Michas Wunsch für 2017 - »Verschiebt eure Spiele!«

Unfertige und unausgereifte Spiele waren 2016 ein großes Ärgernis. Michael Graf hätte eine Lösung dafür.

Die PC-Version von Mafia 3 war zum Release auf 30 fps beschränkt. Kurz darauf wurde das Problem behoben - die Spieler hatten ihrem Ärger da aber schon Luft gemacht. Die PC-Version von Mafia 3 war zum Release auf 30 fps beschränkt. Kurz darauf wurde das Problem behoben - die Spieler hatten ihrem Ärger da aber schon Luft gemacht.

Ein Spiel solle erst dann erscheinen, wenn es wirklich fertig sei - denn der Ärger der Spieler über ein unfertiges Spiel sei schlimmer als der Ärger über eine Verschiebung. Preisfrage: Welcher Entwickler hat das zu mir gesagt? Chris Roberts! Okay, okay … wenn wir uns dann bitte alle wieder beruhigen könnten. Klar, man kann grinsen, wenn just der Mann Verschiebungen rechtfertigt, der derart oft wichtige Entwicklungsfortschritte seiner monumentalen Weltraumvision Star Citizen verschieben musste, dass manch Kritiker inzwischen wettert, das ganze Projekt sei ein Luftschloss.

Doch Roberts hat vollkommen recht. Es ist besser, ein Spiel richtig fertigzumachen, als es verfrüht und unfertig zu veröffentlichen. Nun hat der Mann natürlich leicht reden, dank des Crowdfunding-Modells von Star Citizen verdient er bereits während der Entwicklung stetig Geld.

Mir ist durchaus klar, dass dieser Luxus nicht jedem Designer vergönnt ist. Indie-Entwicklern stünde zwar der Early-Access-Weg offen, doch selbst der ist nicht mehr mit Gold gepflastert, weil in den überfüllten Early-Access-Spalten von Steam & Co. inzwischen kein Mensch mehr durchblickt. Wie soll man da noch auffallen?

Chris Roberts im Interview - Wie stehts um Star Citizen und Squadron 42? Video starten 30:52 Chris Roberts im Interview - Wie steht's um Star Citizen und Squadron 42?

Und auch klassische Publisher können ihre Projekte nicht endlos verschieben. Ubisoft, Activision, 2K Games, Electronic Arts, Zenimax (Bethesda) & Co. sind börsennotierte Unternehmen oder zumindest Investoren verpflichtet, da wollen Jahrespläne aufgestellt und Gewinnerwartungen erfüllt werden. Und schon die Verschiebung eines einzigen, wichtigen Titels kann das Jahresergebnis empfindlich verhageln.

Zugleich wollen Absprachen mit dem Handel eingehalten werden: Große Elektronikketten wären wohl nicht unbedingt glücklich, wenn sie im November Regalplatz für das nächste Call of Duty freihalten, das sich dann aber in den März verschiebt. Zuverlässigkeit und Planbarkeit sind in der Geschäftswelt dem Vernehmen nach recht beliebt.

Also ja, es ist nicht so einfach, das mit dem Verschieben und Fertigmachen. Aber hier geht's ja um Wünsche für 2017, nicht um betriebswirtschaftlich durchkalkulierte Jahrespläne für 2017. Und mein Wunsch lautet nun mal: Macht eure Spiele fertig! Verschiebt sie, wenn es nötig ist! Und wenn ihr sie schon verschoben habt, die Sache aber immer noch nicht hinhaut, dann verschiebt sie halt noch mal. Sonst passiert genau das, was wir 2016 viel zu oft erlebt haben. Und das wiederum schadet auch den Publishern.


Der Autor
Michael Graf gehört zur GameStar-Chefredaktion, leitet das Kolumnen- und Reportressort und verantwortet die Inhalte für GameStar Plus. Das beste Spiel aller Zeiten ist seiner Meinung nach Homeworld, da duldet er auch keine Diskussion. Oder hört einfach weg, falls jemand doch eine anfängt. Zwischen den Jahren hat er endlich mal Enderal durchgespielt. Wer braucht denn noch Vollpreisspiele, wenn er solche Mods hat?

Der Schaden ist angerichtet

Nehmen wir nur die technischen Probleme, etwa von Quantum Break, Forza Horizon 3, Dishonored 2 und Mafia 3. Unerklärliche Performance-Einbußen hier, Grafik-Glitches da - es dürfte nicht allzu weit hergeholt sein, dass diesen Spielen ein paar Monate Entwicklungszeit mehr nicht geschadet hätten. Okay, könnte man sagen, da hat die PC-Fassung hinter den verkaufsstärkeren Konsolenversionen halt wieder die zweite Geige gespielt. Blöderweise leiden viele dieser Spiele auch auf den Konsolen unter Problemen.

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Und wenn's nur die technischen Macken wären! Doch auch Spielkonzepte erschienen 2016 nicht vollends durchdacht. Bei Civilization 6 etwa ist mir unerklärlich, wie ein erfahrener Entwickler wie Firaxis in einem ansonsten herausragenden Strategiespiel übersehen konnte, dass die KI-Gegner ihre verwundbaren Siedler nicht eskortieren.

Mein Tipp: Firaxis hat es sehr wohl gesehen, konnte es vor dem Release aber nicht mehr reparieren. Oder The Division: Ist Ubisoft wirklich nicht aufgefallen, dass den Kämpfen Dynamik fehlt? Oder war's zum Release einfach nicht anders machbar? Oder No Man's Sky … ach, reden wir nicht über No Man's Sky.

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Noch ein KI-Problem von Civilization 6: Die Gegner überfluten uns mit Aposteln, die sie aber nicht konsequent einsetzen. Auch das dürfte im Vorfeld der Veröffentlichung jemandem aufgefallen sein. Noch ein KI-Problem von Civilization 6: Die Gegner überfluten uns mit Aposteln, die sie aber nicht konsequent einsetzen. Auch das dürfte im Vorfeld der Veröffentlichung jemandem aufgefallen sein.

Das Ding ist ja: Viele (aber längst nicht alle) dieser Probleme wurden im Nachgang mit Patches behoben. Der Schaden aber war dann schon angerichtet: Schlechtere Wertungen von Presse und genervten Usern, etwa auf Steam oder Metacritic, dürften viele interessierte Spieler erst mal vom Kauf abgehalten haben. Wenn Spiele ohnehin unfertig erscheinen, kann man sie ja auch später kaufen. Dann sind sie - Sales sei Dank! - nicht nur erheblich billiger, sondern auch fertiger.

Wer zum Vollpreis kauft, ist nicht immer der Dumme; es gab 2016 auch diverse Positivbeispiele für technisch saubere und vollständige Spiele, etwa Gears of War 4. Je häufiger namhafte Spiele unfertig erscheinen, desto häufiger wird sich diese Meinung aber in den Spielerköpfen verfestigen. Und desto schwieriger wird es für die Publisher, sie wieder aufzubrechen.

Klartext zu Steam-Sales - Der Sale-Teufelskreis Video starten 2:03 Klartext zu Steam-Sales - Der Sale-Teufelskreis

Allen Widrigkeiten zum Trotz wäre eine Verschiebung in vielen Fällen wohl besser gewesen. Und obwohl ich mich damit vielleicht unbeliebt mache: Wenn's gar (!) nicht anders geht, wäre es für mich auch okay, dass eine PC-Version einen oder zwei Monate nach der Konsolenfassung erscheint. Wenn ich dafür dann ein ausgereiftes, hervorragend an den PC angepasstes Spiel (Grafikoptionen, Bedienung, Auflösung!) bekomme, wäre mir das die zusätzliche Wartezeit wert.

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