Halo Wars dürfte Fans von guter Echtzeit-Strategie traurig machen. Oder zumindest melancholisch. Denn bei Erscheinen der ursprünglichen Xbox-360-Version im Jahr 2009 war es quasi das letzte Geschenk einer ausklingenden Ära, das finale Spiel von Ensemble Studios, bevor der Laden dichtgemacht wurde. Und wer sich jetzt fragend am Kopf kratzt: Ensemble Studios waren die Leute hinter Age of Empires 1, Age of Empires 2 und Age of Mythology - meisterhaften Urgesteinen der Echtzeit-Strategie.
Umso blöder, dass ihr letztes Spiel ursprünglich nur auf Microsofts Konsole erschien. Bis jetzt! Mit der Definitive Edition bringt der Publisher Halo Wars 1 als Teil der Vorbesteller-Edition von Halo Wars 2 auch auf den PC, und das sogar in einer Remastered-Variante mit aufgehübschter Grafik und zeitgemäßer Serverstruktur innerhalb des hauseigenen Play-Anywhere-Programms.
Dieses Extras sind aber nicht der Grund, der Halo Wars auch 2017 gerade für PC-Spieler so interessant macht. Denn als größter Pluspunkt dieses Spiels entpuppt sich eindeutig die tolle Singleplayer-Kampagne - zumindest unter gewissen Voraussetzungen.
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Wo bekomme ich Halo Wars? Halo Wars wird in der Definitive Edition für den PC aktuell nur im Bundle mit der Vorbesteller-Edition von Halo Wars 2 für 70 Euro im Windows Store verkauft. Im Rahmen der Preorder-Boni ist der erste Teil seit dem 20. Dezember 2016 im Early Access spielbar. Early Access heißt hier allerdings »Vorab-Zugang zum kompletten Spiel« und nicht wie Steam »Zugang zur unfertigen Version«. Ein unabhängiger Release von Halo Wars 1 ist nach Erscheinen des Nachfolgers äußerst wahrscheinlich. Oh, und Teil Eins lässt sich im Rahmen von »Play Anywhere« auch problemlos auf der Xbox One spielen.
Endlich eine ordentliche RTS-Kampagne!
Wir machen jetzt mal einen kleinen Lesertest, um rauszufinden, ob Ihnen Halo Wars Spaß machen wird. Lesen Sie dazu bitte zuerst den folgenden Absatz: Halo Wars spielt im Jahr 2531, knapp 20 Jahre vor den Ereignissen des allerersten Halo: Combat Evolved. Die UNSC Spirit of Fire schwebt über den Ruinen des »geglasseden«, aber zurückeroberten Planeten Harvest - ein Pyrrhussieg, den die Erdtruppen nur mit Hilfe der SPARTAN-II-Commandos gewinnen konnten.
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Doch die Allianz heckt offenbar schon einen neuen Plan aus: UNSC-Sergeant Forge erspäht auf der Planetenoberfläche den Arbiter und seine Truppen, der in einer Blutsväter-Architektur auf Befehl des Propheten Regret nach einer geheimen Waffe sucht. Im Streit darüber entbrennt die umfangreiche Kampagne mit ihren knapp 15 Missionen.
So. Alles verstanden? Falls nicht, dann treffen Sie genau den Kern des größten Problems der Halo-Wars-Kampagne: Sie wurde in erster Linie für Fans der Shooter-Serie gemacht. Das ärgert PC-Spieler, denn bis heute sind lange nicht alle Halo-Teile für PC erschienen (streng genommen sogar die wenigsten).
Aliens vs. Menschen. Noch Fragen?
Klar, die Rahmenhandlungen dürfte man so oder so halbwegs nachvollziehen können - das Setting »Menschen vs. Aliens« klingt ja auch recht eingängig. Aber die hervorragend inszenierten Zwischensequenzen von Halo Wars setzen voraus, dass Ihnen diese ganzen Fraktionen, Namen und Einheiten bereits im Vorfeld etwas bedeuten.
Das Halo-Universum hat eine extrem reichhaltige Hintergrundgeschichte, gefüttert durch unzählige Bücher, Comics und Spiele. Fans dieses Kanons bekommen hier eine tolle Prequel-Geschichte, die die Anfänge des erbitterten »Human-Covenant-War« ins Zentrum rückt. Die Entwickler haben die SciFi-Welt mit sehr viel Liebe zum Detail umgesetzt, die Spartaner greifen beispielsweise auf exakt das gleiche Waffenarsenal zurück wie der Master Chief in den Shooter-Ablegern der Serie. Und wenn die kleinen Supersoldaten einen feindlichen Banshee-Jäger knacken, indem sie die Pilotenkanzel mit der Faust zu Klump hauen, dann seufzt der Fan vor Freude.
Fachfremde müssen jedoch damit leben, dass das Setting sie wahrscheinlich weniger in seinen Bann zieht - die Kampagne bleibt unterm Strich aber trotzdem durchweg unterhaltsam. Das liegt nicht zuletzt an dem tollen Missionsdesign.
Deftige Volksküche
Die Spielmechanik von Halo Wars ist wie deftige Volksküche. Es verzichtet auf ein ausgeklügeltes Rezept aus unzähligen, fein-aromatischen Zutaten, verrührt stattdessen grobe Kost zu einem deftigen Gericht, das am Ende trotzdem ziemlich gut schmeckt. Im Vergleich zu den Total-War-Spielen oder Dawn of War 2 wirken die Gefechte stark reduziert: Es gibt zwei spielbare Fraktionen (Menschen und Aliens), die sich Panzer, Soldaten und Flugzeuge auf den Hals hetzen. Eine eigene Kampagne haben nur die Menschen der UNSC.
Spielerisch erwartet uns kompakten Basisbau, bei dem wir an vorgegebenen Stellen Fabriken, Reaktoren oder Kasernen zusammenschrauben. Ein paar Extras gibt's dann aber doch: Alle Einheiten lassen sich upgraden, Flugzeuge bekommen beispielsweise kleine Bordschützen, und unsere Truppen sammeln Erfahrung, um Veteranenränge freizuschalten.
Die »Skirmish Matches« spielen sich flott und unterhaltsam, aber eben wie die Einsteiger-Variante moderner RTS-Titel. Profis dürften die KI in diesen schnellen Gefechten recht schnell aufs Kreuz legen. Doch wo den »2 vs. 2«- oder »1 vs. 1«-Schmarmützeln nach einer Weile die Luft ausgeht, bleibt die Kampagne bis zum Schluss spannend, weil sie die einfachen Spielmechaniken immer wieder aufs Neue clever kombiniert.
Mal müssen wir mit zwei Panzern in die Gruft einer antiken Alien-Rasse stürmen, um Sergeant Forge und seine Leute zu retten. An anderer Stelle wird die Menschenstadt Arcadia von Feinden überfallen, wir müssen die Fluchtschiffe und Zivilistenströme an der Seite der Spartans in einem gnadenlosen Rückzugsgefecht verteidigen.
Koop-Kampagne! Hach!
Im nächsten Auftrage fliehen wir mit einer Handvoll Soldaten und bauen in einer Grube ein verzweifeltes Verteidigungsnest, das wir bis zur Ankunft von Verstärkungstruppen halten müssen. Doch die Vergeltung am Ende ist dafür umso süßer. Halo Wars würzt jede dieser Missionen mit Nebenaufgaben - im gerade erwähnten Beispiel erscheint plötzlich ein gegnerischer Artillerieturm, der unser Nest beharkt.
Wir können uns starrsinnig verbunkern oder riskieren eine schnelle Flucht nach vorn, um das Ding trotz angreifender Feinde auszuschalten. Und das Sahnehäubchen: Die komplette Kampagne funktioniert auch im Koop mit einem Kumpel.
Zu zweit teilt man sich die heimische Basis. Jeder Spieler lenkt die Truppen, die er selbst damit gebaut hat. Fehlt in einer Mission der Basenbau, dann kriegt jeder eine Hälfte der verfügbaren Truppen. Das funktioniert reibungslos, auf höchstem Schwierigkeitsgrad bleibt Halo Wars auch im Koop eine knallharte Erfahrung. Lediglich der gemeinsame Ressourcen-Pool nervt ein wenig, weil man seine Truppenrekrutierung permanent mit dem Kollegen abstimmen muss. Trotzdem: Gemeinsam spielt sich Halo Wars extrem launig, gerade weil RTS-Titel mit Koop so eine Seltenheit sind.
Tolle Technik mit Hindernissen
Einen Zahn müssen wir der PC-Portierung aber ziehen: Auch wenn sie technisch reibungslos läuft, ist die Anpassung auf Maus und Tastatur durchaus verbesserungswürdig. Klar, ganz grundlegend funktioniert die Truppenauswahl ordentlich, aber die Menüführung ist eindeutig fürs Gamepad optimiert. Deshalb fehlen auch Komfort-Features wie Gruppierungsmöglichkeiten, die gibt es dann erst in Halo Wars 2. Nach einer Weile hat man sich dran gewöhnt, trotzdem wirkt die PC-Bedienung mit der heißen Nadel gestrickt.
Unterm Strich ist Halo Wars ein sehr kurzweiliges und gelungenes Echtzeitstrategie-Spiel, das sich an eine ganz spezielle Zielgruppe richtet. Und damit meinen wir nicht mal unbedingt die Halo-Fans (wobei die klar die bevorzugten Spieler sind), sondern Freunde von Kampagnen und Koop-Features in RTS-Titeln. Halo Wars spielen Sie nicht wegen der Skirmish-Gefechte oder dem PvP-Modus. Diese Modi sind zwar alle vorhanden und funktionieren rund, allerdings gibt's weit bessere Strategiespiele, die genau in diesen Bereichen trumpfen (zum Beispiel Dawn of War 2).
Aber es gibt wenige zeitgenössische Strategiespiele, die aus ihren Mechaniken so eine spannende Kampagne stricken. Sowohl in puncto Gamedesign als auch im Hinblick auf die opulent inszenierte Geschichte lohnt sich Halo Wars allein wegen der coolen Missionen, die beides clever miteinander kombinieren. Und den Koopmodus darf sich jedes künftige Strategiespiel gerne abschauen - ja, Dawn of War 3, wir meinen dich!
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