Guybrush Threepwood, Captain Jack Sparrow, Long John Silver: Allein die bloße Erwähnung von manchen Namen weckt schon eine immense Erwartungshaltung. Ähnlich ergeht es Adventure-Spielern mit dem Namen Bill Tiller, schließlich war er Teil jenes LucasArts-Teams, das seinerzeit den Klassiker The Curse of Monkey Island (92 Punkte im GameStar-Test) aus der Taufe hob.
Zwangsläufig sind die Hoffnungen also groß, wenn er ein eigenes Adventure präsentiert; und ebenso groß die Enttäuschung, wenn das Ergebnis ähnlich durchwachsen ausfällt wie bei Bill Tillers letztem Spiel A Vampyre Story (68 Punkte im Test). Nun präsentiert er mit Ghost Pirates of Vooju Island seinen zweiten Gehversuch - ausgerechnet ein Piraten-Adventure mit gleich drei spielbaren Charakteren, was den Vergleich mit LucasArts-Klassikern wie Monkey Island und Day of the Tentacle geradezu provoziert.
Charaktere & Bedienung
Die Kombination von karibischen Piraten, Geistern, Zombies und Voodoo (hier: »Vooju«) ist zunächst alles andere als originell. Aber Ghost Pirates of Vooju Island bringt eigene frische Ideen mit ins Spiel, allen voran die drei Hauptdarsteller: Es ist eine Notgemeinschaft dreier vollkommen gegensätzlicher Charaktere, lediglich vereint durch die Tatsache, dass sie durch den Verrat einer Vooju-Hexe in Geister verwandelt wurden.
Da wäre der kleine beleibte Koch Blue Belly, die findige und spitzzüngige Piratin Jane Starling und der weise, aber eingebildete Vooju-Hohepriester Papa Doc. Wie schon damals in Day of the Tentacle übernehmen Sie die Kontrolle über alle drei Charaktere gleichzeitig.
Dabei erzählt Ghost Pirates drei parallele Handlungsstränge mit verschiedenen Schauplätzen, die Wege der Geister kreuzen sich nur in den wenigen Zwischensequenzen. Wenn Sie mit einem der Protagonisten gerade festhängen, spielen Sie solange einfach einen der beiden anderen weiter. Oft fällt der Groschen erst später, dann wechseln Sie wieder zurück. Das ist praktisch. Ebenso hilfreich sind auch die Hauptdarsteller, die sie gerade nicht spielen. Denn diese können Sie zu jedem Gegenstand im Inventar befragen. Weiß der Koch Blue Belly nichts mit einem Vooju-Trank anzufangen, hilft Papa Doc gerne weiter, gilt es dagegen ein Schloss zu knacken, weiß Jane Starling Rat. Bei jedem Rätsel sollten Sie also die Mitstreiter stets im Hinterkopf behalten. Die melden sich ohnehin permanent zu Wort, denn durch ihre »geist«-ige Verbindung, können die drei telepathischen Kontakt halten, was dank der ungleichen Persönlichkeiten zu vorwitzigen Wortgefechten führt.
Rätsel & Balance
Die Geisterpiraten von Vooju Island nehmen ihrem Konkurrenten Guybrush aus den Tales of Monkey Island im Hinblick auf die Rätsel einiges an Land ab. Denn die Aufgaben fallen angenehm knifflig, fair und logisch aus. Außerdem sind sie schön miteinander verknüpft und gut in die spannende Handlung um den Verrat der Vooju-Hexe Queen Zimbi eingebunden.
Das klingt fast nach dem Optimum für die Rätselqualität, zumal bremsende Minispiele oder grobe Logikaussetzer fehlen. Allerdings fühlen sich Profis doch etwas unterfordert, denn von einer komplexen Verschränkung der drei Charakterebenen wie bei Day of the Tentacle kann hier keine Rede sein. Stattdessen spielen Sie die Handlungsstränge stets parallel vor sich hin. Auf der anderen Seite stören sich Einsteiger an einer fehlenden Hilfefunktion. Immerhin gibt es eine Anzeige für die Hotspots im Spiel, aber ähnlich wie schon bei A Vampyre Story übertreibt es das Spiel damit etwas. Gefühlte fünfzig Prozent der Interaktionspunkte dienen allein der Verwirrung oder der Unterhaltung. Weniger wäre hier mehr gewesen. Apropos Unterhaltung: So witzig manche Wortgefechte zwischen den drei Protagonisten auch sind, so aufgesetzt wirkt der Humor an vielen Stellen. Witze über Rosenkohl, Brokkoli oder Körpergeruch sind nicht gerade der Höhepunkt kreativen Frohsinns. Hier spielt der mächtige Piratenkollege Guybrush in einer anderen Liga.
Grafik & Umfang
Auch Adventure-Veteranen wie Bill Tiller sind nicht vor groben Schnitzer gefeit. In Ghost Pirates of Vooju Island fällt vor allem der magere Umfang von höchstens sieben Stunden Spieldauer, zumal motivierende Extras oder alternative Lösungswege fehlen.
Auch an der Grafik hapert es. Es gibt zwar sehr abwechslungsreiche und stimmungsvolle gezeichnete Hintergründe, aber den 3D-Figuren mangelt es dafür umso mehr an Details, scharfen Texturen und vor allem guten Animationen. Die wirken nicht nur äußerst hüftsteif, sondern werden auch an allen Ecken und Enden eingespart. Das macht sich besonders beim eigenwilligen Inventarsystem bemerkbar. Wie schon in A Vampyre Story nehmen Sie in Ihr Inventar keine Gegenstände auf, sondern lediglich die Erinnerung daran. Erst wenn Sie genau wissen, was Sie damit machen wollen, holt sich der Charakter das entsprechende Objekt. Damit will man die Logiklücke des unendlichen Inventars, in dem ganze Leitern, Bronzestatuen oder klavierspielende Affen Platz finden, schließen. Das ist ein lobenswerter Ansatz, sieht dank der fehlenden Animationen aber in der Praxis so aus: Wenn etwas Aufregendes im Spiel passiert, weil der Protagonist endlich eine zündende Idee hat, starren Sie während der Zeit oft nur einen schwarzen Bildschirm an. Weicht die Dunkelheit endlich, ist auch schon alles vorbei, die eigentliche Handlung zeigt Ghost Pirates nur selten. Bis sein Name den Klang eines Guybrush Threepwood oder Captain Jack Sparrow hat, muss Bill Tiller also noch ein ganzes Stück arbeiten.
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