Seite 3: Sex in Videospielen - Tabuthema Geschlechtsverkehr

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Zieh dich aus, Puppe!

Playmates, die in einem Videospiel auftreten, das ist eine Sache. Mit Triss Merigold, einer der zentralen Nebenfiguren aus The Witcher 2: Assassins of Kings, hat es jedoch erstmals ein Videospielcharakter auf das Cover des Playboys geschafft. Die polnische Ausgabe des Männermagazins nahm die virtuelle Schönheit 2011 auf die Titelseite des Mai-Hefts.

Das kann man einerseits durchaus als Kompliment verstehen, mit dem der Playboy den kulturellen Stellenwert der aufwendigen Videospielproduktion in ihrem Herkunftsland betont. Andererseits zeigt es aber auch, wie selbstbewusst die Entwickler mit ihrer Arbeit umgehen.

Der Auftritt von Triss in Assassins of Kings kann sich sehen lassen. Statt Sammelkarten gibt es im aktuellen Witcher-Teil gerenderte, ziemlich freizügige Cut-Scenes. Triss und Geralt kommen sich an einem ausgesprochen romantischen Ort näher, die Situation ist plausibel in den Handlungsverlauf integriert. Als handwerklich hervorragend gemachte Render-Sequenz bedient die Szene außerdem nicht nur Voyeure, sondern auch Cineasten. Zu guter Letzt eröffnet die Sequenz auch eine neue Perspektive auf den Protagonisten Geralt von Rivia: Während er und Triss sich im Liebesspiel ergehen, sieht der Spieler den von Narben überzogenen, geschundenen Körper des Monsterjägers, den er ansonsten die meiste Zeit gut gerüstet und die Schwerter schwingend von hinten betrachtet.

Rollenspielcharaktere werden gern als unbezwingbare Einzelkämpfer inszeniert, als tapfere Helden oder durchtriebene Söldner. Sie müssen essen und schlafen, betätigen sich als Handwerker, richten Häuser ein und führen ohne Unterlass Gespräche mit jedem, der ihnen über den Weg läuft – warum also sollen sie nicht auch ihre Leidenschaft ausleben? Die Romanzen und Liebesbeziehungen der Figuren aus The Witcher, Dragon Ageoder Mass Effectstellen lediglich eine weitere Facette dar, die sie zu glaubwürdigen, greifbaren Charakteren macht. Und darum geht es schließlich in einem Rollenspiel.

Keine Angst vor Tabus

Dass es zumindest in Deutschland kein Problem darstellt, wenn die Liebespartner in den BioWare-Rollenspielen einer anderen Spezies oder demselben Geschlecht angehören, ist ein gutes Zeichen. Im Gegensatz zum ESRB, das in den USA die Altersfreigaben für Videospiele vergibt, ist die USK primär an gewalthaltigen Inhalten interessiert und beim Thema Sex eher geneigt, ein Auge zuzudrücken. Das scheint nur fair, schließlich gibt es unverhältnismäßig mehr Gewalt als Sex in Videospielen.

Was die Romanzen in ihren Dragon Age- und Mass Effect-Spielen anbelangt, schert sich BioWare wenig um Konventionen. Was die Romanzen in ihren Dragon Age- und Mass Effect-Spielen anbelangt, schert sich BioWare wenig um Konventionen.

Spiele wie Fahrenheit, Heavy Rain, The Witcher, Dragon Age oder Mass Effect sind auf einem guten Weg im Umgang mit dem diffizilen Thema. Ganz sicher sind sie als Adventures und Rollenspiele auch besser geeignet als andere Genres, Erotik angemessen und geschmackvoll ins Spiel zu integrieren: Je wichtiger die Charaktere sind und je mehr man über sie erfährt, desto plausibler ist es, dass sie sich irgendwann auch in nicht ganz jugendfreie Situationen begeben.

Als mündiger Spieler kann man sich von Eentwicklern nur wünschen, alle Aspekte des menschlichen Daseins mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu erforschen. Denn nur, wenn man Videospielen zugesteht, sich auch mit tabuisierten Themen auseinanderzusetzen, können sie als Kunstform ernst genommen werden. Schließlich dürfen auch Filmemacher von Woody Allen bis Pedro Almodovar auf witzige, anregende oder abstoßende Art und Weise zeigen, was wir schon immer über Sex wissen wollten.

Dabei geht es gar nicht darum, wie explizit eine Szene ist oder wann die obligatorische Schwarzblende oder der Schwenk weg vom Geschehen eingesetzt wird. Für einen „erwachsenen“ – und vielleicht öffentlich anerkannten? – Umgang mit dem Thema ist nicht entscheidend, wie viel nackte Haut die Spiele zeigen, sondern warum sie blankziehen. Wenn es der Charakterisierung einer Figur oder dem Vorantreiben der Handlung dient, müssen Videospiele keine Angst vor Erotik haben. Nur schlechten Sex, den braucht kein Mensch.

Skandal!

Gerade in den USA sorgt das Thema Sex in Videospielen von jeher für öffentliche Kontroversen. Dass diese nicht immer ungerechtfertigt sind, zeigt ein ganz frühes Beispiel aus dem Jahr 1983.

Geschmacklos: Custer's Revenge von 1983. Geschmacklos: Custer's Revenge von 1983.

Das für die Atari 2600-Konsole veröffentlichte Spiel Custer´s Revenge gilt heute als eines der geschmacklosesten Games aller Zeiten. Der Spieler steuerte den US-amerikanischen General George Armstrong Custer, der 1876 mit seiner 250 Mann starken Einheit bei der Schlacht von Little Bighorn ums Leben kam. Im Spiel des Entwicklerstudios Mystique nahm er nun Rache an den Indianern – und zwar, indem er ewig lüsternd und mit erigiertem Pixelpenis durch die Wüste rannte, Pfeilen auswich und an Marterpfähle gefesselte Squaws vergewaltigte.

Völlig zurecht löste das Spiel Protestwellen bei Frauenrechtsorganisationen und Indianerverbänden aus, und auch Atari distanzierte sich öffentlich davon. Leider etwas zu spät: als Custer´s Revenge vom Markt genommen wurde, waren bereits 80.000 Kopien davon verkauft.

Nicht weniger laut war der öffentliche Aufschrei, als 2005 eine Modifikation für Rockstars GTA: San Andreaspublik wurde, die so genannte „Hot Coffee Mod“. Findige Spieler hatten eine Möglichkeit entdeckt, bereits im Spiel enthaltenen Code freizuschalten, der San Andreas um ein Sex-Minispiel erweiterte.

Mit der Hot Coffee Mod konnten Sexszenen in GTA: San Andreas freigeschaltet werden. Mit der Hot Coffee Mod konnten Sexszenen in GTA: San Andreas freigeschaltet werden.

Zeigte das Spiel vorher nur ein wackelndes Auto oder eine Häuserfront, während CJ mit seinen Freundinnen oder einer Prostituierten zugange war, konnte der Spieler nun selbst Hand anlegen. Das brachte das Fass zum Überlaufen und das ohnehin wenig geliebte Rockstar Game war endgültig als Skandalspiel gebrandmarkt. Keine Rolle spielte dabei die Tatsache, dass CJ von jeher Sex haben konnte und Strip Clubs oder Prostitution durchaus zu dem Milieu passen, in dem die GTA-Reihe spielt.

von Alexander Praxl

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