Seite 3: Minecraft im Test - Das verflixte siebte Jahr

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Das alles ist Minecraft

Gut, wo waren wir? Ach ja, Minestar. Server, auf denen Spieler gemeinsam bauen, gibt es viele. Sehr viele. Und dort entstehen bis heute Werke, die meine Augenbrauen in die Stratosphäre jagen. Da bauen gewiefte Klötzchen-Architekten Mittelerde oder die World-of-Warcraft-Welt Azeroth nach, da entstehen komplette Städte aus Game of Thrones oder Straßenviertel des echten New York oder das gesamte Wien. Oder wie wär's mit einem Nachbau der Enterprise-D und anderer Star-Trek-Schiffe - in Originalgröße und mit komplett begehbaren Innenräumen?

Oder mit einer funktionierenden Rechenmaschine, die das Redstone-Leitungssystem des Spiels für Transistorschaltungen verwendet? Und dabei handelt es sich »nur« um Bauprojekte, die auf den normalen Möglichkeiten des Spiels basieren. Okay, vielleicht noch ergänzt um Funktionen von Server-Software wie Spigot oder Bukkit, die etwa Teleport-»Aufzüge« ermöglichen.

MineCraft - Special: Mittelerde und Westeros als Bauklotz-Nachbau Video starten 4:15 MineCraft - Special: Mittelerde und Westeros als Bauklotz-Nachbau

Es gibt allerdings auch Server, die Minecraft komplett umkrempeln. Beispielsweise Lyria, eine deutsche Community, die den Klötzchenbaukasten zum Online-Rollenspiel umgemodelt hat, samt eigener Welt und Währung sowie einem Charakter- und Berufssystem. Oder all die beliebten »Prison«-Server, deren Spieler durch Minenarbeit Geld sammeln und Ränge emporklettern, um sich mehr Freiheiten zu erkaufen.

Nachts am See: Der Wasser-Shader ermöglicht romantische Panoramen. Nachts am See: Der Wasser-Shader ermöglicht romantische Panoramen.


Oder »Hunger Games«-Server, auf denen man wie in »Die Tribute von Panem« ums Überleben kämpft - gegen andere Spieler. Oder Minigame-Server, auf denen man im Casino zockt oder Heckenlabyrinthe erkundet oder knifflige Hüpfpassagen absolviert. Oder Tüftelserver, auf denen man aus Blöcken gigantische, funktionsfähige Roboter baut, steuert, bewaffnet und aufeinanderhetzt.

Oder Super Smash Mobs, ein Prügelspiel à la Super Smash Brothers. Oder, oder, oder. Die Community ist längst zu groß und vielfältig, um sie komplett zu erfassen. Viele der Serverbetreiber verdienen sogar Geld mit Minecraft, indem sie kostenpflichtige Premium-Accounts mit Zusatzfunktionen anbieten.

Enterprise von Innen Enterprise von Innen
Enterprise von Außen Enterprise von Außen

Die User des Minetrek-Servers haben die Enterprise-D aus »Star Trek: Das nächste Jahrhundert« nachgebaut. In Originalgröße.

Es gibt kein Minecraft

Und genau bei dieser Vielfalt liegt der Hase im Pfeffer: Es gibt nicht das eine Minecraft. Es gibt viele, verdammt viele. Jeder Spieler, jeder Server macht sich das Spiel so, wie er es möchte. Durch den Bau von Gebäuden, durch Custom-Regeln, durch den Einsatz programmierbarer Befehlsblöcke. Minecraft ist kein Spiel mehr, es ist eine Subkultur - gewissermaßen Second Life in erfolgreich.

Noch vielfältiger wird's, sobald man Mods für sich entdeckt. Neben Textur- und Shader-Paketen, die den Look teils radikal ändern, gibt's schließlich auch allerlei Inhaltserweiterungen mit neuen Blöcken, Kreaturen und Funktionen. Ich kann nur den Hut davor ziehen, was die Community inzwischen aus diesem Spiel gemacht hat. Dass es da auch negative Auswüchse gibt, liegt in der menschlichen Natur.

Etwa die »Griefer«, die nur darauf aus sind, die Werke anderer Spieler zu zerstören. Die Minestar-Crew erzählt beispielsweise, dass ein findiger User ihre komplette Welt mit TNT-Blöcken unterminierte, um sie in die Luft zu jagen. Er wurde jedoch rechtzeitig erwischt und vom Server geworfen.

Microsoft nutzte Minecraft auch, um seine Augmented-Reality-Brille HoloLens zu präsentieren. Die ist im Praxistest allerdings weit weniger faszinierend als auf diesem Bild, weil ihr Sichtfeld sehr schmal ausfällt - ungefähr so, als würde man durch das Visier eines Ritterhelms schauen. Microsoft nutzte Minecraft auch, um seine Augmented-Reality-Brille HoloLens zu präsentieren. Die ist im Praxistest allerdings weit weniger faszinierend als auf diesem Bild, weil ihr Sichtfeld sehr schmal ausfällt - ungefähr so, als würde man durch das Visier eines Ritterhelms schauen.

Einige Wochen später hielt ein Admin an der Uni, wo er als Tutor arbeitete, einen Vortrag, in dem er auch Minecraft erwähnte. Ein Student, ebenfalls Minecraft-Spieler, sprach ihn hinterher darauf an. Es entspann sich ein nettes Gespräch, bis der Student beiläufig seinen Usernamen erwähnte.

Er war der Griefer, der die Welt hatte sprengen wollen. Minecraft verbindet eben Menschen. Auch wenn sie sich vielleicht gegenseitig umbringen wollen, wenn sie die Verbindung erst mal bemerkt haben.

»Deshalb spiele ich Minecraft

Render (MineStar-Admin): Warum spiele ich immer noch Minecraft? Diese Frage wurde mir vor ein paar Tagen gestellt, und mir ist bewusst geworden, dass es im Laufe der letzten Jahr(zehnt)e ein paar Spiele gab, die ich deutlich länger als die anderen gespielt habe. Damals war's Vermeer auf dem Amiga, dann auf dem PC Civilization 2, Anno 1602 und X2 - Die Bedrohung, und jetzt ist es Minecraft. All diese Spiele habe ich über mehrere Monate oder sogar Jahre durchgehend oder zumindest immer wieder gespielt. Wenn ich darüber nachdenke, haben sie alle etwas gemeinsam - ein relativ einfaches Spielprinzip, das mir aber viele Freiheiten lässt.

Minecraft treibt das jetzt auf die Spitze, ich spiele es seit nunmehr über fünf Jahren und immer noch (fast) täglich. Das Spiel lässt mir alle Freiheiten: Haus bauen, Tiere und Monster jagen, Löcher graben oder Berge abtragen - alles ist möglich. Das Spiel fördert wie kein anderes die Kreativität, um aus den wenigen Materialien und groben Blöcken, die es gibt, genau das zu erschaffen, was man haben möchte. Gerade die begrenzte Auswahl macht es schwierig und faszinierend, seine Pläne zu verwirklichen. Minecraft ist für mich persönlich das beste Spiel bisher, und ich kann noch nicht absehen, dass mein Spaß daran bald zu Ende gehen wird.

Der GameStar-Ameisenhaufen

Trotz aller Griefer, Trolle und Sabotageversuche: Minecraft ist immer noch riesig. Die Community ist immer noch aktiv. Warum aber haben wir das Spiel nie bewertet? Tja, GameStar im November 2011 muss man sich ein bisschen so vorstellen wie einen Ameisenhaufen, in den jemand eine Schale Zuckerwürfel gekippt hat.

Redakteure huschen zwischen Battlefield 3, Modern Warfare 3 und Skyrim hin und her, es ist ein … geschäftiger Monat. Ich will nicht sagen, dass wir den Release von Minecraft 1.0 am 18. November verschlafen haben, wir berichten ja darüber.

Auch Skyrim kann mit Mods immer noch ganz schick aussehen. Auch Skyrim kann mit Mods immer noch ganz schick aussehen.

Aber zu einem Test mit Wertung können wir uns nicht durchringen, weil sich dieses Spiel, das Genregrenzen sprengt wie ein Creeper krumme Bretterbuden, nicht in unser damaliges, unflexibles Kategorien-Wertungssystem pressen lässt. Das stimmt zwar, ist aber nur ein Teil der Wahrheit.

Als Journalist wendet man sich ja oft reflexhaft dem Neuen zu, statt weiter das Alte zu beobachten. Und Minecraft ist damals schon seit zwei Jahren auf dem Markt. Jeder kennt es, Millionen lieben es, und auf Youtube spielen Gronkh & Co. ohnehin nichts Anderes. Was soll man noch groß erzählen? In den Folgejahren driftet Minecraft daher immer mehr aus unserem Sichtfeld. Es gibt halt immer irgendwas Dringenderes.

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Wichtiger wird's nicht

Doch so funktioniert der Markt nicht mehr, Minecraft ist das beste Beispiel: Spiele werden jahrelang gespielt, bilden Communitys und verändern sich. Das Alte erneuert sich. Nicht alles Alte, zum Glück, aber die wichtigen Spiele. Und Minecraft ist wichtig. Wenn auch nicht perfekt, das ist mir durchaus klar.

Bis heute gibt es viele Spieler, die keine Lust auf Minecraft haben oder schnell wieder aufhören, weil sie nicht wissen, was sie tun sollen. Und Minecraft ist beileibe nicht frei von Kontroversen. Etwa, als Mojang das von der Community entwickelte Serverprogramm Bukkit kaufte, dies aber nie offiziell zugab - was zum Vorwurf führte, man habe die Arbeitskraft der Fans ausgenutzt.

Oder als das Studio ankündigte, fortan konsequenter gegen den auf manchen Servern üblichen Verkauf von Ingame-Items vorzugehen, und zugleich offizielle »Realm«-Server einführte, die man mieten konnte. Die Betreiber kostenpflichtiger (und teils sehr beliebter) Server fürchten seitdem um ihre Einnahmequelle und laufen Sturm.

Minecraft Windows 10 Edition - Screenshots ansehen

Oder als Microsoft die Windows-10-Version von Minecraft enthüllte, die zwar technisch sehr sauber läuft, weil sie nicht mehr auf einer Java-Umgebung basiert - aber genau deshalb auch keine Mods mehr unterstützt und damit eine große Stärke des Spiels ignoriert, die Offenheit. Bis heute halten sich in der Community Befürchtungen, dass Microsoft das »alte« Minecraft irgendwann links liegenlassen und nur noch das »abgespeckte« neue weiterentwickeln könnte.

Und selbst die aktuelle Minecraft-Version 1.9 wird kritisiert, weil Hiebe nach der Umstellung des Kampfsystems wesentlich weniger Schaden anrichten, selbst mit hochwertigen Schwertern. Was wiederum die bei vielen Spieler beliebten PvP-Kämpfe völlig umkrempelt.

Minecraft - Screenshots des Nachbaus von Anor Londo (Dark Souls) ansehen

Minecraft ist weder frei von Fehlern, noch das komplexeste Spiel aller Zeiten. Aber es hat die Welt verändert, es spielt in einer Bedeutungsliga mit Pong, Tetris und Doom. Genau diesen Umstand soll die Wertung ausdrücken, die sich übrigens auf die PC-Version ohne Mods bezieht. Also auch nicht auf die eingeschränkte Windows-10-Fassung.

Das »alte« Minecraft weiß seine Spieler eben auch im verflixten siebten Jahr noch zu begeistern. Sicherlich nicht alle, und sicherlich haben viele inzwischen aufgehört. Aber es gibt immer noch Millionen - und täglich kommen 10.000 neue hinzu. Ob Bunny Press das wohl auch geschafft hätte?

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