verteilt. Das komplette Bonuspaket - und damit alle möglichen Spielinhalte - bekommt also eigentlich kein einziger Käufer.

Typisch Ubisoft: Die großen Serien des französischen Publishers werden stets in zig Versionen veröffentlicht. Typisch Ubisoft: Die großen Serien des französischen Publishers werden stets in zig Versionen veröffentlicht.

Ubisoft tut sich in dieser Hinsicht ebenfalls negativ hervor: Spiele aus der Assassin's Creed-Reihe erscheinen zumeist in gefühlt 20 Editionen, jede davon mit anderem Bonusquatsch. Bei Assassin's Creed Unity wäre ich schon mit der »No Bugs«-Edition zufrieden gewesen. Wer diese künstliche Fragmentierung braucht, dürfte klar sein: niemand. Generell darf die Frage erlaubt sein, wieso man überhaupt Spiele vorbestellen sollte?

Eine Warenknappheit ist bei Call of Duty & Co. jedenfalls nicht zu erwarten, und ein Spaziergang zum örtlichen Händler hat noch keinen lauffaulen Spieler umgebracht. Oder ist es für manche Spieler wirklich so wichtig, schon am Releasetag durch Evolve zu jagen, durch Unjty zu kraxeln, durch Inquisition zu abenteuern, dass sie ein Spiel unbesehen kaufen - und der Industrie in die Karten spielen?

Ungewissheit im Abo

Der Gipfel des Vorauskassen-Irrsins ist aber der so genannte Season Pass. An alle, die noch keinen solchen Knebelvertrag abgeschlossen haben: Gratulation! Denn die Hersteller gehen immer mehr dazu über, das Prinzip Leistung-Gegenleistung auszuhebeln und für ihre Zwecke neu zu interpretieren. Bestes Beispiel: The Evil Within.

Der Horror-Schocker von Bethesda erschien im Oktober 2014 und mit ihm auch ein Season Pass für sämtliche zukünftigen DLCs - Kostenpunkt 19,99 Euro. Die Beschreibung auf Steam liest sich folgendermaßen: »Spielen Sie neue Charaktere und erleben Sie den Schrecken aus einer ganz neuen Perspektive mit drei neuen Inhaltspacks zu einem einmaligen Preis.« Wen spiele ich denn jetzt genau, um was auch welcher Perspektive zu erleben?

Von den drei versprochenen Season-Pass-Episoden zu The Evil Within ist bislang kein einziger erschienen. Von den drei versprochenen Season-Pass-Episoden zu The Evil Within ist bislang kein einziger erschienen.

Schwammiger geht es kaum, ich soll für etwas bezahlen, vom dem ich nicht mal weiß, was es ist. Das ist wie das»Überraschungsgericht« auf der Restaurantkarte: Ich hab's ja bestellt, selber schuld, also muss ich auch damit zufrieden sein, was ich bekomme, und wenn's Kotzfrucht mit Rosenkohl ist. Und wer zum Teufel mag bitte Rosenkohl?!

Noch dazu ist bis heute ist kein einziges der versprochenen Inhaltspacks für The Evilk Within erschienen, »Anfang 2015« soll es dann laut Bethesda aber wirklich losgehen. Und wenn es doch nichts mehr damit wird, bekommen die Käufer der Pässe sicher ein anderes Spiel als Entschuldigung - irgendeines von der Resterampe. Noch so ein Geschäftsgebaren der heutigen Softwarezeit.

Apropos Geschäfte: Im Mittelalter gab es windige Viehhändler, die statt der abgemachten Ferkel wertlose Katzen in den Sack des Kunden steckten. Und irgendwie hat sich da bis heute gar nicht mal so viel dran geändert ...

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