Grab der Giganten - Medienkonzerne und die Spielebranche

Christian Schmidt über die Gründe, warum sich so viele Unterhaltungsriesen ausgerechnet an der interaktiven Unterhaltung die Finger verbrannt haben.

Warner Interactive entwickelt ein neues Herr-der-Ringe-Spiel, Der Krieg im Norden. Das Interessante an dieser Nachricht ist nicht das Spiel, sondern die Tatsache, dass es von Warner Bros. kommt, einem der weltgrößten Medienkonzerne.

Die Spielebranche ist das Grab der Unterhaltungsgiganten. Seit Jahrzehnten versuchen die riesigen Film- und Fernseh-Kolosse, das neue Medium zu erobern. Die meisten waren schnell wieder weg vom Fenster.

Virgin, der englische Riese, hatte von 1994 bis 1998 einen Interactive-Ableger, die Firma war der Geburtshelfer von Command & Conquer. Schließlich verkaufte man die meisten Rechte an Electronic Arts, den Rest an den französischen Publisher Titus.

Der deutsche Megaverlag Bertelsmann gönnte sich 1996 einen Spieleableger, ihm gehörte ursprünglich mal die GTA-Serie. Zwei Jahre später war das Abenteuer schon wieder vorbei.

Szene aus No One Lives Forever. Szene aus No One Lives Forever.

News Corp., das Medienimperium von Rupert Murdoch, hatte von 1994 die Tochterfirma Fox Interactive, die Aliens vs. Predator und No One Lives Forever herausbrachte. Aber am Ende auch so viel Mist wie Stirb Langsam: Nakatomi Plaza oder Die Simpsons Skateboarding, dass Vivendi 2003 die Reste schluckte.

Und es ist noch kein Jahr her, dass Sumner Redstone, des Chef des US-Fernsehkonglomerats Viacom (MTV), mit Midway auf die Nase fiel, das Millionen versenkte und 2009 Pleite ging. Immerhin gehört zum Viacom-Konzern noch das erfolgreiche Studio Harmonix (Rock Band), das zuletzt dadurch auffiel, dass es 39 Leute entließ.

Auch den deutschen Fernsehriesen geht’s nicht besser, RTL Interactive zum Beispiel spielt im Kernmarkt praktisch keine Rolle, ambitionierte Projekte wie Worldshift floppten.

Woran liegt’s? Zum einen haben die Giganten zwar viel Geld und Geltungsbewusstsein, aber selten Branchenahnung oder langen Atem, deshalb kaufen sie gern zu, statt selbst aufzubauen – oft mäßige Studios, überteuerte Lizenzen und Spiele, die kein anderer Publisher haben will. Der Spielemarkt kann ein riskantes Pflaster sein, was man leicht unterschätzt; wer schlecht durchdachte Produkte entwickelt, versenkt in Nullkommanichts zig Millionen, und zwar auf Nimmerwiedersehen.

Das nächste Spiel von Warner Bros. Interactive: The Lord of the Rings: War in the North Das nächste Spiel von Warner Bros. Interactive: The Lord of the Rings: War in the North

Zum anderen sind viele Medienhäuser durchaus in der Branche aktiv, aber in lukrativen Gebieten abseits des Kernmarkts: Kindersoftware (dort ist etwa Disney sehr stark), Handy-Games, Internet-Spiele. Die französische Firma Vivendi, mit Universal einer der großen Spieler im Unterhaltungsmarkt, besitzt de facto Activision Blizzard, immerhin den größten Spielepublisher der Welt. Die meisten Film-, Musik- und Fernsehriesen aber haben ihre Strategie angepasst: Warum sollten sie sich zwanghaft einen Weg in ein stark besetztes und mäßig ertragreiches Feld stemmen, wenn sie doch durch Lizenzierung ihrer Marken und Merchandising auch so schon ordentlich Geld in dieser Ecke verdienen, und das ohne gesteigertes Risiko?

Umso interessanter, dass Warner Interactive offenbar trotzdem mit Macht in den Hardcore-Markt will. Seit einigen Jahren kaufen die Amerikaner kräftig ein: Studios (Monolith, Snowblind, Surreal, Rocksteady), Marken (Herr der Ringe, Mortal Kombat), Firmenanteile (Eidos). Starke Filmlizenzen hat Warner sowieso im Portfolio, darunter Harry Potter und Batman. Das Engagement ist beeindruckend; und vor allem, so scheint es, langfristig. Womöglich wächst hier der nächste Großpublisher heran.

Vielleicht aber auch nur der nächste Pleitekandidat.

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