Kritik an Windows 10 und Universal Windows Apps - Gebt Microsoft eine Chance!

Microsoft steht seit Monaten im Kreuzfeuer der Kritik - aber nicht immer zu Recht, findet Hardware-Redakteur Nils Raettig.

Auf der Entwicklerkonferenz Build 2016 hat Microsoft vor wenigen Tagen stolz die aktuellen Nutzerzahlen von Windows 10 präsentiert. Das Betriebssystem kommt demnach auf über 270 Millionen aktive Installationen – weder Windows 8 noch Windows 7 haben sich laut Microsoft derart schnell verbreitet.

Ganz fair ist dieser Vergleich natürlich nicht, schließlich sind die Vorgänger nur gegen Bezahlung zu haben, während der Wechsel zu Windows 10 für Besitzer von Windows 7 und Windows 8 noch bis Ende Juli 2016 kostenlos möglich ist. Microsoft selbst zeigt sich aber unabhängig davon sehr zufrieden mit der Entwicklung von Windows 10 – ganz im Gegensatz zu vielen Spielern und teils auch Entwicklern.

Abseits von anhaltender Kritik über mangelnden Datenschutz oder über ein zu aggressives Drängen zur Nutzung des kostenlosen Upgrades stehen momentan vor allem der Windows Store und die »Universal Windows Apps« (UWA) im Mittelpunkt der Kritik. Im Gegensatz zu klassischen Win32-Anwendungen wie den allermeisten Spielen sind sie auf Microsofts »Universal Windows Platform« ausgelegt und damit gegenwärtig nur über Windows-Tools wie den Store ausführbar.

Während Spielern Store-exklusive Titel wie das am 5. April erscheinende Quantum Break und die technischen Einschränkungen wie V-Sync-Zwang oder der fehlende Mod-Support sauer aufstoßen (siehe auch unsere große FAQ zum Windows Store), befürchten Entwickler wie Tim Sweeny von Epic Games eine Monopolbildung, die andere digitale Vertriebsplattformen wie Valves Steam oder EAs Origin benachteiligen könnte.

Sweeny geht sogar so weit, auf der Webseite des Guardian offen zum Widerstand gegen den Windows Store und seine UWAs in ihrer aktuellen Form aufzurufen. Berichte über Probleme mit UWA-Spielen wie dem (hierzulande nicht ohne weiteres erhältlichen) Gears of War: Ultimate Edition oder unlängst Killer Instinct tragen ihren Teil zu der allgemein eher schlechten Stimmung gegenüber dem Windows Store bei.

Ich selbst bin auch kein großer Freund des Windows Stores in seinem momentanen Zustand, die starke Kritik daran empfinde ich aber dennoch als überzogen.

Der Autor

Nils Raettig ist Hardware-Redakteur der GameStar, gleichzeitig betreut er aber auch alle Windows-Themen. Privat spielt er seit DOS-Zeiten auf dem PC und hat auch die meisten Windows-Versionen von 95 über XP bin hin zu Windows 10 mitgenommen. Deshalb kann er sich auch noch gut daran erinnern, wie negativ Steam zu Beginn ankam. Dass der Windows Store je so erfolgreich wird wie Steam bezweifelt er allerdings – selbst wenn Microsoft alle versprochenen Besserungen umsetzt.

Besserung ist in Sicht

Klar, beim Spielen über den Store gibt es gegenwärtig noch so manchen ärgerlichen Nachteil, vom angesprochenen V-Sync-Zwang über nicht funktionierende Overlay-Tools wie Fraps bis hin zu Problemen mit SLI- oder Crossfire-Systemen mit mehreren Grafikkarten. Das sind aber einerseits alles Dinge, die sich verhältnismäßig leicht in den Griff bekommen lassen (Stichwort »exklusives Vollbild«), andererseits spielen sie vermutlich nur für relativ wenige Spieler wirklich eine Rolle.

Viele aus meinem Bekanntenkreis wissen beispielsweise gar nicht genau, was V-Sync ist, Fraps wird primär als Analyse-Tool genutzt und trägt zum eigentlichen Spielspaß nichts bei und nur in den wenigsten Rechnern steckt mehr als eine Grafikkarte. Das soll natürlich nicht bedeuteten, dass diese Probleme nur Lappalien wären, zumal andere Schwierigkeiten wie die fehlende Mod-Unterstützung einen deutlich größeren Teil der Spielerschaft betreffen. Man sollte Microsoft aber zumindest die Chance geben, die Probleme mit dem Store in den Griff zu bekommen, zumal bislang kaum wirklich interessante PC-Spiele exklusiv darin erschienen sind.

Das man sich der Probleme bewusst ist und an einer Lösung arbeitet, hat Phil Spencer auf der Build-Konferenz in San Francisco erneut betont. In Anbetracht des Desasters mit Games for Windows Live kann ich zwar gut verstehen, dass viele Spieler dem skeptisch gegenüberstehen, ein paar Monate Zeit hat Microsoft meiner Meinung nach aber noch verdient.

Ebenfalls nicht zu vergessen: Auch unter Steam und anderen Plattformen gibt es Spiele wie Batman: Arkham Knight oder Call of Duty: Black Ops 3 mit technischen Problemen, die nichts mit dem Vertriebskanal selbst zu tun haben. Dass die Engine von Killer Instinct beispielsweise bei zu hohen fps Probleme verursacht, ist kein generelles UWA-Problem.

Es stimmt natürlich nicht grade zuversichtlich, dass den Microsoft Game Studios die Probleme mit Killer Instinct und der Ultimate Edition von Gears of War als Publisher nicht rechtzeitig vor dem Release im Windows Store aufgefallen sind. Das in Sachen Performance sehr gut als Windows App funktionierende Rise of the Tomb Raider zeigt allerdings, dass es auch anders geht.

Microsoft gibt sich sehr zufrieden mit den Nutzerzahlen von Windows 10. Dass viele zum neuen Betriebssystem wechseln, dürfte allerdings zu großen Teilen an der kostenlosen Upgrade-Möglichkeit liegen, die (mindestens) noch bis Ende Juli 2016 besteht. Microsoft gibt sich sehr zufrieden mit den Nutzerzahlen von Windows 10. Dass viele zum neuen Betriebssystem wechseln, dürfte allerdings zu großen Teilen an der kostenlosen Upgrade-Möglichkeit liegen, die (mindestens) noch bis Ende Juli 2016 besteht.

Ein Client sie zu knechten?

Die drohende Monopolbildung, die Tim Sweeny in seinem Artikel beim Guardian zeichnet, ist indes ein anderer Fall. Dass Microsoft die Entwicklung von Universal Windows Apps vorantreiben will, ist auch auf der Build-Konferenz einmal mehr deutlich geworden. Inwieweit Spiele-Entwickler in Zukunft aber gezwungen sein werden, ihre Titel als App über den Windows Store zu verbreiten, bleibt vorerst fragwürdig.

Da die Xbox One in Zukunft ebenfalls UWAs unterstützen wird, erhöht das natürlich den Reiz, ein Spiel direkt für die Universal Windows Plattform zu entwickeln. Abseits davon sehe ich momentan aber keine Argumente, die für den Windows Store sprechen. Sweeny geht zwar im Artikel auf »Windows Features« ein, die Microsoft exklusiv für den Windows Store und UWAs reservieren könnte, um den Druck auf Entwickler zu erhöhen. Welche das konkret sein sollen, erläutert er allerdings nicht näher.

DirectX 12 gehört jedenfalls nicht dazu, die neue Schnittstelle findet sich schließlich bereits in mehreren Steam-Spielen (Ashes of the Singularity, Hitman, Rise of the Tomb Raider). Das Beispiel von Rise of the Tomb Raider legt außerdem nahe, dass eine parallele Entwicklung einer UWA und einer klassischen Win32-Version eines Spiels kein großes Problem darstellt.

In einem Punkt stimme ich Sweeny allerdings zu: Es wäre sehr wünschenswert, dass UWAs nicht exklusiv für den Windows Store reserviert sind und genau so über Steam oder andere Plattformen angeboten werden können. Da Microsoft den momentan eher unbedeutenden Windows Store vorantreiben will, scheint das zwar unwahrscheinlich, gleichzeitig würde es die Verbreitung von UWAs aber vereinfachen und begünstigen – was wiederum auch in Microsofts Sinne wäre.

Wenn Microsoft den Windows Store in Sachen Komfort und Technik wie versprochen verbessert, dann stört es mich persönlich jedenfalls nicht, noch einen zusätzlichen Spiele-Client zu verwenden. Ich nutze ohnehin regelmäßig Steam, Origin, Uplay und GoG Galaxy – da macht ein Client mehr oder weniger den Kohl auch nicht mehr fett. Und solange ein Spiel rund läuft ist es doch letztlich egal, ob das über die Universal Windows Plattform oder eine klassische Win32-Umgebung passiert.

Universal Windows Apps sollen auf möglichst vielen verschiedenen Geräten wie PCs, der Xbox One und Smartphones laufen. Universal Windows Apps sollen auf möglichst vielen verschiedenen Geräten wie PCs, der Xbox One und Smartphones laufen.

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