Wir schreiben das Jahr 1996: Ein aus heutiger Sicht unglaublich hässlicher Ernter sucht im Strategie-Superhit Command & Conquer nach dem Rohstoff Tiberium, rollt dabei jedoch unbedarft mitten in die Basis des Feindes und zerplatzt in einer pixeligen Mini-Explosion.
Wir schreiben das Jahr 2007: Ein fast schon fotorealistischer Ernter sucht im Strategie- Superhit Command & Conquer 3 nach dem Rohstoff Tiberium, rollt dabei jedoch unbedarft mitten in die Basis des Feindes und wird von gleißenden Laserstrahlen spektakulär in Einzelteile zerrissen, die physikalisch korrekt davonfliegen. Elf Jahre liegen zwischen den oben beschriebenen Szenen. Elf Jahre, in denen sich vieles enorm weiterentwickelt hat: 3D-Grafik, Spezialeffekte, Physik-Simulation. Elf Jahre, in denen aber auch ein Detail gleich geblieben ist: Der Ernter verhält sich heute noch genauso dämlich wie damals.
Command & Conquer steht dabei nur exemplarisch für ein generelles Phänomen. Denn während die Grafik von Computerspielen kontinuierlich besser wird, stagniert die Simulation von Künstlicher Intelligenz (KI) seit Jahren auf niedrigem Niveau. Wo liegen die Gründe für diese immer größer werdende Lücke zwischen realistischen Welten und realistischem Verhalten?
So funktioniert KI
Zugegeben: Der Ernter von Command & Conquer 3 macht auch vieles ziemlich schlau. Er findet selbstständig den Weg durch zerklüftetes Gelände zu weit entfernten Tiberiumfeldern oder registriert automatisch, wann ein Rohstoffvorkommen abgeerntet ist. Deshalb bringt Thomas Stein, der Technische Direktor bei Related Designs und Chef-Programmierer des Aufbau-Strategiespiels Anno 1701, die undankbare Aufgabe der KI-Entwickler auf den Punkt: »Eine Künstliche Intelligenz fällt meistens nur dann auf, wenn sie nicht richtig funktioniert.« Aber wie funktioniert eine KI überhaupt?
Stark vereinfacht ausgedrückt: Programmierer definieren für alle Einheiten, Gebäude, Nicht-Spieler-Charaktere, Feinde etc., wie sie sich in bestimmten Situationen eines Spiels verhalten sollen. Je mehr solcher Situationen und Verhaltensweisen definiert werden, desto schlauer die Künstliche Intelligenz eines Computerspiels. Ein einfaches Beispiel: Im Programmier- Lernprogramm AntMe! von Microsoft (siehe Kasten) müssen Ameisen unter Zeitdruck Früchte einsammeln und dabei kräftemäßig überlegene Käfer bekämpfen. Ein KI-Programmcode definiert das Verhalten einer Ameise bei der Begegnung mit einem gefährlichen Käfer:
public override void Sieht (Käfer käfer)
{
if (AnzahlInSichtweite > 10)
{
GreifeAn(käfer);
} else {
DrehenUm();
GeheGeradeaus(100)
}
}
Es passiert also Folgendes: Sobald unsere Ameise einen Käfer erblickt, prüft sie, ob sich noch mehr als zehn weitere Ameisen in ihrem Blickfeld befinden. Falls ja, attackiert sie den Käfer. Falls nein, rennt sie 100 Schritte in die entgegengesetzte Richtung davon, sprich: sie flüchtet.
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