Seite 3: Let’s Play - Die neue Macht - Sprechende Spieler

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Amateurhafte Faszination

Dieser Eilmarsch des Let’s Plays vom abgeschotteten Comedy-Forum hin zum festen Platz in der Spieleindustrie ist faszinierend. Nicht weniger faszinierend, wenn auch auf andere Weise, ist die gegenüberliegende Seite des Spektrums: Quasi als Zerrbild der Spieletest-Profis, die den Spaß im technischen Know-How erden, öffnet sich hier eine Welt der »Ähs« und »Ohs«, des Stotterns und der hallenden Mikros, der peinlichen Pausen und der zitternden Bilder.

Die Faszinationskraft der amateurhaften Videos entspringt jenen Momenten, in denen die Kommentare plötzlich die Welt des Spiels hinter sich lassen: Da erfährt man etwas vom frustrierenden Berufsalltag des Spielers oder kann im – an eine zaghafte weibliche Stimme gewandten – »Sag auch mal was!« eine Beziehung samt Krise erahnen.

Nirgendwo sonst ähneln Let’s Plays mehr einer Gegenwartsform des Spielens im Wohnzimmer oder der Ausweitung des Schulhofs auf den digitalen Raum – Freundschaftsbekundungen und Rangeleien inklusive. Und nirgendwo sonst wird deutlicher, dass die Charakterisierung von Let’s Plays als »Fernsehen der Youtube-Generation« nicht ausreicht. Zwar sind sie zweifelsohne Teil einer größeren Abwanderung von den vorgegebenen Programmstrukturen des traditionellen Fernsehens – aber sie erschöpfen sich eben nicht im Anschauen. In den Amateurvideos zeigt sich, dass es nicht zuletzt auch darum geht, sich selbst mitzuteilen und mit anderen auszutauschen.

Retsupurae
Michael »slowbeef« Sawyer ist in der Let’s Play-Community nicht nur berühmt für seine Pionierrolle -- er ist auch gefürchtet. Mit seinem Let’s-Play-Kollegen »diabetes« betreibt er den Youtube-Kanal Retsupurae (eine pseudo-japanische Schreibweise für Let’s Play), auf dem er sich über stümpferhafte Let’s Plays lustig macht.

Sawyer relativiert aber, dass es ihm nicht um fehlende technische Fertigkeiten gehe, sondern um die falsche Einstellung: »Wenn du ein Let’s Play machst, weil du denkst: ›Hey, ich kann damit berühmt werden!‹, dann solltest du vermutlich am besten gleich wieder aufhören. Aber wenn du Let’s Plays wirklich magst und gute Ideen hast, dann würde ich sagen … nun ja, jeder macht mal Fehler.« Seit September 2011 verkaufen slowbeef & Co. sogar Merchandise wie T-Shirts und Notebook-Sticker mit dem Retsupurae-Logo

Die Gefahr der Professionalisierung

Michael Sawyer befürchtet allerdings, dass diese Seite des Let’s Plays auf dem Weg zur Professionalisierung auf der Strecke bleiben könnte: »Es gab früher mehr Interaktion mit dem Publikum. Bei meinem Immortal-Let’s- Play wollte ein Zuschauer wissen, ob sich ein Rätsel auf eine bestimmte Art lösen lässt. Anstatt ihm zurückzuschreiben, habe ich ein Video für ihn gemacht. Andere Leute wollten gegrüßt werden, also hab ich sie in einem Video gegrüßt. Ich finde, diese Dinge wurden in den letzten Jahren zu häufig aufgegeben; es gibt mittlerweile eine klare Trennung zwischen Zuschauern und Kommentatoren.«

Es scheint kaum übertrieben, in Minecraft den Grund für den Ende 2009 plötzlichen einsetzenden Interessenschub am Let’s Play zu sehen: Die Würfelwelt ist das ideale Let’s-Play-Spiel: sperrig genug, dass Anfänger im Web Hilfe suchen, aber zugleich offen für die Fantasie und Tausende von Geschichten. Sowohl für den Yogscast als auch für Gronkh waren Minecraft-Videos der Schlüssel zu Erfolg. Oder war es umgekehrt? Diese Frage war der Ausgangspunkt eines Streits zwischen dem Minecraft-Entwickler Notch und den Yogscastern, die ausgerechnet auf der Minecraft-Messe MineCon verkündeten, das Spiel verdanke seinen Erfolg eigentlich ihren Videos. Notch wiederum sieht den Erfolgsgrund natürlich in der Qualität des Spiels. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen: Das Interesse an Minecraft weckte das Interesse an Let’s Plays und umgekehrt – eine symbiotische Beziehung. Es scheint kaum übertrieben, in Minecraft den Grund für den Ende 2009 plötzlichen einsetzenden Interessenschub am Let’s Play zu sehen: Die Würfelwelt ist das ideale Let’s-Play-Spiel: sperrig genug, dass Anfänger im Web Hilfe suchen, aber zugleich offen für die Fantasie und Tausende von Geschichten. Sowohl für den Yogscast als auch für Gronkh waren Minecraft-Videos der Schlüssel zu Erfolg. Oder war es umgekehrt? Diese Frage war der Ausgangspunkt eines Streits zwischen dem Minecraft-Entwickler Notch und den Yogscastern, die ausgerechnet auf der Minecraft-Messe MineCon verkündeten, das Spiel verdanke seinen Erfolg eigentlich ihren Videos. Notch wiederum sieht den Erfolgsgrund natürlich in der Qualität des Spiels. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen: Das Interesse an Minecraft weckte das Interesse an Let’s Plays und umgekehrt – eine symbiotische Beziehung.

Auch durch die Community der Let’s Player zieht sich ein Graben. Die oft so enthusiastischen wie stümperhaften Videos der Amateure unterscheiden sich deutlich von den routinierteren Produktionen der Profis. Kai Rienow bestätigt, dass dies auch der Wahrnehmung der Let’s Player entspricht: »Sie empfinden sich nicht zwingend als Teil einer einzigen Community. Das liegt aber einfach daran, dass die Let’s Player aus unterschiedlichen Motivationen heraus Videos machen. Einige wollen schnellen Erfolg und geben schnell wieder auf, wenn dieser ausbleibt.

Andere wiederum sind auch mit ihren zwölf Youtube-Abonnenten glücklich und machen es nur zum Spaß. Und dann gibt es noch die großen Let’s Player, die meistens recht professionell an die Sache herangehen. Diese Personen werden häufig als Vorbild genommen, allerdings sollten sich die Neulinge immer fragen, ob sie tatsächlich die Zeit und Expertise aufbringen können, um regelmäßig solche guten Videos zu liefern.«

Spielen und dabei Geld verdienen

Diese Frage geht leicht unter im Streben nach dem Erfolg, der sich, wie rasch deutlich wird, nicht immer auf den so flüchtigen wie abstrakten Internet-Ruhm beschränkt. In einem Moment der unerwarteten Offenheit erklärt ein Let’s Player, dass sich Mitschüler über seine ersten Videos lustig gemacht haben und er gemobbt worden sei – aber mittlerweile stehe er drüber, weil er schließlich mit seinen Videos »richtig viel Kohle« verdiene.

Ob das stimmt, sei dahingestellt – fest steht, dass einige wenige mit Let’s-Play-Videos gutes Geld verdienen können. Einen Youtube-Kanal einzurichten und sporadisch Videos hochzuladen, genügt allerdings nicht.

Die größeren Let’s Player sind allesamt Partnerschaften eingegangen. In Deutschland etwa kooperiert das GameStar-Medienhaus IDG mit dem »PlayMassive«-Netzwerk. Dazu gehören u.a. Gronkh.de und die dort untergebrachten Let’s Play-Kanäle. Über das GameStar-Netzwerk können aber auch kleinere Kanäle den begehrten Status eines Youtube-Partners erhalten. Damit wird man direkt an den Werbeeinnahmen beteiligt und kann so mit Youtube-Videos auch ernsthaft Geld verdienen.

Das GameStar-Netzwerk
Seit Anfang 2010 ist GameStar auf Youtube vertreten und unser Kanal GameStarDE erfreut sich einer steigenden Beliebtheit. Zusammen mit Partnern wie Gronkh, SarazarLP oder PietSmittie haben wir dort ein Netzwerk aufgebaut, das bereits jetzt mehr als 75 Millionen Videoabrufe pro Monat erzielt.

Mitglieder werden über das Netzwerk einem großen Publikum vorgestellt und können somit extrem schnell wachsen. Zudem besteht die Möglichkeit, eigene Videos zu vermarkten und durch Werbung direkt Geld zu verdienen.

Partner kann jeder werden, der regelmäßig Videos aus den Bereichen Computer- und Videospiele, Filme, Technik und Elektronik erstellt. Bevor sich eine Aufnahme ins Netzwerk lohnt, sollten rund 2000 Videoabrufe am Tag erreicht werden.

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Die paradoxe Situation

Dass Let’s Plays auch harte Arbeit und Geschäft sein können, geht im ansteckend enthusiastischen Ton der Videos ebenso leicht unter wie die Tatsache, dass mit zunehmender Popularität und Professionalität auch der Druck auf die Let’s Player steigt. Im Hinblick auf die Qualität wie auch Quantität des Outputs – aber auch im Hinblick darauf, dass eine zunehmend paradoxe Situation erwächst.

Die nämlich, auf möglichst professionelle Weise den Anschein des Unprofessionellen zu erwecken, von dem das Let’s Play nach wie vor lebt. Der Anspruch, einerseits ein professionelles Produkt abzuliefern und andererseits wie der Kumpel von nebenan zu wirken, ist eine Herausforderung. Sie führt dazu, dass man an sprachlichen Eigenheiten wie der »Wir«-Form festhält, auch wenn die Fans bereits so zahlreich geworden sind, dass man kaum mit allen Kontakt halten kann.

Dass die Let’s Player ihren Fans trotzdem nahe sein wollen, dürfte auch der Grund dafür sein, dass der monetäre Aspekt des Phänomens als offenes Geheimnis behandelt wird. Und wie alles, das offen und verborgen zugleich ist, schürt es die Fantasie: Der Berufswunsch »Let’s Player« klingt für viele verlockend – auch wenn es nur eine Handvoll Let’s Player gibt, die wirklich von ihren Videos leben können, und selbst viele bekanntere Kommentatoren für ihren Lebensunterhalt auf andere Einkünfte angewiesen sind.

Die zunehmende Professionalisierung hat aber auch ihre positiven Seiten. Michael »slowbeef« Sawyer etwa begrüßt, dass von Let’s Playern mittlerweile ein Mindestmaß von Sorgfalt erwartet wird und man »nicht mehr einfach nur eine Kamera schräg Richtung Bildschirm halten kann«. Zugleich jedoch befürchtet Sawyer, dass die ursprünglichen Werte verloren gehen: »Ich habe früher wirklich das Gefühl gehabt, dass es bei Let’s Plays darum ging, aufregende Spiele zu zeigen – und nicht so sehr darum, selbst berühmt zu werden. Zudem finde ich, dass der Name ›Let’s Play‹, also ›Lass uns zusammen spielen‹, ernst genommen werden sollte. Es sollte wirklich das Ziel sein, eine Gemeinschaft zu bilden und mit anderen Leuten zusammen zu arbeiten.«

Tatsache ist, dass diese Gemeinschaft schon jetzt vielfältiger ist, als der Ausdruck »Let’s-Play-Community« vermuten lässt. Denn es gibt keine einheitliche Community, sondern große und kleine, professionelle und amateurhafte Let’s Player, die mal mehr, mal weniger mit ihren Fans kommunizieren. Ob der Abstand zwischen den passionierten Amateuren und den aus diesen Kreisen entwachsenen »Großen« schrumpfen oder wachsen wird, und ob dabei wie von Michael Sawyer befürchtet etwas auf der Strecke bleibt – das wird sich zeigen. Immerhin: Dass der Spaß an der Sache durch alle Schichten hindurch spürbar bleibt, lässt zuversichtlich in die Zukunft blicken. »Leute behaupten schon seit Jahren, Let’s Plays seien eine Modeerscheinung«, schmunzelt Sawyer. »Ich würde also sagen, dass sie noch eine Weile existieren werden.«

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