Im schlimmsten Fall
Das Worst-Case-Szenario: Da es kein Gesetz gibt, das den Wiederverkauf heruntergeladener Spiele ausdrücklich gestattet, können sich die Konsolenhersteller und Betreiber digitaler Distributionsplattformen jederzeit gegen die Entwicklung eines Gebrauchtmarktes auf ihren Online-Plattformen entscheiden. Aufgrund der steigenden Preise für Videospiele versuchen aber immer mehr Nutzer, ihre Kosten durch den Verkauf alter Spiele zu senken. Der Kauf und Verkauf von Download-Spielen hat keinen Mehrwert in Form günstigerer Preise im Vergleich zu verpackten Spielen, daher nutzen Kunden weiterhin den Service von Einzelhandelsketten wie GameStop.
Zudem stagniert der Ausbau von Breitbandnetzen. Hohe Kosten schrecken Staaten und Telekommunikationsdienste von einer Investition in die schnelle Glasfasertechnologie ab. Durch die immer größeren Datenmengen digitaler Spiele wird bei unveränderter Übertragungsleistung der Netze das Herunterladen immer zeit- und kostenaufwändiger. Das Download-Angebot wird dadurch zunehmend unattraktiv.
Distributionskonzepte wie die im Herbst 2009 erschienene PSPgo bleiben aus diesem Grund erfolglos. Von den schlechten Verkaufszahlen des PSPgo abgeschreckt, wird das Modell der ausschließlichen digitalen Distribution von Videospielen für die weitere Konsolenentwicklung von allen Herstellern verworfen. Die nächste Konsolengeneration setzt deshalb auf ein neues optisches Medium mit hohem Speichervolumen und niedrigen Produktionskosten. Aufgrund der Möglichkeit der Kunden, Spiele auf diesen Trägermedien zu kaufen und zu verkaufen, setzt sich der digitale Download- und Gebrauchtmarkt nicht in entscheidendem Maße durch.
Im besten Fall
Das Best-Case-Szenario: Aufgrund zahlreicher Kosten- und Kontrollvorteile implementieren zuerst die Konsolenhersteller einen Gebrauchtmarktplatz in den Online- Diensten ihrer Hardware. Von jetzt an können Kunden digitale Spiele über die jeweiligen Plattformen herunterladen und sie dort auch wieder verkaufen. Die hohe gesellschaftliche Akzeptanz von Gebrauchtmärkten sowie die Erfahrung mit Diensten wie dem Online-Marktplatz Ebay sorgen für eine schnelle und problemlose Annahme des Angebots.
Die PC-Plattformen Steam und Gamesload ziehen schnell nach. Als Zahlungsmodell dient auf allen Konsolen eine herstellereigene Währung wie Microsoft Points oder Wii Points. Für verkaufte Software erhält der Kunde Einheiten dieser Währung. Diese kann er nur gegen Produkte des jeweiligen Online-Dienstes eintauschen, was die Reinvestition in den Spielemarkt garantiert. Die erreichten Kosteneinsparungen der Hersteller im Bereich der Produktion, des Vertriebs und der Lagerung werden in Form von Preisreduzierungen der Software an den Kunden weitergegeben. Digital distribuierte Spiele werden auf diese Weise trotz fehlender Verpackung und Handbücher at traktiver, was sowohl den Umsatz im digitalen Neuwarenmarkt als auch im neu etablierten Gebrauchtmarkt steigert.
Ende 2011 werden nach dem BGH-Urteil neue Gesetzesvorlagen für das Urheberrecht in Europa eingeführt und die First Sale Doctrine an digitale Transaktionen angepasst. Von nun an ist der Gebrauchtmarkt von Download-Gütern rechtlich zulässig. Durch den Ausbau leistungsfähiger Breitbandnetze können Spiele mit großen Datenmengen problemlos heruntergeladen werden. Durch den Erhalt eines Gebrauchtmarktes auf digitalen Distributionsplattformen bleiben die Vorteile des Verkaufs gebrauchter Spiele an den Einzelhandel für den Kunden bestehen und sorgen für eine große Akzeptanz sowie einen schnellen Wechsel zur neuen Vertriebsform. Somit entwickelt sich der digitale Neu- und Gebrauchtwarenmarkt von Videospielen zu einem umsatzträchtigen Erfolgsmodell, nicht nur für die Konsolenhersteller, sondern für die gesamte Industrie.
Nur Wunschdenken?
Science-Fiction? Mitnichten! Das am 10. Mai eröffnete englische Portal Green Man Gaming bietet die Möglichkeit, Spiele herunterzuladen und nach der Nutzung wieder zu verkaufen. Im Gegenzug erhalten die Nutzer Credits oder andere digitale Inhalte.
Für das nachhaltige Bestehen eines digitalen Gebrauchtmarktes sind jedoch bestimmte Faktoren unerlässlich. Zunächst müssen online angebotene Neuspiele preiswerter sein als materiell distribuierte. Das erhöht die Akzeptanz des Marktes im Allgemeinen und fördert einen möglichen Gebrauchtmarkt. Die Erlöse der Spieler müssen außerdem gesichert wieder in den Neuwaren- oder Gebrauchtmarkt fließen. Nur so kann ein Plattformbetreiber und Publisher sicherstellen, dass durch den bestehenden Gebrauchtmarkt das Spielegeschäft generell gestärkt wird. Technisch ist dies durch vorhandene Lösungen wie plattformspezifische Währungen einfach sicherzustellen.
Ein dritter, nicht zu unterschätzender Faktor ist der Ausbau der Breitbandnetze. Denn trotz eines vergleichsweise guten Ausbaus weltweit wird der Speicherbedarf hochwertiger Spiele nach wie vor extrem ansteigen, und kaum ein Nutzer wird akzeptieren, mehrere Tage auf sein Download-Spiel warten zu müssen.
Der Einzelhandel guckt in die Röhre
Als weiterer Erfolgsfaktor kann noch die gesellschaftliche Akzeptanz genannt werden. Anhand der wichtigen Rolle von materiellen Gebrauchtmärkten und der steigenden Akzeptanz der digitalen Distribution dürfte das aber kein Hindernis darstellen. Schließlich ist ein breites Angebot an Spielen aller großen Publisher unerlässlich für den Erfolg eines digitalen Gebrauchtmarktes. Denn nur was als »neuer« Download erworben werden kann, kann auch »gebraucht« weiterverkauft werden. Eine besondere Rolle nehmen hierbei rechtliche Rahmenbedingungen ein, die von Land zu Land unterschiedlich sind und bisher auch einen K.O.-Faktor für einen Gebrauchtmarkt innerhalb digitaler Distributionsplattformen darstellen können.
Die Publisher und Plattformbetreiber haben es jedoch in der Hand, ein solches Modell zu billigen, das ihnen mehr nutzt als schadet. Dann nämlich kann ein solcher Gebrauchtmarkt auch ohne die Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen funktionieren. Leidtragender wird letztendlich der Einzelhandel sein. Diese Entwicklung ist aber bereits seit den Kindertagen der digitalen Distribution im Gange und ein ganz natürlicher Prozess. Diverse Anbieter aus dem Einzelhandel haben bereits Modelle entwickelt und den Sprung in die digitale Welt geschafft. Wer diesen Wechsel nicht wahrnimmt und entsprechende Maßnahmen ergreift, wird über kurz oder lang vom digitalen Markt verdrängt werden.
Dr. Daniel Schultheiss, Arne Müller / DM
Eine längere Fassung des Gebrauchtmarkt-Artikels lesen Sie in Ausgabe 02/2011 unseres Making Games Magazins. Mehr Branchen-News finden Sie zudem täglich auf MakingGames.de.
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