Hearts of Iron 4 im Test - Zwischen den Fronten

Hearts of Iron 4 beweist im Test, dass ein Strategiespiel zugleich hochkomplex, packend und zu einfach sein kann.

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Der Test von Hearts of Iron 4 stellt uns vor allem vor eine Frage: Was wäre, wenn? Denn insbesondere der Zweite Weltkrieg bietet wie kaum eine andere Epoche Raum für Spekulationen. Was wäre, wenn die demokratische Welt frühzeitig das ganze Ausmaß der deutschen Ambitionen erkannt hätte? Wie sähe Europa heute aus, hätte das Dritte Reich die Sowjetunion nicht angegriffen oder gar besiegt? Was wäre, wenn die Alliierten schon 1942 in der Normandie gelandet, die Japaner niemals Pearl Harbor angegriffen, die Franzosen kommunistisch geworden wären?

Und so widmet sich das Globalstrategie-Spiel aus dem Hause Paradox auch im vierten Teil der Serie wieder dem Zweiten Weltkrieg. Ab 1936 oder 1939 (alle anderen Startjahre sind entfallen) können wir mit einer beliebigen historischen Nation den Verlauf der Geschichte nach unserem Gutdünken verändern - sofern wir die dazu nötige Geduld besitzen. Denn einsteigerfreundlich ist Hearts of Iron 4 mal wieder überhaupt nicht.

Alle Nationen auf der Weltkarte sind spielbar. Allerdings haben nur die Großmächte individuelle Truppen und Schwerpunkte. Alle Nationen auf der Weltkarte sind spielbar. Allerdings haben nur die Großmächte individuelle Truppen und Schwerpunkte.

Dutzende vollgestopfte Menüs, nichtssagende Werte, undurchsichtigen Zusammenhänge und kaum ein Leitfaden, an dem man sich entlanghangeln könnte. Selbst das kurze Tutorial wirft mehr Fragen auf, als es löst, und verweist dreist auf das integrierte Wiki. Und tatsächlich: Wer dieses Spiel verstehen will, kommt kaum um Ausflüge in besagte Enzyklopädie oder nach YouTube herum. Damit Sie am Ende nicht so hilflos dastehen wie wir nach dem Tutorial, führen wir im Folgenden Schritt für Schritt durch dieses abschreckende und doch faszinierende Spiel. Denn was wäre, wenn … Spielern, die sich von Zahlen und Statistiken abschrecken lassen, hier eine unheimlich packende Erfahrung entginge?

Zensur in Deutschland

Hearts of Iron 4 ist in Deutschland zensiert. Die Bilder einiger Nazi-Größen sind verdunkelt, einige Hitler-Reden und entsprechende Symbolik wie die SS-Totenköpfe wurden entfernt. Hakenkreuze gibt es indes auch in der internationalen Fassung nicht. Spieler, die aus Deutschland heraus kaufen, erhalten durch einen Geolock automatisch die zensierte Version. Über die Notwendigkeit von Geolocks und die Tücken der deutschen Symbolzensur sprechen wir mit dem Anwalt Sebastian Schwiddessen im Interview-Special.

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Der Weltkrieg im Kopf

Grundsätzlich entfaltet Hearts of Iron 4 nämlich eine wahnsinnige Spieltiefe. Wenn der (stets pausierbare) Weltkrieg um uns herum tobt und wir von einer Front zur nächsten springen, Angriffsbefehle erteilen, taktische Rückzüge anordnen, uns um Rohstofflieferungen und Waffennachschub kümmern, Seeinvasionen zurückschlagen, unsere Luftwaffe zum Großbombardement oder U-Boote auf Geheimmissionen schicken - dann fühlt man sich mit etwas Fantasie wahrhaftig in einen gigantischen Krieg hineinversetzt.

Und ganz nebenbei ergeben sich allerlei tolle Kopfgeschichten, besonders, wenn man mit völlig unbedeutenden Nationen die historischen Kräfteverhältnisse auf eben jenen Kopf stellt. Kann Ungarn eigentlich schon 1937 Österreich erobern? Übrigens: Zum Partiebeginn können wir zwar extra einstellen, dass sich Nationen unhistorisch verhalten sollen, was im Test aber keine großen Auswirkungen hatte. Frankreich und Großbritannien etwa verbündeten sich trotz der vermeintlich unhistorischen Entwicklung.

Großbritannien ist faschistisch? Tja, da haben unsere deutschen Agenten ganze Arbeit geleistet. Das blöde ist nur, dass die Briten trotzdem noch gegen uns kämpfen… Großbritannien ist faschistisch? Tja, da haben unsere deutschen Agenten ganze Arbeit geleistet. Das blöde ist nur, dass die Briten trotzdem noch gegen uns kämpfen…

Die totale Kriegswirtschaft

Genauso könnte man denken, der Zweite Weltkrieg sei ohnehin immer gleich. Was will Paradox da noch groß ändern? Oh, einiges! Was Serienkennern in Hearts of Iron 4 zu allererst auffällt, ist das neue Produktionssystem. Zivilfabriken errichten auf Provinzebene unter anderem Flughäfen, Verteidigungsanlagen, weitere Fabriken sowie allgemeine Infrastruktur. Militärfabriken werden dagegen ausschließlich zur Herstellung von Ausrüstung - von Lastwagen bis zum neuen Panzermodell müssen wir alles einzeln in Auftrag geben. verwendet.

Möchten wir Fußsoldaten ausheben, braucht es dazu erst einmal ganz normale Schusswaffen. Also legen wir im Produktionsmenü einen neuen Dauerauftrag für Infanteriewaffen an und weisen ihm bis zu 15 Militärfabriken zu. Je mehr Fabriken wir dafür abstellen, umso schneller wird das entsprechende Material hergestellt und umso mehr Ressourcen verbraucht der Auftrag pro Tag.

Im Menü Produktion teilen wir unsere Militärfabriken je nach Bedarf auf die verschiedenen Waffenproduktionen auf, um die ständige Versorgung unserer Truppen zu gewährleisten. Im Menü Produktion teilen wir unsere Militärfabriken je nach Bedarf auf die verschiedenen Waffenproduktionen auf, um die ständige Versorgung unserer Truppen zu gewährleisten.

Ressourcen generieren sich indes ausschließlich über den Besitz von Gebieten und dem Handel mit anderen Staaten. Startet wir als Deutschland, haben wir quasi endlose Mengen Stahl. Dafür fehlt es uns aber vor allem an Erdöl und Gummi, was wir uns bei Verbündeten oder neutralen Staaten kaufen müssen - allerdings nicht mit Geld, sondern im Tausch gegen die Produktionsleistung einiger Zivilfabriken. Unsere eigenen Rohstoffe dürfen wir nicht mehr gezielt verkaufen, stattdessen exportiert unser Land generell einen bestimmten Prozentanteil an allen Ressourcen - auch an denen, die wir eigentlich dringend brauchen. Da sollte Paradox noch mal ran.

Im Menü »Rekrutieren und Einsetzen« erteilen wir Aufträge für die Ausbildung neuer Divisionen, denen das Spiel automatisch Ausrüstung und Soldaten zuteilt. Neue Kampfverbände (die sich auch schon im unfertigen Zustand einsetzen lassen), machen allerdings keinen Sinn, wenn unsere Produktion kaum die Nachfrage unserer bestehenden Truppen decken kann; denn die verbrauchen in Schlachten laufend Material.

Im Kampf sammeln wir Armeetradition. Mit dieser können wir die Divisionen mit zusätzlichen Einheiten aufstocken, um deren Kampfstärke zu erhöhen. Dabei können wir einer Infanteriedivision auch durchaus Fahrzeuge zuweisen. Im Kampf sammeln wir Armeetradition. Mit dieser können wir die Divisionen mit zusätzlichen Einheiten aufstocken, um deren Kampfstärke zu erhöhen. Dabei können wir einer Infanteriedivision auch durchaus Fahrzeuge zuweisen.

Einmal verstanden, funktioniert dieses System richtig gut und nachvollziehbar, wenngleich es noch mit einigen Macken um die Ecke kommt. Erforschen wir etwa ein neues Panzermodell, müssen wir manuell den bereits bestehenden Produktionsauftrag für diesen Panzertyp anpassen, um die neue Version auch wirklich herstellen zu lassen. Vergisst man das, hilft einem die ganze liebe Waffenforschung nichts. Das kann nerven - ist aber auch durchaus realistisch: Wer möchte, kann auch mit den alten Panzern weiterkämpfen, denn die sind im Regelfall billiger und schneller gebaut. Wer hat gesagt, dass es einfach ist, eine ganze Armee aufzurüsten?

Dechiffrierungsprobleme

Damit wären wir bei einer grundlegenden Schwäche von Hearts of Iron 4, denn das Spiel gibt uns viel zu wenige Informationen zur genauen Spielmechanik und den Einheiten. So ist etwa der Luftkampf eine einzige Feedback-Katastrophe. Behalten wir nicht ständig die genauen Zahlen unserer Geschwader im Auge, bekommen wir nicht im Ansatz mit, wie es gerade um unsere Luftwaffe steht. Übrigens erwähnt das Spiel nirgendwo, dass wir Geschwader für Flugzeugträger separat erforschen müssen. Dafür gibt's nur ein unscheinbares Icon im Foschungsmenü.

Auch bei den Bodenkämpfen sitzt man viel zu oft da und weiß nicht, warum eine Schlacht gut oder schlecht für einen verläuft. Das ist wiederum darauf zurückzuführen, dass einem das Spiel nicht erklärt, wie die vielen Boni und Mali in einer Schlacht zusammenwirken. Umso ärgerlicher wird das, weil sich produzierte Fahr- und Flugzeugmodelle mit gesammelter Kampferfahrung zusätzlich modifizieren lassen, beispielsweise verbessern wir ihre Bewaffnung oder Zuverlässigkeit. Aber was tun, wenn man gar nicht weiß, was es bringt?

Links sieht man die Einheiten, aus der die Armee besteht, die hier Polen besetzt hält. Fährt man über eine Division, werden einem Infos zu Ausrüstung und Organisation angezeigt. Eine Truppe ohne Organisation lässt sich einfach vernichten. Links sieht man die Einheiten, aus der die Armee besteht, die hier Polen besetzt hält. Fährt man über eine Division, werden einem Infos zu Ausrüstung und Organisation angezeigt. Eine Truppe ohne Organisation lässt sich einfach vernichten.

Davon ganz absehen ist das Interface an vielen Stellen unübersichtlich und wenig intuitiv. Wie etwa benutzt man etwa Atombomben? Tatsächlich ist der Einsatz war recht einfach, er widerspricht aber komplett den bis dahin gelernten Abläufen der Luftwaffe, weil er sich plötzlich über das Provinzinterface statt über den Luftraum auslösen lässt. Da sucht man einfach nicht.

An die Front!

Hat man die grundlegende Bedienung dann einmal begriffen, können wir uns endlich an unseren ersten Krieg wagen. Doch der will sorgsam vorbereitet sein. Mit einem Planungstool weisen wir unseren Truppen bestimmte Frontabschnitten zu, indem wir sie auf die Karte »malen«. An diesen Frontlinien verteilen sich die Divisionen dann automatisch, nun können wir ihnen ebenfalls per Kartenpinsel eine Angriffslinie zuteilen, bis zu der sie vorrücken sollen.

n. Die KI sorgt dann dafür, dass unsere Front immer geschlossen bleibt, zieht angeschlagene Einheiten zurück und rückt selbständig vor, wenn wir ihr entsprechende Befehle erteilen. Gleichzeitig können wir jede Einheit auch manuell steuern und Fehler der KI korrigieren. Denn die geschehen immer wieder. Besonders nervig ist, wenn der Computergeneral Einheiten per »strategischer Verlegung« an die Front verschiebt - was allerdings den Organisationswert dieser Einheiten auf null senkt. Heißt: Angreifende Feinde überrennen sie sofort.

Außerdem ist es von essentieller Bedeutung, Feinde einzukreisen und von der Versorgung abzuschneiden, was die KI selten hinkriegt. Zudem entstehen bei KI-geführten Angriffen oft Blasen im Hinterland: Bereiche, in denen noch Feindeinheiten stehen, die unsere Generäle aber nicht angreifen, weil die Front ja eigentlich schon viel weiter ist. Generell funktioniert die KI allerdings schon jetzt besser als in der Ursprungsversion von Hearts of Iron 3.

In Hearts of Iron 4 planen wir unsere Kämpfe direkt über ein eigenes Tool, mit dem wir Frontlinien festlegen und Angriffe planen. Gegner einzukreisen, ist dabei besonders effektiv. In Hearts of Iron 4 planen wir unsere Kämpfe direkt über ein eigenes Tool, mit dem wir Frontlinien festlegen und Angriffe planen. Gegner einzukreisen, ist dabei besonders effektiv.

Der Tod von oben - und von unten

Flugzeuge wie Schiffe werden wie Waffen und Panzer über das Produktionsmenü hergestellt. Anders als bei Bodentruppen weisen wir diesen Waffengattungen jedoch weder Front- noch Angriffslinien zu, sondern stationieren sie in (Flug-)Häfen und weisen sie (in sehr umständlichen Menüs) Lufträumen bzw. Seezonen zu. Dort angekommen können wir den Fliegerstaffeln je nach Flugzeugtyp Missionen zuweisen: Industrie zerstören, Bodentruppen unterstützen, gegnerische Flugzeuge abfangen. Dabei muss man jedoch die Reichweite beachten, da bei längeren Strecke die Auftrags-Effizienz erheblich sinkt.

Schiffsflotten können in bis zu drei Seezonen gleichzeitig Missionen durchführen. So schicken wir etwa U-Boote, um die Versorgungsschiffe der Gegner zu versenken. Die Luftwaffe hat also maßgeblich die Aufgabe, gegnerische Truppen und Infrastruktur zu schwächen, während die Marine vor allem Seeinvasionen vorbereitet und die eigenen Küsten schützt.

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