Seite 2: Hall of Fame: Pirates! - Sechs Pixelhäuser um des Toten Manns Kiste

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Schmecke den kalten Stahl!

Im Nachhinein weiß ich natürlich, dass ich bei Pirates! zum ersten Mal der Faszination einer Sandbox erlegen bin (in zehn Jahren wird eine ganz andere Generation ähnlich über Minecraft denken; oder über Skyrim), aber damals überwältigte mich diese offene Welt mit ihren dynamischen Ereignissen und rätselhaften englischen Ausdrücken.

Bei Land- und Seeschlachten kommt es am Ende zum Säbelduell mit dem feindlichen Kommandanten. Bei Land- und Seeschlachten kommt es am Ende zum Säbelduell mit dem feindlichen Kommandanten.

War das als »wealthy« beschriebene Havanna nun reicher als das »prosperous« genannte St. Kidds? Zu beiden Adjektiven spuckte der Langenscheidt ähnliche Übersetzungen aus, das war gleichzeitig verwirrend und faszinierend.

Und wo genau befand sich der Florida Channel, jener mysteriöse Ort, von dem die spanische Schatzflotte zurück nach Europa segelte und sich damit feige meinen beachtlichen Schwertkampf-Fähigkeiten entzog (als Anfangsbonus wählte ich nämlich immer »skill at fencing«, hauptsächlich, weil ich keine Ahnung hatte, was »wit and charms« bedeutete und »skill at medicine« tat)? Als ich sie endlich aufgespürt hatte - der Florida Channel befand sich überraschenderweise bei Florida - und restlos aufrieb, war das fast so befriedigend wie der Moment, an dem ich dieses verdammte Gran Granada entdeckte und um seine Goldreserven erleichterte. Es versteckte sich übrigens tief im Landesinneren, aber nicht mit mir!

Pirates! Gold erschien 1993 und wurde hauptsächlich optisch aufgehübscht. Pirates! Gold erschien 1993 und wurde hauptsächlich optisch aufgehübscht.

Das doppelte Remake

Usprünglich erschien Pirates! 1987 für den PC und wurde anschließend für die damals gängigen Heimcomputer (C64, Amiga, Atari ST, Apple 2) umgesetzt. 1993 folgte mit Pirates! Gold das erste Remake: Statt der hässlichen CGA-Grafik der Ur-Version gab's jetzt eine hübsche Super-VGA-Optik sowie Mausunterstützung. Spielerisch waren die beiden Versionen allerdings nahezu deckungsgleich. Erst 2004 erschien mit Sid Meier's Pirates ein vollständig überarbeitetes Remake (GameStar-Wertung: 82 Punkte). Die klassische Spielmechanik wurde beibehalten, allerdings um etliche neue Elemente ergänzt. So gibt's beispielsweise Upgrades für die Schiffe, Tanz-Einlagen mit den Gouverneurstöchtern und eine (rudimentäre) Geschichte. Das zweite Remake ist übrigens erstaunlich gut gealtert und macht auch heute noch Spaß. Bei Steam ist es für rund 10 Euro zu haben, die Retail-Version wird von einigen wenigen Händlern deutlich teurer angeboten.

Die Fantasie spielt mit

Ich weiß nicht, ob es heute einfach keine Spiele wie Pirates! mehr gibt - oder ob ich einfach nur zu alt geworden bin, um ihnen mit jener kindlichen Neugier zu begegnen, die aus einer hässlichen Pixelwelt ein atemberaubendes Erlebnis machte, das mich auch 25 Jahre später noch begleitet. Ein Erlebnis, das so untrennbar mit meiner Kindheit verbunden ist wie das Fußballtraining bei Flutlicht auf dem Hartplatz, die wundervollen schulfreien Samstage auf der Couch mit der neuen ASM-Ausgabe oder die panische Angst vor der Mathearbeit, wenn ich auch den Sonntag sinnvoll (niemals sinnlos, oh nein, niemals sinnlos) vertrödelt hatte.

Dieser Merchantman ist fällig. Dieser Merchantman ist fällig.

Vielleicht bin ich tatsächlich zu alt, um Spiele emotional so nahe an mich heranzulassen. Aber manchmal denke ich, dass das Medium diese Kunst in jenem Moment verloren hat, als es laufen lernte, als es uns nicht mehr dazu zwang, sechs gelbe Pixelhäuser skizzenhaft als Stadt zu akzeptieren und den Rest mit Fantasie aufzufüllen. Spiele wie Pirates! erforderten eine kreative Eigenleistung, die Magie fand in meinem Kopf statt, nicht auf dem Bildschirm, und keine noch so hoch aufgelöste Palme und aufwendig texturierte Stadt wird mir jemals so nachhaltig im Gedächtnis bleiben wie die Django Sloop. »Aber die hast du dir doch bloß eingebildet«, könnte jetzt ein Schlaubi-Schlumpf einwenden. Genau deshalb ja, Schlaubi. Genau deshalb.

Pirates!
Piraten-Simulation

PUBLISHER: Microprose
ENTWICKLER: Microprose
QUELLE: Archiv / GOG
SPRACHE: Englisch

SO LÄUFT'S: MicroproseMicroproseArchiv / gog.comEnglischDie Ur-Fassung von 1987 und die Gold-Version gibt's im Bundle für rund 6 US-Dollar bei gog.com. Beide Versionen funktionieren mit dem Tool Dos-Box, gog.com liefert die korrekten Einstellungen gleich mit.

Fazit: Die legendäre Piraten-Simulation begründete Sid Meiers Ruf als Spieldesign-Guru.

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