Spezialisieren? Ja gerne!
Die Spezialisierungen wiederum gefallen uns richtig gut. Wir können beispielsweise eine Stadt auf Bergwerke spezialisieren und eine zweite auf Ölbohrungen, eine auf den Gütertransport und die nächste auf Elektronikproduktion. Oder auf Kasinos. Oder auf Kultur. Oder aber wir kombinieren wild durcheinander: Eine Stadt, in der wir Erz und Kohle ausgraben, Öl absaugen, alles zu Metall, Treibstoff und Legierungen weiterverarbeiten, während in einer anderen Ecke die Kasinos nach Touristen fischen? Geht alles – auch wenn’s nicht sonderlich effizient ist, weil Touris nun mal nicht auf Luftverschmutzung abfahren und wir den Bauplatz für die Kasinos eigentlich besser in Umschlagplätze stecken sollten, um Prozessoren und Fernseher per Frachtschiff oder Güterzug an den Weltmarkt zu verkaufen.
Aber es ist eine Stadt wie keine andere, und genau das ist das Schöne an den Spezialisierungen. In der einen Siedlung kümmern wir uns penibel um das Wohlergehen unserer Sims, in der anderen geht’s nur ums Ressourcen-Rupfen, in der nächsten darum, den Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und jede spielt sich tatsächlich anders. Das mag für alteingesessene Metropolenbauer vielleicht kein Ersatz für die beengten Stadtkarten sein - aber Spaß macht’s allemal.
Großprojekt? Kleinkartiert!
Völlig enttäuschend sind dagegen die vier Großprojekte: Mit Unmengen an Ressourcen und Arbeitskraft (sprich: überschüssige Arbeiter aus unseren Städten) können wir auf der Regionskarte eine Solaranlage errichten, einen Weltraumbahnhof, einen Großflughafen und natürlich die gute, alte Arkologie (sozusagen der SimCity 2000-Klassiker). Doch was gibt’s als Belohnung, wenn das Mammut-Werk endlich vollbracht ist?
Dann entsteht auf der Regionskarte ein viel zu kleines und detailarmes Modell, mit ein bisschen Feuerwerk drumherum, das die angrenzenden Städte künftig mit mehr Touristen, Energie oder anderen laschen Boni versorgt. Langweilig! Und kein Vergleich zu den Monumentalbauten eines Age of Empires, Pharao, Anno, in denen Arbeiter das Baumaterial tatsächlich heranschaffen, verlegen - und wir am Schluss in unserer eigenen Stadt eine Pyramide oder eine Kathedrale stehen haben.
In SimCity hingegen füllen sich grüne Baubalken, und am Schluss sehen wir den »Monumentalbau« allenfalls dann groß und wenigstens leidlich hübsch, wenn wir eine nahegelegene Stadt haben, an deren Horizont das Großprojekt emporragt.
Fast wirken die Prestigeprojekte so, als sei Maxis kurz vor Schluss noch eingefallen, dass Konkurrenzspiele ja auch so grooooße Bauten haben - und schnell selbst noch welche in die Region quetschte. Anders ist kaum zu erklären, warum ein Spiel, das selbst die kleinste Wohnhütte so schön modelliert und ausleuchtet, ausgerechnet seine Prestigebauten wie eine unwichtige Nebensache behandelt. Zumal sie ja gewissermaßen das Endziel des ganzen Multistädte-Konzepts darstellen.
Zwischen Freude und Frust
Womit wir beim springenden Punkt wären: Wer dem neuen Ansatz trotzdem eine Chance gibt und einfach drauflosbaut, wer Statistiken ohnehin links liegen lässt und sich lieber an einer wunderschönen und (zumindest auf den ersten Blick) glaubhaften Spielwelt erfreut, der kann mit dem neuen SimCity sehr viel Spaß haben. Denn im Gegensatz zum Societies-Vorgänger spielt sich der Reboot wirklich wie ein SimCity. Auch nach 40 oder 50 Stunden ertappen wir uns noch dabei, dass wir eine neue Stadt aus dem Boden stampfen, weil wir eine bestimmte Taktik ausprobieren wollen - oder weil uns eine Idee für eine besonders schöne Straßenführung kam.
Gleichzeitig aber ärgern wir uns: über die viel zu kleinen Karten, die uns nahezu ständig gängeln; über den Umstand, dass die Wünsche und Bedürfnisse der Sims nie vollständig nachvollziehbar sind; über eine streckenweise missratene Bedienung, bei der wir Gebäude und Erweiterungen vor dem Bau nicht drehen dürfen und beim Upgraden von Straßen auch wirklich jeden Abschnitt einzeln anklicken müssen, was bei vollgebauten Schachbrett-Städten in eine absurde Klick-Orgie ausartet.
Was genau davon beim Spielen überwiegt, Frust oder Freude, hängt nicht zuletzt von der eigenen Messlatte ab. Hardcore-Strategen, die wochen- oder monatelang an einer Mega-Metropole tüfteln wollen und eine nachvollziehbare Simulation mit aussagekräftigen Zahlen erwarten, werden mit diesem SimCity nicht glücklich - und sich beim Bau einer klassischen Einzelstadt fühlen, als sollten sie eine Geburtstagsparty in der Telefonzelle ausrichten.
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