Ich habe die meistgewünschte Lebenssimulation auf Steam gespielt und wollte nie mehr aufhören

Nobody steht auf der Steam-Wunschliste von über 100.000 Spielern. Géraldine hat die einzigartige Lebenssimulation selbst ausprobiert und findet: Absolut zurecht!

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»Ich habe gerade extra ein Mietfahrrad bezahlt, um rechtzeitig beim Jobcenter zu sein, aber sie hatten schon geschlossen. Jetzt habe ich 5 Depressionspunkte bekommen«, erzähle ich begeistert meinen Kollegen im Telefonat, während ich Nobody spiele. Danach werde ich auf der Baustelle, auf der ich als Tagelöhner arbeite, verprügelt. Denn mein Vorarbeiter hat die Hälfte meines Lohns einbehalten und wurde ein wenig ungehalten, als ich ihn darauf ansprach.

Später bekomme ich Nachrichten von Redaktions-Kollegen, die wissen wollen, was mir seit unserem letzten Gespräch in Nobody noch alles passiert ist. Und, oh Junge, ich habe genug Geschichten parat. Ich habe mir für kleines Geld neue Kleidung am Straßenrand von China gekauft. Leider hatte ich danach nicht mehr genug, um die Gläubiger meines verschwundenen Vaters auszuzahlen - die daraufhin kurzerhand meine Schwester entführen.

Ich habe einem Mann auf der Baustelle etwas Geld geliehen, der sich daraufhin als der Aufseher herausstellte. Er versprach mir, dass ich künftig ohne Zwischenmann als Steineschlepper arbeiten dürfe und er mir das Geld am nächsten Tag zurückzahlen würde. Leider war er am nächsten Tag nirgends zu finden und ich hatte kein Geld mehr für ein Zimmer. Meine erste Nacht auf der Straße.

Vielleicht seid ihr nach dieser Erzählung selbst schon ganz hibbelig, Nobody zu spielen - vielleicht haltet ihr mich aber auch für wahnsinnig. Deswegen lasst mich noch ein wenig weiter ausholen, um euch zu erklären, warum über 100.000 Menschen die Survival-Lebenssimulation gerade auf ihrer Steam-Wunschliste haben. Beinahe doppelt so viele wie Hogwarts Legacy oder Call of Duty: Modern Warfare 2.

Worum geht es in Nobody?

Wenn ich an Lebenssimulationen denke, dann schießen mir natürlich zuerst Heile-Welt-Oasen wie Die Sims in den Kopf. Oder vielleicht sogar noch gemütlichere Vertreter wie Stardew Valley. Aber garantiert keine Survival-Simulation, in der ich einen absoluten Niemand in einer trostlosen Stadt in China spiele. Ich könnte es nicht besser beschreiben als der Gänsehaut-Trailer zu Nobody:

»Alles dreht sich um das Hier und Jetzt. Direkt um die Ecke. Oder unter deiner Nase. Entfaltet sich eine Welt, so schön und hässlich wie deine echte. Besiedelt mit Menschen, die dir bekannt vorkommen - die du aber nicht wirklich kennst. Sie sind die namenlose Masse, die Niemande, die die Welt ausmachen. Entdecke das wahre Leben neu.«

Nobody: Diese Lebenssimulation ist eins der meistgewünschten Steam-Spiele Video starten 1:40 Nobody: Diese Lebenssimulation ist eins der meistgewünschten Steam-Spiele

In Nobody entscheide ich mich zu Beginn für eine von drei Vorgeschichten und vorgefertigten Charakteren - oder bin im Sandboxmodus ganz auf mich allein gestellt. In der Demo konnte ich die Geschichte »Schuldenfalle« spielen. Einen jungen Mann, dessen Vater die Familie in den Ruin trieb und dann das Weite suchte, die Mutter ins Krankenhaus brachte und seinen Kindern die Verantwortung hinterließ. Seitdem sind mir die Gläubiger meines Vaters auf den Fersen und bedrohen auch meine Schwester - zu der ich eine innige Beziehung pflege.

Aber eines kann ich schon mal verraten: Keine der anderen Origin-Geschichten ist erbaulicher. Denn in Nobody geht es darum, mein Leben umzukrempeln und mich aus dem Sumpf der Hoffnungslosigkeit zu ziehen - deswegen auch der volle Titel des Spiels: Nobody - The Turnaround.

So spielt sich das Ganze

Die Story der Demo startet mit einer langen Busfahrt, während derer ich via Text von den Gläubigern meines Vaters bedroht werde. Ich fange an, mich zu sorgen und rufe meine Schwester an. Die scheint den Umständen entsprechend okay zu sein. In meinem Dialog mit ihr (der über bebilderte Textboxen erzählt wird), entscheiden meine Antwortmöglichkeiten auch über meine Startfähigkeiten. Fragt sie mich etwa, wie es mit geht und ich antworte »Gesund wie ein Pferd«, dann erhalte ich die Eigenschaft »Brocken« und bekomme einen körperlichen Bonus.

Während ich aber die Drohzeilen meiner Feinde lese, kann ich nicht anders, als die absolute Trostlosigkeit vor dem Busfenster zu bewundern. An mir ziehen graue Betonwüsten vorbei und Menschen, die deprimiert an Straßenecken eine Suppe schlürfen oder auf einen Bus warten, der sie in die nächste graue Betonwüste bringt.

Dialoge laufen über unvertonte Textboxen ab, sind aber glaubwürdig und spannend geschrieben. Dialoge laufen über unvertonte Textboxen ab, sind aber glaubwürdig und spannend geschrieben.

Ich steige aus und werde von einer Frau angesprochen, die mir ein Zimmer in ihrem ranzigen Motel anbietet. Ich traue ihr nicht, aber da ich nicht auf der Straße schlafen will, stimme ich zu. Ich will die Straße überqueren und werde direkt vom Auto überfahren. Game Over.

Ja, kein Scherz. Nobody ist erbarmungslos. Ich verstehe direkt, warum das Spiel sich auf Steam als »realistische Lebenssimulation« verkauft. Also neuer Versuch. Ich schaue dieses Mal brav nach links und rechts und lande im Jobcenter. Dort wartet eine junge Dame auf mich, bei der ich eine Aufnahmeprüfung für Weiterbildungskurse machen kann. Ich finde sie süß und versuche, sie anzuflirten. Leider ohne Erfolg. Aber was habe ich erwartet? Ich trage ja auch ein etwas schmuddeliges, knitteriges Hemd und wirke wohl nicht wie der beste Fang in der Stadt. Dafür erreiche ich in der Aufnahmeprüfung, die mir unangenehme Schul-Flashbacks gibt, die volle Punktzahl.

Prüfung Nein, ich habe dieses Bild nicht nur hier platziert, um damit anzugeben.

Jobs Am Schwarzen Brett hängen täglich Jobs wie Autowäscher oder Maskottchen aus. Allerdings braucht es dafür gewisse Fähigkeiten.

Trotzdem reicht es erstmal nur für einen Job als Ziegelschlepper auf der Baustelle. Den kann ich manuell ausführen - also händisch die Ziegel von Punkt A nach Punkt B schleppen - oder automatisch ablaufen lassen. Dann gibt's aber weniger Geld.

Außerhalb der Jobs bewege ich mich frei und unerkannt via WASD oder Mausklick durch die Stadt. Und überall gibt es etwas zu entdecken. Ich kann versuchen, Beziehungen zu knüpfen, Geld verdienen, neue Fähigkeiten lernen oder auch einfach nur einer Tanzgruppe voller ältererer Damen beitreten, um wenigstens etwas Freude im Leben zu empfinden. Dabei muss ich aber stets auf meine Einstellung, meinen Hunger, mein Erscheinungsbild, meine Hygiene und meine Befriedigung achten. Aber vor allem darauf, am Ende des Tages genügend Geld für ein Zimmer und meine Gläubiger zu haben. Wenn ich die nicht bezahlen kann, heißt es Game Over und mein letzter Tag startet von vorn.

Ich kann also natürlich Geld für bessere Klamotten ausgeben, um einen besseren Eindruck bei Leuten zu hinterlassen - aber vielleicht bedeutet das, dass ich auf der Straße schlafen muss und krank werde. Ich kann mir meine Lieblingsspeise aus der Kindheit kaufen und so meine Stimmung heben, oder ich spare Geld mit der faden Lunchbox an der Straßenecke. Ich beginne, Zeit und Geld in diesem Spiel als absolut lebenswichtige Ressource zu verstehen.

Ich kann mir vielleicht eines Tages einen besseren Job als Concierge eines Wellness-Centers angeln - allerdings nur, wenn mein Erscheinungsbild stimmt. Und das erfordert eine Menge Geld. Also schlage ich mich zunächst als Lagerarbeiter und Fast-Food-Maskottchen durch.

Mein Erscheinungsbild und meine Werte beeinflussen, wie Menschen mich wahrnehmen und welche Jobs ich ausüben darf. Mein Erscheinungsbild und meine Werte beeinflussen, wie Menschen mich wahrnehmen und welche Jobs ich ausüben darf.

Die perfekte Mischung - aber auch offene Fragen

Die Atmosphäre von Nobody ist grandios. Der Celshading-Look erschafft eine glaubwürdige Stadt voller spannender Details und während meines Tagesablaufs spielt ein Gänsehaut-Soundtrack, der die Gefühle der Einsamkeit, Trostlosigkeit, aber manchmal auch ein wenig Hoffnung perfekt begleitet. Nobody behandelt das sensible Thema der Armut mit dem nötigen Respekt und einer erdrückenden Ernsthaftigkeit - verliert dabei aber auch nie sein Augenzwinkern.

Es beschreibt mein knitteriges kariertes Hemd als »Kleidungsstück ohne Charakter, das aus irgendeinem Grund bei Programmierern sehr beliebt ist.« Es hat gewitzte und liebevoll geschriebene englische Dialoge. Aber es lässt mich auch die Lebensrealität vieler Menschen besser begreifen, als ein anderes Medium es je könnte.

Die vermeintlich trostlose Welt von Nobody steckt voller Details, die es zu entdecken gibt. Die vermeintlich trostlose Welt von Nobody steckt voller Details, die es zu entdecken gibt.

Es mixt eine spannend geschriebene Hauptstory mit Zufallselementen und sorgt so für einen riesigen Wiederspielwelt und Abwechslung - aber ohne zu willkürlich zu werden. Die zahlreichen Eigenschaften und Werte meines Charakters bieten einen spannenden Rollenspiel- und Management-Aspekt, ohne mich zu überfordern. Naja, abgesehen vom erwünschten Gefühl der Überforderung, das ich mit meinem Protagonisten teile.

Die Demo hat mich hungrig nach mehr zurückgelassen. Trotzdem muss der finale Release im Laufe des Jahres 2022 noch einige Antworten liefern. Etwa, wie stark meine Eigenschaften langfristig wirklich das Spielgeschehen beeinflussen. Oder ob ich mich in frustrierende Sackgassen manövrieren kann, die mit dem Neustart eines Tages nicht mehr auszubügeln sind.

Aber Nobody ist im Genre der Lebenssimulationen absolut einzigartig und hat mir eine der fesselndsten Spielerfahrungen seit langem geboten. Und zahlreiche Geschichten für meine Kollegen. Da die auch noch auf mehr Erzählungen meiner Abenteuer aus Nobody warten, werde ich die Demo auf keinen Fall zum letzten Mal gespielt haben.

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