Seite 2: Postal – Der Film - Trashkönig Boll verfilmt Shooter-Anarchie

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Interview mit Uwe Boll

Vor der Vorführung haben wir Uwe Boll zum Interview getroffen. Erfahren Sie, wie sich der Regisseur selbst sieht und ob er auch Fehler eingestehen kann.

GameStar-Redakteur Christian Merkel im Gespräch mit Regisseur Uwe Boll GameStar-Redakteur Christian Merkel im Gespräch mit Regisseur Uwe Boll

GameStar: Warum sollte sich ein kritischer Computerspiele-Fan den Film ansehen?
Uwe Boll: Ich glaube, Postal ist die ungewöhnlichste Videospiel-Verfilmung, die es jemals gegeben hat, und zudem mein mit Abstand bester Film. Es ist auch das erste Mal bei mir, dass die Videospiel-Firma mit dem Film glücklich ist. Und wer Postal-Fan ist, wird den Film lieben, weil er so politisch inkorrekt wie das Spiel ist. Wir haben eben all die Sachen in den Film eingebaut, die in Postal so absurd sind, vom Kindererschießen bis zu Katzen als Schalldämpfer. Wir haben auf nichts verzichtet, was anecken könnte.

GameStar: Provokation ist also das Hauptmotiv Ihres Films?
Boll: Genau, auf jeden Fall. Ich denke, es war auch mal an der Zeit, also mal losgelöst von einer Videospiel-Verfilmung, dass ein Film erbarmungslos auf die politische Realität eindrischt.

GameStar: Sie haben sich lange Zeit nicht mehr an einer Komödie versucht.
Boll: Das ist meine erste Komödie seit »Das erste Semester«, der 1997 in die Kinos kam. Es lag mir am Herzen, etwas zu machen, bei dem ich mich persönlich voll einbringe. Ich habe mich nach Bloodrayne hingesetzt und Postal sowie Seed selbst geschrieben und hintereinander gedreht. Das war auch an der Zeit: Ich habe mir gesagt, wenn ich jetzt schlechte Kritiken bekomme, will ich die für Sachen haben, für die ich mich von A bis Z selbst verantwortlich fühle. Wenn es dann jemandem nicht gefällt, ist das meine Schuld. Es ist zwar ebenso meine Schuld, wenn einem Alone in the Dark und Blood Rayne nicht gefällt. Aber es war für mich persönlich wichtig, dass ich mich in die Stoffentwicklung reinhänge und das selbst mache.

GameStar: Ist Postal nicht ein zu großes Wagnis? Horrorfilme verkaufen sich auf DVD deutlich besser als Komödien.
Boll: Man muss das auch so sehen: In Postal ist enorme Action drin. Der Film ist ja kein harmloses Komödchen. Er ist gleichzeitig auch actiongeladen, eben eine Mischung aus Blues Brothers und Borat. Von Verfolgungsjagden über Schießereien bis zu Explosionen haben wir alles reingepackt. Der Actiongehalt ist hoch genug, dass auch die Videoverkäufe gut laufen.

GameStar: Gut genug, um die 15 Millionen Euro Produktionskosten einzuspielen?
Boll: Ich gehe mal davon aus, dass der Film im Kino nicht floppen wird. Bislang kommt Postal ganz gut an, und ich glaube, dass das ein Film ist, bei dem viele Leute ein großes Interesse entwickeln können, auch ohne Spieler zu sein. Ich denke da an Leute, die aufgrund der Themen wie 11. September, Bin Laden und Bush darauf stoßen. Das sind ja Themen, die jeden von uns angehen.

GameStar: Sie wollen das Massenpublikum mit einem Film erreichen, der »Postal« heißt. »Going Postal« heißt ja Amoklaufen.
Boll: Also Postal hat für mich zwei Bedeutungen. Klar, einerseits heißt Postal Amoklaufen. Andererseits interpretiere ich für mich Postal als postapokalyptisch. Postal ist eigentlich ein Endzeit-Film. Man könnte sagen, der Film ist eigentlich »Eine unbequeme Wahrheit« von Al Gore als Komödie in Overdrive. Es geht um das komplette Desaster, in dem wir uns generell auf Erden befinden. Ich denke, mit einer absurden Komödie kann man das besser darstellen als mit einem ernsten Film.

GameStar: Warum haben Sie denn die Kritiker für das Marketing des Films eingespannt, als Sie sie zu einem Boxkampf eingeladen haben?
Boll: Ich war damals so angepisst von den Internet-Kritikern, dass ich die Namen veröffentlicht und gesagt habe: »Wenn ihr in den Ring wollt, dann kommt doch!« Von denen kam allerdings keiner. Dann haben wir eben andere wie den von Ain’t-it-cool.com genommen. Dummerweise war die Pressemeldung falsch, der Kampf käme in Postal vor. Das war nur als Bonuszeug für die DVD gedacht. Die Aktion und Postal hängen nur insofern zusammen, dass wir das während der Dreharbeiten des Films gemacht haben.

GameStar: Haben Sie Angst vor Kritikern? Erst kürzlich auf der Penny Arcade Convention…
Boll:…wurde ich ausgepfiffen bis zum geht nicht mehr.

GameStar: Stehen Sie da drüber?
Boll: Nun gut, wenn man da sechs Stunden anreist und ausgepfiffen wird, ist das nicht wirklich toll. Aber es kamen hinterher auch Leute zu mir, die gesagt haben, sie fänden es gut von mir, dass ich nicht direkt darauf reagiert und einfach weiter über die Filme sowie die Dreharbeiten erzählt habe. Später, als ich von der Bühne runterging, kamen dann 100 oder 200 Leute, um sich von mir ihre Plakate und DVDs signieren zu lassen. Denen habe ich gesagt: »Warum habt ihr denn nicht geklatscht, als die anderen gepfiffen haben?« Da kamen dann Antworten wie: »Ja, es war so laut!« Jeder muss eben selber wissen, wie er mit anderen Menschen umgeht.

GameStar: Sie entwickeln aber schon Hass auf Kritiker? Kürzlich haben Sie ja einen Kritiker von wired.com verbal deutlich unter der Gürtellinie attackiert. (hinter diesem Link geht’s zur ganzen Geschichte)
Boll: Das war schon ein Fehler von mir. Aber andererseits: Er hätte meine E-Mail auch nicht veröffentlichen müssen. Ich stehe trotzdem zu dem, was ich geschrieben habe. Der kam nämlich nach dem San-Francisco-Screening zu mir und sagte: »Super Film!«, war total begeistert, machte dann noch ein Interview mit mir, was er auch auf Video aufgenommen hat, und schrieb am nächsten Tag einen Totalverriss. Das empfinde ich als eine linke Nummer. Der hätte auch zu mir kommen können und sagen, dass ihm der Film nicht gefallen habe, ob man nicht trotzdem das Interview machen könne. Das ist doch was total anderes. Aber mich zu belügen und so zu verarschen, fand ich unter aller Kanone. Der sagte noch, ich solle morgen auf die Website gehen, da machen wir eine Superkritik. Als ich die Kritik las, dachte ich mir, das kann doch nicht derselbe Typ sein. Da habe ich ihm eben die E-Mail geschickt, in der stand: »Du blöde Sau, du. Ey, das ist doch wohl unfassbar!« Es gibt ja auch Fairness.

GameStar: Es ist also schon immer Ihr Motto, geradeaus frei zu sagen, was Sie denken, auch in den Filmen?
Boll: Wer bei Postal die süffisante intellektuelle Komödie erwartet, wird leider enttäuscht. Postal ist eher der Film, der mit dem Hammer reinhaut. Aber warum sollte ich sagen, dass »Thank you for Smoking« ein Vorbild war, wenn ich mich eher an »Monty Pythons Der Sinn des Lebens« gehalten habe. Da sieht man auch nur einen Typ, der fünf Minuten kotzt und dann explodiert. Ich denke, in den letzten sieben, acht Jahren ist die Schärfe aus den Filmen rausgegangen. Es werden einfach keine kritischen Filme mehr gedreht.

GameStar: Sie haben auch kein Problem, den Proleten als Zielgruppe anzusprechen?
Boll: Der Film spielt ja im White-Trash-Trailerpark-Milieu, muss man ja auch mal sagen. Wenn einer mit seiner 300-Kilo-Frau im Wohnwagen wohnt, kann man auch nicht erwarten, dass da wie beim Musikprofessor zuhause gesprochen wird.

GameStar: Wie kommen Sie an die hochkarätigen Schauspieler?
Boll: Christian Slater wollte wieder mal eine Action-Hauptrolle spielen. Er hatte zu der Zeit nur Angebote für Nebenrollen. Ben Kingsley bei Bloodrayne wollte unbedingt mal einen Vampir spielen, hat er zumindest gesagt. Er sieht ja auch ein bisschen Nosferatu-mäßig aus. Als er dann zugesagt hat, kamen die anderen. Bei Dungeon Siege lag es wirklich am Skript. Das war das erste Drehbuch, das von den Agenturen in Hollywood ganz positiv bewertet wurde. Der Agent von Jason Statham hat uns angerufen, was mal was ganz anderes war.

GameStar: Haben Sie denn das Computerspiel Postal gespielt?
Boll: Ja, klar. Ich finde es erstmal genial, dass man es auch gewaltfrei spielen kann, und an sich ist es ja auch eine gute Idee. In Postal konnte man ja schon vor Grand Theft Auto einfache Passanten erschießen. GTA hat es dann auf die Mainstream-Schiene gezogen. Mir waren schließlich auch die Leute von der Herstellerfirma sympathisch. Die haben ihr komplett eigenes Ding durchgezogen und das Spiel im Eigenvertrieb verkauft.

GameStar: Sind Sie denn ein Videospiele-Fan?
Boll: Ich habe kaum Zeit zu spielen. Aber wenn, spiele ich gerne Tiger Woods Golf. Mehr als zwei Stunden Zeit pro Woche kann ich aber nicht aufwenden.

GameStar: Haben Sie aus Fehlern früherer Filme gelernt?
Boll: Vorrangig ab Bloodrayne, da hat die Autorin von American Psycho das Drehbuch geschrieben. Nach Bloodrayne haben wir die Vorbereitung auf die Filme, die gesamte Skriptentwicklung verlängert. Far Cry war zum Beispiel zweieinhalb Jahre in der Entwicklung. Das ist für mich entscheidend: Wenn es keine Kritik gegeben hätte, würde ich vielleicht immer noch Filme wie Alone in the Dark drehen, nach dem Motto: auch mit halbfertigen Drehbüchern kann man anfangen zu drehen. Das war ein Fehler. Bei Alone in the Dark war das Hauptproblem, dass wir zwei Drehbücher ineinander verschmolzen haben, was einfach nicht funktioniert hat. Manche fanden das eine besser, die anderen das andere. Zusammen hat es dann auch nicht gepasst. Man hätte sich für eines beiden entscheiden müssen. Danach ging es dann stetig bergauf.

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