Seite 2: Explodiert - Wie RTL sich die falschen Witzfiguren aussuchte

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Jecken als Schreihälse?

Dass sich so viele Spieler derart massiv über das vergleichsweise banale Explosiv-Filmchen mokieren, liegt wohl an der schreienden Unfairness, die sie empfinden. Endlich gibt es mit der Gamescom eine Veranstaltung in Deutschland, auf der man Spielefreak sein darf, die den Fanatismus, das Verkleiden, die offen zur Schau gestellte Zugehörigkeit zu einer Gruppe erlaubt, ja geradezu fordert. Und dann kommen ein paar überhebliche Medienmacher daher und missbrauchen Bühne und Darsteller für ihre unlauteren Zwecke. Das macht verständlicherweise rasend, ebenso wie es der Kölner Jeck wäre, wenn ihn ein RTL-Team am Faschingsdienstag als versoffenen, notgeilen und schweißtriefenden Schreihals porträtierte.

Und es hat Boom gemacht

Der Privatsender RTL war zuletzt mehrfach ins Visier der Landesmedienanstalt geraten. Der Privatsender RTL war zuletzt mehrfach ins Visier der Landesmedienanstalt geraten.

Neben dieser verständlichen Wut wurde den Redakteuren aber auch die gnadenlose Fehleinschätzung ihres Ziels zum Verhängnis. Spielen ist seit geraumer Zeit gesellschaftsfähig, die Spieler sind kein abgeschotteter exklusiver Zirkel mehr, über den man sich ohne Kollateralschäden beim eigenen Publikum lustig machen könnte sondern in allen Gesellschaftsschichten und Altersklassen beheimatet.

Und Spieler sind technophil; moderne Kommunikation, YouTube, Internet und soziale Netzwerke sind ihr tägliches Handwerkszeug. Gern nutzen die Konzerne die virale Verbreitung ihrer Botschaften, aber Viralität lässt sich eben nicht kontrollieren – der Stein aus der RTL-Mediathek kam ins Rollen, YouTube und Facebook sorgten für die Gravitation, bis die Situation gestern schließlich von den Öffentlichkeitsarbeitern bei RTL unter Kontrolle gebracht werden musste. Gründe für die Notwendigkeit zur öffentlichen Entschuldigung (online und in Explosiv selbst) gab es einige. Spieler sind allein wegen ihrer Altersstruktur eine relevante Zielgruppe für den Kölner Sender.

Außerdem wurde die zuständige Landesmedienanstalt mit Klagen geflutet - besonders unangenehm, weil RTL in den vergangenen Monaten schon öfter in der öffentlichen Kritik stand, unter anderem wegen der Sendung »Mietprellern auf der Spur« mit Vera Int-Veen. Zwar befand die Niedersächsische Landesmedienanstalt heute, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags vorläge. Aber man äußerte »Verständnis für die Empörung, die dieser Beitrag ausgelöst hat.« Ob schließlich auch noch die anonymen Hack-Aktionen auf den Community-Seiten von RTL ihr Scherflein zum Entschuldigungsdruck beigetragen haben, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen – der Stressminderung der RTL-Oberen waren sie aber sicher nicht dienlich:

Nur Verlierer?

Explosiv hat sich gestern bei den Spielern entschuldigt. Explosiv hat sich gestern bei den Spielern entschuldigt.

Mit der plakativen Reaktion von RTL dürfte der Höhepunkt der Empörung überschritten sein und sich der Trubel um die fünfminütige Zurschaustellung der »echt komischen Gestalten« auf der Gamescom in den kommenden Tagen wieder legen. Ein übler Geschmack bleibt bei der ganzen Angelegenheit, trotz des Triumphs der Spielergemeinde, dennoch zurück: Diverse Besucher der Messe wurden Opfer der RTL-Berichterstattung (und melden sich mittlerweile auf YouTube zu Wort), und auch Messehostess Laura dürfte unter dem Trubel um ihre Person zu leiden haben. Den hat sie zwar mitverschuldet, im Gegensatz zu den Verantwortlichen war sie aber dann doch eher von Naivität als von Bösartigkeit getrieben. Wir alle können aus dieser Geschichte wenigstens lernen, wie Fernsehen allzu oft funktioniert - und wir können als Konsumenten unsere Konsequenzen daraus ziehen.

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