Der Mainstream: wenig interaktiv
Für den Spieler heißt das: Ich lerne die Funktionsweise, und dann mache ich das, was das Programm von mir verlangt. Unter den Triple-A-Titeln gibt es dabei einen unverkennbaren Trend zu immer stärkerer Spielerführung. Ein Shooter wie Call of Duty: Black Opsist weniger Spiel als Reaktionstest, denn die Handlungsfreiheit steht in Konflikt mit dem Interesse an einer filmischen Inszenierung. Damit die ihre Dynamik behält, muss das Verhalten des Spieles möglichst berechenbar sein. Entsprechend reduzieren sich Levels zu Schläuchen und Aufgaben zu kleinteiligen Etappen.
Es fällt auch genügsamen Spielern auf, dass ein Modern Warfare 2in seiner Solo-Kampagne kaum mehr als eine effektvolle Schießbude ist, im Multiplayer-Modus knallharter sportlicher Wettkampf. Gegen beides ist nichts einzuwenden, sie sind hervorragende Unterhaltungsquellen. Aber wer die Diskussionen in Spielerforen verfolgt, stellt fest, dass es eine spürbare Ermüdung über die Starrheit von Spielen wie Call of Dutyund Ernüchterung über die Anspruchslosigkeit von Spielen wie Dragon Age 2gibt.
Bauklötze: Wecken das Kind in dir
Aus dieser Gefühlsmelange heraus lässt sich besser verstehen, warum Minecraft gerade bei gestandenen Spielern so enthusiastische Reaktionen auslöst. Minecraft ist ein Kinderspiel.
Es erfordert Kreativität in dem banalsten Sinn, dass man von Anfang an selbst entscheiden muss, was man als Nächstes tun will. Was man überhaupt tun will. Das bedeutet auch, dass man uninteressante Zielsetzungen jederzeit wieder aufgeben kann. Schließlich hat man sie sich selbst gesetzt. Dem Spiel ist das egal, es läuft weiter.
Die stärkste Motivation entwickeln die Ziele, die man sich selbst setzt; allein deshalb, weil man ein gutes Gespür dafür hat, was mit welchem Aufwand erreichbar ist. Wer in Minecraft eine unbekannte Höhle erforscht (»Bis ganz unten!«), einen Turm baut (»Zehn Stockwerke!«) oder nach Baumaterial sucht (»Bis ich 20 Eisenbarren habe!«), tut das aus eigenem Antrieb und auf Basis seiner eigenen Präferenzen.
Minecraft ist ein schlagender Beleg für die Macht der Selbstmotivation. Natürlich braucht sie Nahrung und Ankerpunkte – Dinge wie die Existenz seltener Metalle, tiefer Höhlen, nächtlicher Antagonisten oder ferner Bereiche einer endlosen Spielwelt. Aber darüber hinaus ist Minecraft eine Leinwand für die Ambition des Spielers, eine schier unwiderstehliche Provokation nicht nur für seinen Schaffens-, sondern seinen Schöpfungsdrang. In Minecraft heißt Spielen nicht, fremdbestimmt Aufgaben abzuarbeiten, nicht sich mit anderen zu messen, sondern: Pläne zu schmieden und eigene Ideen umzusetzen.
Der Erfolg: kein Ende in Sicht
Minecraft hat bislang 3,3 Millionen Einheiten verkauft und mehr als 37 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, ohne dass ein Euro davon in Werbung und Marketing geflossen wäre. Dabei ist Minecraft noch nicht einmal offiziell erschienen, das Spiel befindet sich nach wie vor in der Beta-Phase, und das wird noch bis November 2011 so bleiben. Nach dem Start des Minecraft-Hypes im Herbst letzten Jahres ist auch zwölf Monate später kein Abflachen der Verkaufskurve in Sicht. Im Gegenteil: Minecraft erschließt beständig neue Käuferkreise, pro Tag kommen 9.000 neue Kunden hinzu.
Auch wenn Markus Persson kein Marketing im klassischen Sinn betreibt, so ist er doch ein aktiver Kommunikator. Der stetige Strom an Neuigkeiten, Blog-Einträgen und Twitter-Feeds, der durch ihn über Minecraft in die Welt hinausfließt, führt zu einer ebenso stetigen Beschäftigung mit dem Spiel. Im Schnitt hat Notch in den letzten zwei Jahren einen Blogeintrag und elf Tweets pro Tag abgefeuert.
Was ursprünglich nur die Community betraf, erreicht längst auch Fachmedien: Kaum eine Website, die nicht jedes größere Minecraft-Update sofort an ihre Leser weiterfunkte. Man muss heutzutage keinem Entwickler mehr nahelegen, seine Community zu pflegen; das versteht sich von selbst. Aber in ihrer Regelmäßigkeit, Offenheit und Personalisierung auf eine Schlüsselfigur ist die Kommunikation von Markus Persson vorbildlich genug, als dass sich auch erfahrene Firmen eine Scheibe davon abschneiden können.
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