Sex in Videospielen - Tabuthema Geschlechtsverkehr

Wenn es um die »schönste Nebensache der Welt« geht, sind Spiele allzu oft prüde oder peinlich. Ein Plädoyer für besseren Sex in Videospielen.

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Sex in Videospielen ist so alt wie das Medium selbst. Bereits 1981 – ein Jahr nach Space Invaders – programmierte ein gewisser Chuck Benton das Textadventure Softporn Adventure für den Apple II-Computer. Darin wurde für den Protagonisten die »schönste Nebensache der Welt« zur spielbestimmenden Hauptsache: Mit Hilfe von eigenhändig eingetippten Textbefehlen navigierte der Spieler seine Figur durch eine Reihe von Schauplätzen, sammelte Objekte auf und benutze sie im richtigen Kontext, um irgendwann mit einer der drei Frauen des Spiels im Bett zu landen. Eine grafische Oberfläche gab es nicht, und die ausdrücklich nur für erwachsene Spieler geeigneten Texte waren so erotisch wie ein billiger Groschenroman.

Viel spannender als das Spiel selbst war das Umfeld, in dem Softporn Adventure entstand. Es wurde 1981 von On-Line Systems veröffentlicht, dem von Ken und Roberta Williams gegründeten, später als Sierra On-Line bekannten Studio, das neben Lucasfilm Games das Adventure-Genre mit seinen Kings-, Space- und Police-Quest-Serien prägte.

Das Foto auf dem Cover des Textadventures Softporn Adventure wurde zu Hause bei Familie Williams aufgenommen. Die Dame ganz rechts ist die Spieleentwicklerin Roberta Williams. Das Foto auf dem Cover des Textadventures Softporn Adventure wurde zu Hause bei Familie Williams aufgenommen. Die Dame ganz rechts ist die Spieleentwicklerin Roberta Williams.

Softporn Adventure war das einzige rein textbasierte Spiel, das Sierra jemals veröffentlichte. Laut Ken Williams wurden 25.000 Kopien davon verkauft, eine stolze Zahl, wenn man bedenkt, dass es damals nur schätzungsweise 100.000 Apple II-Computer gab. Das Cover, das drei champagnerschlürfende Frauen und ihren Butler im Whirlpool zeigt, wurde im Haus der Williams aufgenommen. Und die Dame ganz rechts ist niemand anderes als Entwickler-Legende Roberta Williams selbst

Der Grund, warum Softporn Adventure heute mehr ist als ein verstaubtes Exponat im Kuriositätenkabinett der Videospielgeschichte, ist jedoch die Tatsache, dass es dem Sierra-Entwickler Al Lowe als Vorlage für sein Adventure Leisure Suit Larry in the Land of the Lounge Lizards diente.

Lowe und sein Protagonist, der notorische Schwerenöter Larry Laffer, machten Sex in Videospielen zwar keineswegs salonfähig, aber immerhin bescherten sie Sierra zwischen 1987 und 1996 sechs ausgesprochen populäre Adventures: Spiele, die mit ihrer liebevollen Pixelgrafik, dem von knackigen Rätseln geprägten Spielprinzip und der konsequenten Charakterzeichnung einen großen Schritt hinaus aus der Schmuddelecke der Vorlage machten, mitten hinein in den Mainstream der interaktiven Unterhaltung. Vor allem die frühen Larry-Adventures gelten heute als Klassiker, ihr Protagonist wurde zu einem der ersten Antihelden der Videospielgeschichte.

Jackpot! Larry Laffer am Ziel seiner Träume. Jackpot! Larry Laffer am Ziel seiner Träume.

Die Larry-Adventures funktionierten, weil sie in erster Linie gute Adventures waren. Weil sie mit Al Lowe einen Entwickler hatten, der das Thema Sex zwar recht derb, aber auch ziemlich selbstbewusst und vor allem selbstironisch anging. Und weil es zu guter Letzt einen guten Grund gab, das Thema aufzugreifen: schließlich handelten die Spiele von einem Loser in der Midlife-Crisis, zu klein geraten, mit schlechtem Atem und eben so schlecht sitzendem, weißen Polyesteranzug, dessen amouröse Abenteuer ewig zum Scheitern verurteilt waren.

Sex sells?

Doch die Larry-Adventures funktionierten nicht, weil sie Sex thematisierten, sondern obwohl sie es taten.

Für Saints Row: The Third verpflichtete THQ eine Reihe von so genannten „Penthouse-Pets“ als Testimonials. Für Saints Row: The Third verpflichtete THQ eine Reihe von so genannten „Penthouse-Pets“ als Testimonials.

Dass der Ausflug ins schlüpfrige Sujet so gut ging, stellt noch heute eine Ausnahme in der Videospielgeschichte dar. Denn im Großen und Ganzen sind Spiele reichlich prüde – und können schnell peinlich werden, wenn sie Sex ins Spiel bringen.

Dennoch wird immer wieder versucht, Videospiele mit Hilfe von weiblichen Reizen an den Mann zu bringen. »Sex sells«, heißt es bekanntermaßen, und zumindest, wenn man der Werbeindustrie Glauben schenken darf, stimmt das auch.

Auch die PR-Abteilungen zahlreicher Publisher scheinen an diesem Credo festzuhalten, wie die leicht bekleideten Testimonials diverser Rennspiele ebenso zeigen wie die allgegenwärtigen »Babes« an den Messeständen der Branche. Auf der letztjährigen Gamescom etwa war man geneigt, das Akronym THQ als »Testosteron-Hauptquartier« zu lesen: Von Warhammer-Marines in Vollplatte bis zu halbnackten Penthouse-Ladies, mit denen Saints Row: The Thirdbeworben wurde, hatte der Stand des Publishers alles zu bieten, was Männerherzen höher schlagen lässt.

7 Sins - Test-Video zum Erotik-Adventure Video starten 4:46 7 Sins - Test-Video zum Erotik-Adventure

Vielleicht haben die barbusigen Schönheiten, die das Spiel anpriesen, oder die riesigen Hartgummi-Dildos, die man darin als Waffen schwingen kann, tatsächlich dazu beigetragen, die ein oder andere Kopie mehr von Saints Row: The Third zu verkaufen. Mindestens genauso sicher zeigen jedoch Spiele wie die »Wirtschaftssimulationen« Rotlicht Tycoonund Wet: The Sexy Empire oder die Sims-Klone 7 Sinsund Singles: Flirt up your Life, dass Spiele einfach mehr bieten müssen als nackte Haut – beziehungsweise von Textilien befreite Texturen.

Der Löwenteil der umsatzstarken Mainstream-Titel kommt sehr gut ohne Sex aus. Und einige AAA-Spiele, wie etwa die God of War-Reihe von Sony, hätten besser darauf verzichtet. Denn wenn Kratos in pubertären Minispielchen die antike Damenwelt beglückt, beweist das nur einmal mehr, dass zwischen den Begriffen »Sex« und »Erotik« Welten liegen können. Außerdem sind die Abschnitte völlig redundant.

Ja, Kratos ist ein »echter Mann«, der problemlos auch zwei, drei oder vier Frauen befriedigt – als hätte man das anders nicht mitbekommen in einem Spiel, das wie dieses vor Testosteron nur so strotzt. Hinzu kommt, dass der Sex in Quick-Time-Events abgehandelt wird, während die Kamera beschämt zur Seite schwenkt; als wären die Begegnung mit den Frauen nur ein weiterer Kampf, den der Held zu bestehen hat. In diesen Szenen fühlt man sich unweigerlich an das C64-Spiel Sex Games aus dem Jahr 1985 erinnert, in dem das Rütteln des Joysticks das „alte Rein-Raus-Spiel“ produzierte. Viel mechanischer kann man Sex in einem Spiel nicht umsetzten.

1 von 3

nächste Seite


zu den Kommentaren (146)

Kommentare(141)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.