Nach Victoria 2schickt Paradox mit Pride of Nationsein weiteres Strategiespiel auf den Markt, das die wilden Jahre zwischen 1850 und 1920 thematisiert. Okay, Victoria 2 deckt eigentlich einen längeren Zeitraum ab, nämlich von 1836 bis 1937. Trotzdem dauert das rundenbasierte Pride of Nations länger, seine Spielzüge laufen nämlich im 15-Tages-Rhythmus. Und weil sich dazu historisch korrekte Bauzeiten gesellen, dauert es locker mal zwei Jahre, bis wir eine Schiffsflotte vom Stapel lassen – also 46 Runden! Wer die große Kampagne durchspielt, bringt es gar auf satte 1.680 Runden. Kleinere Kampagnen gibt es nicht, stattdessen stehen vier kürzere Szenarios zur Wahl: der indische Aufstand gegen die Briten von 1857, Risorgimento 1859 (Frankreich und Piemont gegen Österreich), der zweite Burenkrieg von 1899 sowie der russisch-japanische Krieg 1904.
Während wir in den vier Einzel-Feldzügen nur in den jeweiligen Kriegsgebieten aktiv sind (der Rest der Karte wird ausgeblendet), können wir uns in der großen Kampagne auf der ganzen Welt tummeln. Zumindest theoretisch, denn die Ausgangslage ist historisch vorgegeben: Die Briten bilden die größte Macht, allein schon wegen ihrer Kolonien in Indien und Afrika. Dahinter kommen mit weitem Abstand die Franzosen, gefolgt von Preußen, Österreich, den noch jungen USA, Russland, Japan und Sardinien-Piemont.
Das Wirtschaftssystem: Fummelig
In Sachen Komplexität schielt Pride of Nations klar auf den Genrekönig Hearts of Iron 3, nimmt sich aber zu viel vor. Während dort die Verzahnung zwischen Wirtschaft, Forschung und Politik mit dem wichtigen militärischem Part gut funktioniert, fällt Pride of Nations nach dem recht gut umgesetzten Militärteil stark ab.
So ist das Wirtschaftssystem zwar komplex und vielfältig, aber auch unübersichtlich. Am besten funktioniert noch die Bedienung: Wir errichten Bauten wie Kohlebergwerke oder Opiumplantagen (!), indem wir eine Spielkarte des Gebäudes auf die Weltkarte ziehen. Genauso verschieben wir Truppen, auf die wir in Total-War-Manier direkt auf der Weltkarte oder in Karteireitern am unteren Bildschirmrand zugreifen.
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Das komfortable Drag-&-Drop-System klappt also bestens, doch der Bonus ist schnell verspielt: Produktionsstätten stellen nämlich den Betrieb ein, wenn irgendwas nicht passt. Etwa, weil schlicht die Rohstoffe fehlen, oder weil’s keinen Zugang zum Absatzmarkt (mehr) gibt, weil wir einen Hafen verloren haben.
Solche wichtigen Nachrichten gehen im Textmeldungs-Overkill zum Rundenbeginn schnell unter, außerdem müssen wir eine stillgelegte Fabrik selbst dann wieder von Hand anwerfen, wenn sie wieder genug Rohstoffe oder ihren Marktzugang hat. Das kann schon nach wenigen Runden gewaltig nerven.
Die Bedienung: Null Überblick
Überhaupt wirkt ein Großteil von Pride of Nations unfertig, vor allem die Bedienung. Wichtige Bereiche erreichen wir ausschließlich über die F-Tasten (Diplomatie und Forschung etwa), während es gleichzeitig unzählige, winzige Buttons für Filterfunktionen gibt, die mal unwichtig, mal superwichtig sind.
Auch die gute Idee, verschiedene Filter direkt auf der Weltkarte darzustellen (beispielsweise sehen wir nur Truppen oder nur Produktionsstätten), wird gleich wieder kaputtgemacht. Denn die Bedienung der Anzeigemodi ist keineswegs intuitiv, sondern so verwirrend, dass sie zusätzliche Eingewöhnungszeit braucht.
Beispiel: Um aus der Kolonial-Ansicht in den Entscheidungsmodus zu wechseln (nur hier können wir beispielsweise Anführer bestechen oder Expeditionen losschicken), müssen wir erst auf einen Zahnrad-Button klicken. Dass das Zahnrad seit Zig Jahren und in allen anderen Spielen für »Optionen« steht, haben die Entwickler wohl verpennt. Ins Hauptmenü wiederum führt ein Telefon-Symbol. Aha.
Apropos verschlafen: Trotz der vielen Filterfunktionen verpasst man schnell wichtige Meldungen (»Japan erklärt Ihnen den Krieg!«), weil sie zwischen unwichtigen Infos untergehen (»Zwei Textilien an Frankreich verkauft!«). Das macht Pride of Nations unnötig frickelig und unübersichtlich.
In großen Zeitungsschlagzeilen bekommen wir lediglich spezielle Missionen präsentiert, die keine große Rolle spielen. Beispielsweise sollen wir weltweit die meisten Farbstoffe produzieren – gähn! Dermaßen generisch und unspektakulär sind alle Aufgaben. Das wirkt so, als sei während der Entwicklung noch jemandem eingefallen, dass ja momentan Errungenschaften voll angesagt sind.
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