Wer Feng Shui für ein Sushi-Gericht hält, liegt ziemlich daneben. Die uralte, asiatische Lehre von der Harmonie zwischen Mensch und Umwelt bezieht sich auch nicht bloß auf kleine Wohnzimmerbrunnen oder perfekt ausgerichtete Esstische. Es geht dabei um das Qi, jene unsichtbare Energie in und um uns herum, die einen positiven Einfluss auf unser Leben, Gesundheit und Glück haben kann. Der eine glaubt daran, der andere nicht - wer aber in der sechsten Welt, der Welt von Shadowrun: Hong Kong lebt, der kennt sich mit gutem oder schlechtem Qi aus.
Entwickler Harebrained Schemes, die mit Shadowrun: Dragonfall ein überragendes Shadowrun-Kapitel geschaffen haben, bringen Feng Shui nun auf unsere PCs. Nach einer überaus erfolgreichen Kickstarter-Kampagne, in der unter anderem eine Überarbeitung der Matrix versprochen wurde, dürfen wir nun zwischen Triaden und Megakonzernen im fernöstlichen Hong Kong unsere Nuyen (die Shadowrun-Währung) verdienen. Und wir lernen, wie sich gutes oder schlechtes Qi auf die Lebenserwartung auswirkt.
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Glück im Unglück
Gerade in Hong Kong angekommen, entwickeln sich die Dinge für unseren per Editor selbstgebauten Charakter sehr unangenehm. Unser Ziehvater Raymond taucht nicht wie vereinbart auf und wir müssen mit Ziehbruder Duncan und ein paar Shadowrunnern vor den Behörden fliehen. Erst wird auf uns geschossen, dann nach uns gefahndet - keine schlechte Leistung für unsere erste Stunde auf asiatischem Boden.
Die Runner, die das Pech hatten, in das Fahrwasser unseres Unglücks zu geraten, sind unsere Rettung: Unter dem Schutz ihrer Auftraggeberin Kindly Cheng können wir uns im Distrikt Heoi verstecken und von dort aus den verkorksten Ereignissen auf den Grund gehen. Cheng hilft uns nicht aus altruistischen Gründen. Als Gegenleistung erledigen wir diverse Aufträge und werden somit selbst zu Shadowrunnern. Sehr zum Leidwesen von Duncan, der bisher als Gesetzeshüter seine Brötchen verdiente und nun den krassen Wechsel auf die dunkle Seite durchstehen muss.
Hier zeigt Shadowrun: Hong Kong seine große Stärke: Die Charaktere entwickeln echte Persönlichkeit. Nicht zuletzt die umfangreichen Gespräche lassen unsere Mitstreiter zu einprägsamen Zeitgenossen werden: Gobbet, die Schamanin mit Faible für Ratten und widerliches Essen; Is0bel, die zwergische Deckerin, die sich in der Matrix pudelwohl fühlt; Racter, der irre Technikexperte mit seinem Drohnen-Haustier Koschei.
Das Shadowrun-Prinzip
Shadowrun: Hong Kong ist ein geschichtenbasiertes Rollenspiel, das aus isometrischer Sicht gespielt wird. Wir dürfen uns einen vorgefertigten Charakter aussuchen oder einen eigenen frei entwickeln. In verschiedenen Missionen sammeln wir Karma-Punkte (vergleichbar mit Erfahrung), mit denen wir Skills steigern und den Charakter verbessern. Die Missionen bestreiten wir mit bis zu vier Gefährten, die ihre eigenen Geschichten und Missionen mitbringen. Kämpfe laufen rundenbasiert ab und erfordern häufig ein grundlegendes taktisches Verständnis sowie den intelligenten Einsatz von Fähigkeiten. Entscheidungen, die wir in Gesprächen treffen, können sich nachhaltig auf das spätere Spiel auswirken.
Feng Shui in den Schatten
In Hong Kong geht es vorrangig darum, wie es ist, ein Shadowrunner zu werden und zu sein. Dazu gehören eine Reihe umfangreicher und lukrativer Nebenmissionen, die zusätzlich diverse Hintergründe erklären. Zum Beispiel die Sache mit dem Feng Shui. Das Qi wirkt in Hong Kong ganz besonders gut, weshalb diverse Konzerne ihre Architektur und Einrichtung auf den perfekten Fluss positiven Qis ausgerichtet haben. Das macht sie angreifbar. Wir werden prompt beauftragt, die überbordend positive Energie in einem Konzerngebäude zu stören, indem wir Raumteiler verschieben, einen Sprung in einen Spiegel fabrizieren und eine Statue in ihre Einzelteile zerlegen.
Toxisches Qi findet sich aber auch, und zwar in der Walled City, einem Mega-Slum von Hong Kong. Dieses Gebiet ist den Ärmsten der Armen sowie üblen Verbrechern vorbehalten. Doch die von diesem Slum ausgehende schlechte Energie sorgt obendrein dafür, dass viele Bewohner von Hong Kong die gleichen Albträume haben. So wird die Suche nach Raymond auch zu einer Suche nach der Ursache für die Albträume und der Quelle des schlechten Qis.
Die Hauptgeschichte, Nebenmissionen und Dialoge sind auf höchstem Niveau geschrieben und ziehen uns in ihren Bann. Zudem gibt es wesentlich mehr zu lesen (Es gibt keine deutsche Lokalisierung!) als noch in den vorigen Teilen. Leider geht der Geschichte am Ende etwas die Luft aus, ein paar schier endlose Gespräche ergehen sich in Redundanzen, das Tempo der Geschichte wird ausgerechnet dann ausgebremst, wenn es eigentlich anziehen sollte. Auch das Finale dürfte nicht jedermanns Sache sein, denn Hong Kong driftet (wie schon in Shadowrun Returns) über die Albtraum-Thematik stark in die fantastische, an Lovecraft erinnernde Seite der sechsten Welt ab.
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