Seite 3: Grand Theft Auto 5 - Viel mehr als ein Spiel

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GTA ist Beschäftigungstherapie

Im Prinzip lassen sich Setting und Spielmechanik von GTA 5 mit einem Halbsatz zusammenfassen: mit der Welt anstellen, was wir wollen. Denn die positive Seite von Chaos ist die Freiheit. Und von der gibt's in GTA 5 mehr als je zuvor. Klar, an der grundsätzlichen Spielweise hat sich nichts geändert: Noch immer fahren, laufen und schießen wir uns durch eine gewaltige urbane Spielwelt und erledigen allerhand Aufträge. Aber allein die Anzahl an Nebenbeschäftigungen für die drei Hauptfiguren ist fast schon nicht mehr zu überblicken.

Wir spielen Golf, Tennis, nehmen an einem Triathlon teil, gehen jagen und wandern. Wir fahren Rennen mit Autos, Jet-Skis und Motorrädern, absolvieren Stuntflüge, klauen Autos und hängen mit unseren Freunden rum, um nur ein paar Aktivitäten zu nennen. Selbst wenn wir alle offensichtlichen Marker auf der Karte abgehakt haben, finden wir auch nach zig Stunden noch neue Inhalte, beispielsweise versteckte Peyote-Kakteen, die unsere Figuren auf einen Drogentrip schicken und sie in Tiergestalten verwandeln.

Die Ego-Ansicht wird sich per Maus und Tastatur sicherlich um einiges griffiger spielen als mit Gamepad. Die Ego-Ansicht wird sich per Maus und Tastatur sicherlich um einiges griffiger spielen als mit Gamepad.

Man kann natürlich auch ganz unabhängig von diesen Beschäftigungen seine eigenen Abenteuer erleben, sich mit dem Gesetz anlegen, das perfekte Auto tunen oder im Ingame-Internet surfen. Weil wir uns komplett darin verlieren könnten, all die Möglichkeiten aufzuzählen, machen wir es kurz: Allein im Solomodus kann man in GTA 5 locker 100 Stunden verbringen.

Wenn man sich denn dazu motivieren kann. Denn anders als bei vielen Genrekollegen verzichtet Rockstar gerade im freien Spiel abseits der Missionen auf eine penible Spielerführung. Zwar gibt's wie bei GTA San Andreas diverse Skills, die wir mit nahezu jeder Aktion verbessern, um beispielsweise ein fähigerer Pilot, ein besserer Schwimmer oder ein ausdauernder Läufer zu werden - aber ganz unmittelbar bringen viele Aktivitäten keinen Mehrwert abseits davon, dass sie Spaß machen.

Heutzutage fühlt es sich wirklich kurios an, dass durch das Tennisspielen keine Leiste gefüllt wird, wir beim Golf keine neuen Waffen freischalten und mit Freunden allein deshalb um die Häuser ziehen, um den skurrilen Gesprächen zuzuhören. Wer nicht die Muße mit sich bringt, seine Zeit in San Andreas eigenständig zu verplanen, lässt sich folglich viel entgehen.

GTA ist linearer als früher

Allerdings werden gerade Freunde linearer Unterhaltung ihre Freude mit den Hauptmissionen haben. Wer sich an den großen Bankraub aus GTA 4 erinnert, der kann sich eine Vorstellung davon machen, in welche Richtung das Missionsdesign des Nachfolgers geht. Viele der knapp 70 Aufträge sind spektakulär inszeniert, punkten mit bombastischer Action und kinoreifen Zwischensequenzen. Beispielsweise kapern wir mit Trevor ein Frachtflieger, indem wir etliche Meter über dem Boden ein kleines Propellerflugzeug im Frachtraum versenken und uns bis zum Cockpit vorarbeiten. Im Anschluss übernehmen wir das Steuer, müssen aber vor Kampfjets fliehen, nur um im Anschluss mit Fallschirm im Gepäck wieder von Bord zu hüpfen.

Wir sind gespannt, wie der Nahkampf aus der Egoperspektive mit Maussteuerung funktioniert. Wir sind gespannt, wie der Nahkampf aus der Egoperspektive mit Maussteuerung funktioniert.

Noch beeindruckender sind die Heist-Missionen, groß angelegte Raubzüge, in denen Michael, Franklin und Trevor eine Crew rekrutieren und einen Überfall planen. Bereits für den ersten Bruch müssen wir einen Juwelier auskundschaften, heimlich Fotos von den Sicherheitsvorkehrungen knipsen, um schließlich über das Dach Betäubungsgas einzuleiten und innerhalb von einer Minute die Vitrinen leerzuräumen. Im Anschluss flüchten wir per Motorrad durch die Straßen von Los Santos, biegen in düstere Kanalschächte ein und schütteln die Cops letztlich im Aquädukt ab.

Das spielt sich wie ein Actionfilm und ist im Vergleich zu späteren Heists sogar noch harmlos. Die lineare Inszenierung merkt man vor allem im Detail: Dass uns beispielsweise ein Bus plötzlich die Ausfahrt blockiert, macht die Verfolgungsjagd spannender, ist aber ein geskriptetes Ereignis, das nur funktioniert, weil unsere Fluchtroute strikt vorgegeben ist.

Das ist der Preis, den GTA 5 für sein bombastisches Missionsdesign zahlt - vielen Einsätzen fehlt die kreative Freiheit, die alte Serienteile noch ermöglicht haben. Man erinnere sich nur an den Raketenwerfer als Universalabkürzung in vielen Missionen von GTA 3. Das soll nicht heißen, dass Teil fünf keinerlei Entscheidungsfreiheit bietet - sie steckt nur in einem wesentlich engeren Korsett. So können wir bei jedem Einbruch zwischen mehreren Vorgangsweisen wählen und uns in diversen Beschaffungsmissionen je nach Methode Utensilien für einen lauten oder leisen Weg organisieren.

Auch die gewählte Spielfigur macht einen Unterschied. So schleichen wir uns entweder als Michael über einen Frachter oder geben als Franklin per Scharfschützengewehr Feuerschutz, während Michael vom Computer gesteuert wird. Und in manchen Missionen schwingt dann doch wieder die alte Freiheit mit: So müssen wir ungesehen einen Typen vor einem Hotel erledigen, können aber keine Haftbombe an dessen Auto platzieren, weil die Bodyguards das mitkriegen. Jetzt könnten wir ein Gewehr benutzen oder wir pflastern schlicht die Ausfahrt ein paar Meter weiter weg von oben bis unten mit Haftminen und verkrümeln uns klammheimlich, während das Feuerwerk losgeht.

GTA ist ein Biest

Mit jedem Aspekt, den man bei GTA 5 anspricht, läuft man Gefahr, ein neues Fass zu öffnen. Es ist schlicht ein Biest von einem Spiel. Was Rockstar hier an Inhalten verkauft, sucht seinesgleichen. Und die Next-Gen-Version trumpft gegenüber dem Last-Gen-Release nochmal ordentlich auf: über 160 neue Musiktracks, neue Waffen, Autos, Aktivitäten (wie die erwähnten Drogentrips) und die Egoperspektive, um nur einige Features zu nennen. Los Santos ist gigantisch, aber die wahre Magie liegt im Detail.

Wenn wir beispielsweise jemanden verprügeln und die Passanten ihre Smartphones zum Bilderknipsen zücken statt wegzulaufen. Oder wenn wir einen Pop-Radiosender anschalten und Trevor ihn selbstständig umstellt, weil er die Musik schrecklich findet. Oder wenn unsere Flipflops tatsächlich mit jedem Schritt »floppen«. Solche Momente sind Ausdruck davon, wie viel Liebe zum Detail in den Straßen von Los Santos steckt. GTA 5 ist ein Meisterwerk.

Die Ego-Ansicht erhöht die Immersion spürbar. Hier schaut Tervor auf sein halb zerstörtes Smartphone. Die Ego-Ansicht erhöht die Immersion spürbar. Hier schaut Tervor auf sein halb zerstörtes Smartphone.

Dass es dabei mindestens so deprimierend wie gut ist, hat eher einen ideellen Grund: Es nimmt die Gesellschaft Stück für Stück auseinander - von seinen Figuren über die Handlung bis hin zu solchen Details wie der Smartphone-Reaktion der Passanten hält Los Santos unserer Welt den Spiegel vor und drückt ihr an allen Ecken und Enden den Heuchlerstempel auf. Familie, Bildung, Staat, Facebook, Geld, Besitz, das alles zerpflückt das Spiel gekonnt. So sagt Michael nicht ohne Grund, Sarkasmus sei das Letzte, was ihm niemand wegnehmen könne.

Besonders deutlich wird das in der martialischen Foltersequenz, in der Trevor in einem düsteren Keller einen vermeintlichen Terroristen verstümmelt, während Michael auf Basis der Infos durchs Reichenviertel von Los Santos fährt, Lady Gaga im Radio läuft und ein paar Passanten unseren Sportwagen knipsen. GTA 5 zerrüttet, ohne etwas zu errichten, es kritisiert die Postmoderne und ist selbst durch und durch Ausdruck unserer Zeit. Schon allein deshalb sollte es jeder spielen.

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