Gute Community, gutes Spiel - Vier Fremde für ein Halleluja

Bei Onlinespielen entscheidet nicht nur der Entwickler über die Qualität seines Spiels. Viel wichtiger sind oft die Spieler selbst, die Community. Unser Autor Philipp Elsner träumt dank guter Mittäter deshalb inzwischen vom perfekten Bankraub in PayDay 2.

»So ein blöder Penner!«, entfährt es mir lautstark und ich schmeiße frustriert das Headset neben den Monitor. Und das, obwohl ich mir schon zigmal vorgenommen hatte, mich nicht mehr ärgern zu lassen. Aber manchmal geht es dann doch wieder mit mir durch, wenn das Geflame wieder überhandnimmt, wenn grenzenlose Egozentrik wieder über Teamwork steht und wenn gehässige Mitspieler wieder jeden und alles für eine Niederlage verantwortlich machen - außer sich selbst.

»Mid or leave« schreibt ein Spieler als erstes in den Lobby-Chat von League of Legends, nachdem genug Mitspieler zusammengefunden haben. Eine Drohung die so viel bedeutet wie »Ich spiele auf der mittleren Position, oder ich verlasse sofort nach dem Start das Match«. Da der Verlust eines Spielers meist die sichere Niederlage bedeutet, lässt das Team den Egotrip widerwillig durchgehen und teilt sich entsprechend auf die anderen Positionen und Rollen auf - der Chatroom schon vor Partiebeginn voll mit mehr Beschimpfungen, als mir pro Woche einfallen würden.

Nach etwa zehn Minuten Spielzeit ist unser Spieler auf der Mittelposition drei Mal getötet worden und fängt an, verbal durchzudrehen: Die anderen im Team seien schuld, er würde keine Hilfe bekommen und überhaupt seien wir alle unfähig. Er droht uns, dass er uns alle melden wird und verlässt das Spiel. Game over.

»Ich werde dich melden!«

Meine Spielerfahrungen in League of Legends sind so ambivalent, wie in keinem anderen Spiel: Einerseits habe ich unzählige Stunden mit meinen Freunden im Team verbracht und dabei, egal ob Sieg oder Niederlage, riesigen Spaß gehabt. Umso mehr macht es mich traurig, wenn diese guten Erfahrungen von der Community nicht nur getrübt, sondern regelrecht zerstört werden.

Philipp Elsner

So gut wie jeder LoL-Spieler und auch die Entwickler von Riot Games können ein Lied davon singen, wie es um die Stimmung und den Umgangston in dem Free2Play-Titel bestellt ist: Erst kürzlich schaltete das Studio auch die öffentlichen Chatrooms von League of Legends ab, da diese »von Störenfrieden und negativen Beiträgen überquellen«, so die offizielle Begründung. Auch der sogenannte »Summoner's Code«, Riots eigens entworfenes Regelwerk für ein vorbildliches Verhalten im Spiel, wird von den meisten Spielern nicht beachtet - viele kennen ihn nicht einmal.

Die zugehörige Meldefunktion, mit der diese Regeln durch ein Community-Tribunal durchgesetzt werden sollen, wird dabei ebenfalls Opfer von Missbrauch: Statt den ordentlichen Spielern nutzen vor allem die Feindseligen und Boshaften (wie der eingangs erwähnte Mitspieler) die Funktion und drohen Teamkameraden mit »Reports«. So geht das Konzept nach hinten los und wird zum Troll-Werkzeug.

Auf der GDC 2013 hielt Jeffrey Lin von Riot Games einen interessanten Vortrag zum Thema soziales Spielerverhalten in Onlinespielen und zeigte dabei auch Beispiele aus League of Legends. Unter dem Motto 'The Science Behind Shaping Player Behavior' gewährt der Lead Social Designer und studierte Psychologe mit einem Team einen Einblick in das komplexe Themenfeld. » Zum Video-Vortrag

League of Legends ist jedoch bei weitem kein Einzelfall. In den meisten anderen Online-Spielen steht und fällt der Spielspaß mit der Community. Dass es aber nicht immer so rabiat und beleidigend zugehen muss, beweist mir der Banküberfall-Shooter PayDay 2. Wie viele andere bin ich nach der Schnäppchenjagd im Steam-Sale eingestiegen und zunächst sehr skeptisch: Ein Koop-Shooter mit wildfremden aus dem Netz spielen? Das kann ja nur schief gehen!

In der Lobby dann die erste erfreuliche Erfahrung: »You are low level, do you need help? We will show you what do to, just follow us«. Unerwartet bekomme ich als Neuling Hilfe angeboten, anstatt wegen meiner fehlenden Erfahrung niedergemacht zu werden. Klar werfen mich hin und wieder Spieler in weitaus höheren Level-Bereichen aus der Lobby, aber ich bekomme in den ersten zehn Spielstunden keine Kraftausrücke an den Kopf geworfen. Ganz im Gegenteil: Per Chat und Push-to-Talk versuchen sich die Vierer-Teams zu koordinieren - jeder will gewinnen, alle ziehen an einem Strang.

Teamwork statt Egotrip

Wer in PayDay 2 mit seinen drei Kollegen zusammenarbeitet, macht größere Beute. Und den meisten Spielern hier scheint das auch klar zu sein. So kommt bei mir nach einigen Runden sogar mit einer Gruppe Wildfremder ein echtes Wir-Gefühl auf. Nachdem wir uns für den nächsten Überfall auf heimliches Vorgehen geeinigt haben, klappt sogar, was ich zuvor für unmöglich gehalten habe: Wir schleichen uns durch das ganze Level, keiner gibt einen unüberlegten Schuss ab oder tanzt aus der Reihe. Nach dem Match verabschieden wir uns und ich sehe wenig später zwei neue Freundschaftsanfragen in Steam aufploppen. In mehreren Jahren League of Legends ist mir so etwas in öffentlichen Online-Partien noch nicht passiert!

Nach einigen Überfällen, gemeinsamen Aufleveln und Planen, kann in PayDay 2 etwas wie Kameradschaft entstehen. Nach einigen Überfällen, gemeinsamen Aufleveln und Planen, kann in PayDay 2 etwas wie Kameradschaft entstehen.

Ich fange an mich zu fragen, warum so viele Spieler so hasserfüllt an ein Spiel herangehen. Denn letztlich ist jedem - und auch den Trollen und Leavern - klar, dass die Spielerfahrung für jeden einzelnen durch Respekt und Teamwork eine bessere ist. Ob es also vom Spiel abhängt? Ziehen unterschiedliche Spiele auch unterschiedliche Mengen von Idioten an? Oder ist bei Massenphänomenen wie League of Legends oder Dota 2 die Wahrscheinlichkeit einfach größer, auf Deppen zu treffen? Eine Antwort darauf habe ich zwar noch nicht gefunden. Trotzdem bin ich um die neugewonnene Erfahrung froh, dass es auch nette Mitspieler da draußen gibt, die mein Gemecker und meine Nörgelei hier Lügen strafen.

Bitte nicht füttern

Im Falle von League of Legends komme ich trotz des schlimmen Umgangs immer wieder zurück. Spaß machen mir die Partien nämlich immer noch, aber allein spiele ich nur noch sehr selten. Steht grade niemand in meiner Freundesliste bereit, beende ich den Client oft lieber, als mit Fremden zu spielen. Schade eigentlich.

Stellvertretend für das ganze Genre gilt League of Legends oft als Paradebeispiel für schlechtes Spielerverhalten, aber auch in anderen MOBAs ist der Umgang rau. Stellvertretend für das ganze Genre gilt League of Legends oft als Paradebeispiel für schlechtes Spielerverhalten, aber auch in anderen MOBAs ist der Umgang rau.

Mit meinen Erfahrungen bin ich da sicherlich nicht allein. Jeder Freund und Kollege, der irgendwann einmal League of Legends gespielt hat, kann von vielen ähnlich frustrierenden Erlebnissen berichten. Und da sich ja offenbar alle einig sind, dass sich an den Umgangsformen in der Community etwas ändern muss, ist mir dieses Phänomen noch viel weniger begreiflich.

Was also tun? Sollen wir aufhören, Free2Play-Titel oder MOBAs zu spielen? Natürlich nicht. Vielmehr sollten wir uns nicht ärgern lassen, nicht das Headset hinschmeißen. Stattdessen ist es das Beste, ruhig zu bleiben und sich nicht zu unüberlegten Reaktionen hinreißen zu lassen. Wer zurückbrüllt, erntet nur mehr Gegenwind und der Ton verschärft sich weiter.

»Don't feed the troll«, lautet eine viel zitierte Internet-Weisheit. Das stimmt: Wer Störenfrieden den Wind aus den Segeln nimmt, anstatt sich auf Streitereien einzulassen, kann bereits viel bewirken. Denn einen zivilisierteren Umgang im Netz hat nicht nur League of Legends bitter nötig.

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