Gute Helden, schlechte Helden - Wie erschafft man den perfekten Spielehelden?

Wie erschafft man den perfekten Spielehelden? Komplexe Hintergrundgeschichte oder ein ikonenhaftes Aussehen? Witzige Klischees oder interessante Gegensätze? Ein Überblick.

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Im wahren Leben können eigentlich interessante Charaktere ziemlich nerven. Sie sitzen im ICE neben uns und halten nicht die Klappe. Sie reißen andauernd dämliche Witze. Sie riechen komisch. Sie haben immer einen unpassenden Kommentar auf den Lippen. Sie haben Eigenheiten, bei denen wir peinlich berührt wegschauen. Nein, im wahren Leben ist es viel angenehmer, von Langweilern umgeben zu sein. Leute, die uns nicht vollquatschen. Leute, die unauffällig aussehen und leise reden. Leute, die sich immer angemessen zu verhalten verstehen, wenn man sich mit ihnen in der Öffentlichkeit zeigt. In der Fiktion ist es umgekehrt. Wenn wir Geld für ein Unterhaltungsprodukt ausgeben -- sei es ein Spiel, ein Film oder ein Buch -- dann wollen wir einzigartige und unvergleichliche Typen erleben. Für eine überschaubare Zeit wollen wir Teil ihres Lebens sein, über ihre Marotten lachen, über ihre Nonkonformität staunen. Da wollen wir uns mit unvergesslichen Charakteren abgeben, die all das tun, wozu wir uns nicht trauen. Denn wir selbst sind schließlich die größten Langweiler.

Der Held mit Knöpfen

Computerspiele brauchen eigentlich keine Helden. Denn der Held ist der Spieler. Er allein vollbringt die Höchstleistung, wird bejubelt. Die Spielfigur ist nur seine Marionette. Möchte man es höflicher ausdrücken: sein Avatar. Und gibt es nicht so unendlich viele Spiele, die Welterfolge sind, ohne eine Hauptfigur mit individuellen Charakterzügen zu bieten?

Um eine Ikone zu erschaffen, braucht es keine ausgefeilte Hintergrundgeschichte. Mario ist das beste Beispiel. Um eine Ikone zu erschaffen, braucht es keine ausgefeilte Hintergrundgeschichte. Mario ist das beste Beispiel.

Wozu tiefgründige Figuren entwickeln? Schließlich verbessert es nicht nur das Gameplay, schlimmstenfalls will der Spieler sich auch gar nicht so verhalten, wie es seiner Spielfigur zusteht. Nein, der Spieler will Spaß und schnellen Erfolg. Nichtsdestotrotz streben wir nach Charakteren, nach Figuren, nach Maskottchen. Sie sind es, die in den Mittelpunkt vieler Spielepackungen rücken. Es wird immer Spiele geben, die keine Charaktere brauchen oder mit Figuren von der Stange auskommen. So wie es Filme gibt, die Spektakel statt Tiefe verkaufen. Wer aber in Spielen mit Figuren arbeitet und ihnen Charakter mitgeben will, sollte sich frühzeitig im Design-Prozess folgendes fragen:

Genre und Handlung

Natürlich bieten Adventures oder Rollenspiele von Natur aus mehr Möglichkeiten eine Hauptfigur herauszuarbeiten, als das in anderen Genres möglich wäre. In klassischen Actionspielen oder Ego-Shootern reicht es hingegen meist aus, den erzählenden Rahmen und damit die Charakterisierung in kurzen einführenden Zwischensequenzen abzuhandeln oder gar ganz darauf verzichten. Andere Actiontitel, besonders diejenigen mit Sandbox-Charakter wie etwa GTA 4, wollen den Spieler jedoch mit einer realistischen Welt ansprechen, zu der auch lebensechte Figuren gehören. Wer mit Charakteren arbeiten und sie zu einem echten Herausstellungsmerkmal machen will, muss das im Design verankern.

Mittel zur Charakterisierung

Das Ziel, eine überzeugende Hauptfigur zu haben, ist schnell formuliert. Doch das Spiel muss die Figur auch so agieren lassen, dass sich Charakterzüge zeigen. Eine Figur kann schnell durch das Auflisten von Eigenschaften umrissen werden. Entscheidend ist allerdings, mit welchen Mitteln eine Figur im Spiel agiert, sich äußert und gesteuert wird. Manchmal geht das mit minimalem Einsatz. Das 1996 erschienene Duke Nukem 3D etwa hat nur mit dem Packungsdesign und markigen Einzeilern (die von einem passenden Sprecher vorgetragen werden) eine legendäre Hauptfigur geschaffen -- eine Figur, die man im Spiel selbst bestenfalls als Pixelhaufen sieht. Keine tiefgründige Hintergrundgeschichte, keine Dialoge, keine anderen Figuren, mit denen interagiert wird...

Woran Helden scheitern

Die Spielegeschichte ist voller Helden, die ihr Publikum gefunden haben, ja sogar zu Ikonen geworden sind. Aber es gibt auch gefallene Helden, die eine Identifikation schwer oder sogar unmöglich gemacht haben. Problematisch sind Antihelden. Ein sarkastischer Typ wie John McClane aus Stirb Langsam funktioniert auf der Leinwand zwar wunderbar, aber viele Spieler würden sich in dessen Rolle unwohl fühlen und die typischen McClane-Sprüche vielleicht sogar abstoßend finden. Auch zynische Typen funkionieren nur bedingt. Die beiden Tony Tough-Adventures wurden in Testberichten stellenweise wegen ihrer Hauptfigur abgelehnt, weil diese immerzu sarkastische Sprüche äußert. Eher unbeholfene und auf nette Weise trottelige Hauptfiguren machen die Identifikation hingegen leichter, weil sich in ihren Charakterzügen die Schwächen eines jeden Menschen widerspiegeln.

...Eine Figur kann nur ein Maskottchen sein - Mario oder Sonic sind die besten Beispiele. Ihre Charakterzüge und die Geschichten, in denen sie sich bewegen, sind entweder banales Mittel zum Zweck oder nicht vorhanden -- und das ist völlig legitim. Ihr Charakter erschöpft sich in den Reaktionen auf das Knöpfedrücken des Spielers. Diese Figuren werden nur an ihren Taten gemessen, nicht an ihrer Moral.

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