Gamescom-Trend Free2Play - Die Gratis-Gefahr?

Die Spieleindustrie steckt im Free2Play-Wandel, der Gratisspiele-Trend wird auf der Gamescom so deutlich wie nie zuvor. Doch die Hersteller müssen aufpassen, dass dabei nicht der Spaß auf der Strecke bleibt. Warnt zumindest Michael Graf.

Das Modewort der Gamescom 2012 heißt »Free2Play«.Electronic Arts verwandelt Command & Conquer: Generals 2in einen Kostenlos-Titel mit Echtgeld-Shop, Crytek präsentiert nicht nur Crysis 3, sondern auch seinen Free2Play-Shooter Warface, und Ubisoft strickt wie am Fließband Gratis-Ableger zu seinen großen Marken: Anno Online, Might & Magic Heroes Kingdoms, Ghost Recon Online, Silent Hunter Online– »Assassin‘s Creed Online« und »Splinter Cell Online« scheinen nur noch eine Frage der Zeit.

Die Gamescom führt den Wandel der Spieleindustrie so deutlich vor Augen wie nie zuvor, Free2Play ist keine Randerscheinung mehr, sondern mittendrin im Markt, mittendrin in den Portfolios und an den Ständen auch der klassischen Publisher.

Dass das wirtschaftliche Gründe hat, dass Free2Play-Newcomer wie Wargaming.net (World of Tanks) und GREE (ein japanisches Social- und Mobile-Games-Netzwerk) neidische Blicke aus den Chefetagen von Electronic Arts, Ubisoft & Co. ernten dürften, all das haben wir schon oft genug erklärt.

League of Legends hat es vorgemacht: Riot Games bewies, dass Free2Play und ein gutes Spiel kein Widerspruch sein müssen. League of Legends hat es vorgemacht: Riot Games bewies, dass Free2Play und ein gutes Spiel kein Widerspruch sein müssen.

Ebenfalls auf der Hand liegt, dass Free2Play Vorteile bringt: Bei Online-Spielen wie League of Legendsoder das bald erscheinende Dota 2können die Hersteller problemlos auf Feedback reagieren und das nachliefern, was die Spieler wollen. Spiele, so das Branchencredo, seien dann eben »Services«, Dienstleistungen also, die sich immer weiter entwickeln und so wachsen, wie es die Community wünscht. Besonders deutlich wird dieser Trend bei den Online-Rollenspielen: kaum ein Spiel in dem Segment kann sich noch über das althergebrachte Abo-Modell finanzieren. Reihenweise sind große Titel mitterweile auf Free2Play umgestiegen - durchaus mit großem Erfolg, wie Herr der Ringe Onlinezeigt.

Berechtigte Zweifel

Zugleich wird das Free2Play-Genre immer noch von vielen GameStar-Usern kritisch beäugt. Und auch das hat gute Gründe.

Das beginnt bei der Gefahr des »Pay2Win«, also des Verkaufs von unfairen Vorteilen in Multiplayer-Partien. Wenn sich ein Bezahlgegner den »Zwölfläufigen Atomraketenwerfer des Durch-die-Wand-Schießens« besorgen kann, während man selbst mit der Gratis-Erbsenpistole antreten muss – dann macht das einfach keinen Spaß. Eine faire Lösung wären getrennte Multiplayer-Ligen für Premium- und Gratis-Kunden. Doch dann könnten die Hersteller nicht ihre beiden wichtigsten Verkaufsargumente einsetzen: Neid und Frust. Und damit sind wir bei den wirklich großen Problemen.

Ubisofts Browserspiel Siedler Online gilt für viele Publisher als Vorbild für den Wechsel einer bekannten Marke in die Browserspiel-Welt. Ubisofts Browserspiel Siedler Online gilt für viele Publisher als Vorbild für den Wechsel einer bekannten Marke in die Browserspiel-Welt.

Free2Play-Titel müssen nicht darauf ausgelegt sein, Spaß zu machen. Sie müssen darauf ausgelegt sein, ihren Spielern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Okay, das mag überspitzt formuliert sein. Dass Gratisspiele eine andere Art von Spieldesign erfordern als klassische Verkaufstitel, lässt sich aber nicht bestreiten. Große Hersteller wie der Farmville-Gigant Zynga beschäftigen ganze Abteilungen, die Spieldaten auswerten und Belohnungsschleifen optimieren. Spieldesign im Free2Play-Zeitalter dreht sich nicht mehr um abstrakten »Spaß«, es dreht sich um Wissenschaft. Und es dreht sich oft genug darum, dass Gratisspiele ab einem bestimmten Punkt so zäh oder langweilig werden, dass man ohne Bezahlung nur noch alle paar Ewigkeiten einen Glücksmoment genießen darf.

Die Free2Play-Hersteller müssen diesen Problemen aktiv entgegentreten; sie müssen – nicht mit Worten, sondern mit ihren Spielen – überzeugen, dass eben nicht das Geld an erste Stelle steht, sondern die Unterhaltung; nicht die optimierten Belohnungen, sondern die originellen, intelligenten Mechanismen. Sonst wäre die Free2Play-Zukunft eine wahrlich finstere.

» Mehr zum Thema kostenlose Spiele gibt es auch in unserem Free2Play-Kanal

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