Erschrocken bin ich schon: Damals, ein paar Monate nach meinem Start bei GameStar im April 2000 habe ich mir ausgerechnet, dass ich wöchentlich deutlich mehr Stunden mit meiner damaligen Zimmerkollegin Petra Schmitz verbrachte als mit meiner Freundin. Schlimm war das aber nicht, schließlich wusste ja meine jetzige Gattin, dass ich nicht etwa wegen Petras Charme so viel Zeit im Büro totschlug, sondern weil ich endlich meinen Traumjob gefunden hatte.
Diesen Job zu bekommen war im Nachhinein erstaunlich simpel: Stellenanzeige in der GameStar gesehen, Bewerbung mit Probetext (Test zu Pharaovom Impressions. Seufz... Pharao!) geschickt und schon haben mich Jörg Langer und Martin Deppe zum Bewerbungsgespräch geladen. Obwohl „Gespräch“ für dieses mehrstündige Verhör wohl nicht ganz passt. Ich meine mich an eine Frage nach der Farbe eines Gegnertyps von Eye of the Beholder zu erinnern, vielleicht übertreibt da mein Gedächtnis aber auch ein Stückchen (aber sicher nicht viel).
Anscheinend habe ich die Farbe gewusst (oder die Antwort war doch nicht so wichtig), denn kurz drauf saß ich mit dem mir zugeteilten „Ausbilder“ Gunnar Lott im Büro. Gunnar hatte dann auch gleich Gelegenheit, sein umfassendes Redakteurs-Handwerks-Wissen in mein Hirn zu gießen: Unser erstes gemeinsames Großprojekt war die Tippstrecke zu Diablo 2und kurz darauf eine Titelstory zu Warcraft 3– über die durchgearbeiteten Nächte reden wir noch heute beim Bier. Dabei hat uns bei diesem und vielen anderen Artikeln niemand wirklich zu Nachtschichten gezwungen, unser eigener Qualitätsanspruch, der oft zitierte »Dienst am Leser« war Antrieb genug. Das ist übrigens auch heute noch so.
Der Traumjob Spiele-Redakteur hat sich in den letzten 12 Jahren genau so gewandelt und professionalisiert wie die Spiele-Branche. Damals, im Jahr 2000 konnte man Entwicklern einfach mal eine E-Mail schreiben und nach neuen Screenshots fragen, ohne dafür von kontrollwütigen PR-Menschen von Publishern angepflaumt zu werden.
Damals kamen Testmuster tatsächlich noch ein paar Wochen vor Release auf mehreren selbstgebrannten CDs (DVD-Brenner war noch schweineteuer) und nicht wie jetzt am Veröffentlichungstag per schnödem Download-Code. Redakteure sind längst nicht mehr nur Textproduzenten, sondern längst auch Video-»Regisseure«, Community-Betreuer, Projektmanager, Experten für andere Medien usw.
Außerdem reicht es längst nicht mehr, sich »nur« in PC-Spielen auszukennen, dafür ist das Angebot mit Konsolen-, Mobile-, Browser-, Social- und Was-sonst-noch-kommen-mag-Spielen viel zu groß. Gut so, denn die »ich sperre mich mit meinem Testmuster für eine Woche ein und dann kommt am Ende ein Testartikel und ein Video raus und sonst interessiert mich nix«-Arbeitsweise wiederspricht meinem (vielleicht fast schon zu) breiten Spieleinteresse.
Dank dem hatte ich immer schon sämtliche Konsolen zu Hause stehen, was mich schließlich zum idealen Kandidaten für den Stellv. Chefredakteur der GamePro (ab Herbst 2006) machte. Schön: Weil in den letzten Jahren PC- und Konsolen-Spiele weiter zusammenwachsen, war auch der Abschied von der GameStar kein allzu harter – immer mehr Themen waren für GameStar und GamePro gleichermaßen spannend, also konnte ich auch wieder mit den »alten« Kollegen zusammenarbeiten.
Seit etwas über einem Jahr nun bin ich weg von der Redaktions-Front, von ein paar Artikeln zu speziellen Themen (Kickstarter, Ouya) oder kleineren Tests abgesehen. Das ist einerseits gut, denn ohne Abgabetermine und Embargos im Nacken kann ich endlich spielen was und wann ich will – ein Driver: San Franciscozum Beispiel ist auch sechs Monate nach Release noch super.
Andererseits vermisse ich schon etwas die Aufregung des Redaktionsalltags, die Messen, die Entwicklerbesuche, die alltäglichen Fachsimpeleien mit Kollegen. Und natürlich verbringe ich auch nicht mehr so viel Zeit mit Petra wie früher. Dass ich damals nach der Arbeit noch stundenlang mit ihr Dark Age of Camelotgespielt habe, hab ich meine Frau übrigens nie erzählt...
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