»Killerspiele« = Kinderporno? - Michael Trier über haltlose Vorwürfe aus der Politik

Und sie haben es wieder getan: Am 16. März veröffentlichte das Bayerische Innenministerium eine Pressemeldung, in der Innenminister Joachim Herrmann folgenden Satz äußert: »Gewalt verherrlichende Killerspiele gehören verboten. Was bei Kinderpornographie möglich ist, muss auch für brutale Killerspiele gelten.«

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» Killerspiele« =Kinderporno?

Und sie haben es wieder getan: Am 16. März veröffentlichte das Bayerische Innenministerium eine Pressemeldung, in der Innenminister Joachim Herrmann folgenden Satz äußert: »Gewalt verherrlichende Killerspiele gehören verboten. Was bei Kinderpornographie möglich ist, muss auch für brutale Killerspiele gelten.«

Man möchte glauben, der Mann sei lediglich naiv und unbelehrbar. Denn als Innenminister eines Bundeslandes im Jahr 2009 wäre es die Pflicht von Herrmann zu wissen, dass solche Spiele in Deutschland (immerhin das Land mit den schärfsten Jugendschutzgesetzen Europas) schon seit Jahren verboten sind oder gesetzlich vorgeschrieben eine Altersfreigabeprüfung durchlaufen müssen.

Joachim Herrmann (CSU) Joachim Herrmann (CSU)

Davon abgesehen, dass wir ja tagtäglich von amoklaufenden Jugendlichen in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Italien, Spanien und so weiter hören, wo man den Großteil der hierzulande indizierten Spiele ganz legal und oft ab 16 Jahren erwerben kann, hat diese Äußerung eine weitere Dimension, die nicht an Naivität, sondern an genau kalkulierte, skrupellose Demagogie erinnert. Denn indem Herrmann versucht, an das »gesunde« Volksempfinden zu appellieren, indem er einen der schändlichsten Auswüchse menschlichen Fehlverhaltens (Kinderpornographie =das Böse; darauf kann sich jeder einigen) missbraucht und ein ihm fremdes und damit unheimliches Medium in die gleiche Schmuddelecke stellt, diskriminiert er nicht nur einen Großteil der gesamten deutschen Jugend und jungen Erwachsenen, er verhöhnt auch die wahren Opfer von Kinderpornografie und deren Leid und verharmlost die Verbrechen der Täter.

Fassen wir nochmals kurz zusammen: Mittwoch der 11. März 2009. Ein 17jähriger tötet mit der Waffe seines Vaters 16 Menschen. Der Vater ist Mitglied im Schützenverein, der Junge soll dort Gastschütze gewesen sein. Tim Kretschmer, so der Name des Täters, hatte laut Aussagen seines Umfeldes außerdem eine Vorliebe für Softair, sehr real wirkende Luftdruckwaffen.

Diese beiden Aspekte unterscheiden ihn von einem Großteil der männlichen deutschen Heranwachsenden. Denn nur eine kleine Minderheit deutscher Jugendlicher hat Zugang zu oder Erfahrung im Umgang mit scharfen Waffen. Die Schnittmenge derer, die zusätzlich auch noch Abläufe des Schießens in Bewegung mit Softair-Waffen trainiert, ist noch einmal deutlich kleiner. Da sollte es eigentlich auf der Hand liegen, woher die präzisen Schießkünste des 17jährigen herrühren.

Auftritt der Ahnungslosen

Und damit kommen wir zu dem Punkt, warum wir als PC-Spielemagazin wieder über den furchtbaren Amoklauf in Winnenden berichten müssen. Denn eigentlich hat all dies nichts mit GameStar zu tun. Doch dann betreten hilflose Politiker und Wissenschaftler die mediale Bühne. Der Kriminologe Hans-Dieter Schwind, der Vorsitzende der Deutschen Stiftung für Verbrechensbekämpfung, zum Beispiel: »Dass der 17jährige auf der Flucht noch weiter um sich geschossen hat, ist ein Verhalten, das Jugendliche auch in Spielen wie Counterstrike oder Crysis lernen können.« (Quelle: Süddeutsche Zeitung) Nicht nur wir finden es wahrscheinlicher, dass Tim Kretschmer den Umgang mit Waffen beim Üben mit - eben Waffen erlernt hat.

Es besteht nun mal ein Unterschied zwischen dem entspannten Bedienen einer Maus bei einer Partie Counterstrike mit Freunden und dem Abfeuern einer großkalibrigen Handfeuerwaffe auf lebende Menschen während der Flucht vor der Polizei. Doch die Herren Herrmann und Schwind rufen, noch bevor überhaupt klar ist, ob der Täter »Killerspiele« gespielt hat, mal wieder nach einem »totalen Verbot von Computer-Gewaltspielen«, CSU Generalsekretär Dobrindt warnt parallel vor »falscher Toleranz«.

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